Bänke mit Geschichte. Hier können Sie sich die Sagen und Märchen anhören oder durchlesen, die die „Sprechenden Bänke“ im MV für Sie bereithalten:

Breesen: Vom Alten mit der Holzlast
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Am Weg zwischen den zwei Dörfern Weiß nicht wo und Überall gab es eine Lehmkuhle. So eine ganz normale Mergelgrube, wie es sie häufig in unserer Landschaft gibt. Der Weg führte daran vorbei, in der Kuhle standen Kopfweiden und die Kuhle, tief und ausgehöhlt, war dunkel und unheimlich. Es war Herbst, die kurzen Tage voller Regen und Sturm, der Boden aufgeweicht und schwer. Jeder war froh, rasch und ungestört seinen Weg zu erledigen: Der Bauer mit dem Gespann heimwärts zum Hof, das Mädchen mit der Kanne zur Nachbarin oder der Handwerker mit der Stiege vom Markt. Keiner ging ohne zwingenden Grund an solchen Tagen vor das Tor. Nahe der Kuhle brach an einem solchen Tage ein alter Mann zusammen. Er trug schwer an einer Last Brennholz. Er hatte sie fest auf die Schultern gebunden und nun drückte sie ihn zu Boden und hinderte ihn daran, aufzustehen. In seiner Not rief er die wenigen Vorübergehenden an, ihm zu helfen. Er bat sie, ihm das Holz abzubinden, damit er aufstehen könne. Die Leute hatten keine Zeit und sie sahen nur kurz und scheu hin zu dem Alten und er sah elend und schmutzig aus und sie erkannten ihn nicht. Sie fürchteten sich. Der Mann bat und flehte, die Leute hörten ihn nicht im Sausen des feuchten Herbstwindes. Er weinte und stöhnte, die Leute sahen ihn nicht in der heraufziehenden Dämmerung. Sie hatten die Köpfe tief gesenkt gegen den Regen und eilten schnell ihren Häusern zu. Er lag auf der schlammigen Erde und sein Gesicht war nass vom Regen und von den Tränen der Wut und der Verzweiflung. Die Kälte kroch durch seine dünne Kleidung und das Holz, das ihn hatte wärmen sollen in den kommenden kalten Winternächten, wärmte ihn nicht, schützte ihn auch nicht vor dem immer heftiger strömenden Regen. Die Leute, die vorüber gegangen waren, vergaßen den Alten in der Abendarbeit.

Am nächsten Morgen fand man den Alten tot, erstickt im Schlamm. Nun befreite man ihn von seiner Last und trug ihn ins nächste Dorf. Jetzt erkannten sie ihn auch, als man den Schlamm und die Tränen von seinem Gesicht wusch. Er war ihr Hirte, den sie im Winter ja nicht brauchten und der im Armenhaus wohnte. Er war schon alt und ohne Verwandte. Man begrub ihn nach Armenart und der Vorfall schien vergessen. Aber die Menschen sind verwundbar und unberechenbar ihr eigener Geist. Jedes Mal wenn einer, der von dem Vorfall wusste, an der Lehmkuhle vorüberging, dann trug er schwer an einer unsichtbaren Last. ,,Es hockt einem im Nacken, es greift mit kalter Hand ums Herz und würgt von hinten an der Kehle, als ob man weinen sollte“, so erzählten die Leute scheu. Aber nur die spürten den Geist, die von der Geschichte wussten; besonders aber die, die achtlos an dem Flehenden vorübergegangen waren. Wer nichts wusste oder gut vergessen konnte, der kam unbelastet den Weg entlang. Und mit der Zeit vergaßen immer mehr den Vorfall und so verschwand auch der Geist mit der Zeit.

Quelle: Dorothea Wende „So hätt‘ es können sein“ Eine Auswahl von Märchen und Sagen aus Nordwestmecklenburg, Einblicke zwischen Schaalsee und Salzhaff 7, Gadebusch, Landkreis Nordwestmecklenburg (2001)

Brüsewitz: Von Peter Pück
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Einst gab es in Schwerin ein Kloster der Franziskaner, an das nur noch die Klosterstraße in der Stadt erinnert. Und so wie das Schloss seinen Schlossgeist „Petermännchen“ hatte, so hatte das Kloster auch einen dienstbaren Geist, den Peter Pück oder Puck. Puck war aber im Grunde ein böser Teufelsgeist und erst die Dienste im Kloster verpflichteten ihn zu gemäßigtem Treiben.

Illustration Peter Pück

Am Beginn der Geschichte Mecklenburgs schenkte Graf Gunzelin von Schwerin seiner Frau Gemahlin Oda ein Gut und auf ihren Wunsch hin verlieh er den ursprünglich slawischen Bewohnern das deutsche Recht. Das Dorf wurde später Klein-Brütz genannt, weil in seiner Nachbarschaft deutsche Siedler ein Dorf mit dem Namen Groß-Brütz gründeten.
Über einhundert Jahre später wurde Johannes von Halberstadt als Burgmann zu Schwerin in Brütz genannt. Und der litt sehr unter der Tyrannei eines bösen Hausgeistes.

Eines Tages verirrten sich zwei Franziskanermönche des Klosters zu Schwerin auf dem Rückweg von Lübeck und gerieten bei Einbruch der Dunkelheit zum Hof von Klein-Brütz. Sie baten um Nachtlager und Schutz. Das wurde ihnen gewährt. Herr von Halberstadt bewirtete die beiden Mönche großzügig, denn einer von ihnen war sogar der Vorsteher des Klosters.

Und als es Zeit zur Nachtruhe war, wies er ihnen gerade die Kammer zu, in der der unruhige Poltergeist sein Unwesen trieb und die Bewohner des Hofes nicht zur Ruhe kommen ließ. Er hoffte, dass die frommen Gäste den Unruhestifter vielleicht besänftigen und das Haus von ihn befreien könnten oder dass der den frommen Leuten bestimmt nichts Böses anhaben könne.
Die beiden Reisenden beteten zur Nacht und sehnten sich nach der anstrengenden Reise und dem reichlichen Essen und Trinken nach erholsamen Schlaf in den vorbereiteten weichen Betten. Wie groß aber war ihr Unmut, als sie erleben mussten, dass sich die Betten im Kreise drehten, Kissen und Laken durch die Luft wirbelten und allerhand andere Unruhe die Kammer erfüllte. Sie wurden aus den Betten geworfen und die Betten auf sie gedreht, so dass sie schmerzhafte Stöße bekamen. Kopf- und Fußende wechselten schneller als ein Lidschlag und dazu polterte es und rauschte, so dass an Schlaf nicht zu denken war.

Zuerst versuchte es der Vorsteher mit Gebeten und mit Drohungen, die aber Nichts bewirkten. Nach kurzem Innehalten ging der ganze Tumult erneut los. Ermattet und ergeben sagte der Vorsteher schließlich: „Oh halte doch Frieden, Guter Freund, und höre auf, uns beschwerlich zu sein, ich bitte Dich darum.“
Der Poltergeist verharrte. So freundlich und akzeptabel angesprochen hatte man ihn noch nie! Also antwortete er: „Willst Du mich mieten, so will ich Dir und den Deinen ein unverdrossener Diener sein!“

Der Pater sehnte sich nach Nichts mehr als nach Ruhe und ging so auf das Angebot ein: „In diesem Haus habe ich kein Weisungsrecht, aber ich kann Dich für das Kloster mieten, wenn Du mir Deinen Lohn anzeigst und der akzeptabel ist. Aber lass es jetzt endlich gut sein!“
Da wurde der Geist sanftmütig und froh über seinen neuen Herrn.
„Einen bunten Rock von allerhand Stoff und über und über mit Glocken besetzt sollst Du mir nähen lassen und bis zum Ende meiner Dienstzeit für mich aufbewahren.“

Das versprach der Klostervorsteher zu tun und alsbald waren die Betten auf das Feinste gerichtet und Ruhe herrschte in der Kammer. Die beiden Mönche konnten behaglich bis zum Morgen schlafen.
Beim Frühstück fragte der Herr von Halberstadt die Mönche scheinheilig, ob sie eine gute Nacht gehabt hätten. Da erzählte der Vorsteher aber, was in der Nacht geschehen war und dass er hatte den Geist für das Kloster mieten müssen um Ruhe zu bekommen. Der Gastgeber war sehr erfreut über diese Nachricht und dankte den frommen Herren, dass sie sein Haus von dem unruhigen Geist befreit hatten.

Als die beiden Mönche ihren Weg fortsetzen wollten, saß der Geist in Gestalt eines Affen auf dem Tor und rief: „Ich werde Euch begleiten und beschützen auf Eurem weiten Weg, Ihr Herren, oder gibt es andere Befehle?“
Dem Klostervorsteher war diese Begleitung zuerst gar nicht ganz recht und er versuchte mehrmals, den Geist fortzuschicken oder freizugeben. Aber es half Nichts: Das Kloster hatte von da an den Peter Pück zum Diener. Er hat in der Folge dem Kloster noch manchen guten Dienst erwiesen, bis er mit seinem Schellenrock unter weithin schallendem Glockenklang in die Luft fahren und verschwinden konnte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Klein-Brütz erlangte erst sechshundert Jahre später auf Antrag seines damaligen Besitzers seinen ursprünglichen Namen wieder und heißt seit dem und bis heute Brüsewitz.

Autorin: Dorothea Wende

Kirch Grambow: Die Klingenbergsage
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Da liegt ein Berg zwischen Brützkow und Wedendorf, der soll früher Schwertberg oder Köpferberg geheißen haben. Und es war die Hinrichtungsstätte dieser Gegend. Einstmals wurde wieder eine Hinrichtung kundgetan und die Menschen strömten herbei aus den Dörfern nah und fern.
Angeklagt war ein junges Mädchen, die „Schöne Marie“. Sie diente als Magd in der Köchelsdorfer Mühle. Sie war bekannt in den Dörfern und beliebt, denn sie war freundlich und bescheiden. Aber sie war auch wunderschön und alle Männer sahen ihr nach.

Sie aber war dem Müllerburschen in der Mühle von Herzen zugetan und sah die anderen Männer nicht an. Und auch der Müllerbursche war ganz vernarrt in sie. Ein junger Bauernsohn, vermögend und stark, umwarb das schöne Mädchen. Aber Marie wies in zurück. Er konnte mit der Abweisung nicht fertig werden. Es war der Sohn des Schulzen und nicht gewohnt, dass er nicht bekam, was er begehrte. So war er gekränkt und wütend und wollte Marie vernichten.

Er hatte einen perfiden Plan. Er stahl ihr einen Holzschuh und dann zündete er ein großes Anwesen an und warf ihren Schuh in der Nähe ins Gebüsch. So ein Feuer im Dorf war eine gefährliche Sache, konnte doch schnell das ganze Dorf abbrennen. Die Häuser mit den Strohdächern waren zumeist aus Holz gebaut. Als der Brand gelöscht war, wurde eifrig und wütend nach dem Schuldigen gesucht. Man fand Maries Schuh!

Schnell war eine Anklage erhoben und das schöne Mädchen stand vor der Gerichtsbarkeit. Sie beteuerte immerfort ihre Unschuld. Und es ließ sich auch kein Grund finden, warum sie das Feuer gelegt haben könnte. Ja, es gab sogar Bauern, die Marie zu der betreffenden Zeit an anderem Orte gesehen hatten. Aber man berief sich auf die Unerklärlichkeit des weiblichen Geistes und schnell erstand ein Gerücht, dass Marie den Brand aus der Ferne gezündet hätte. Hexenwerk?

Marie wurde verurteilt. Für die damalige Rechtsprechung war die Indizienlage ausreichend erdrückend. Auf Grund der Schwere der Tat sollte sie hingerichtet werden. Marie wurde also zur Richtstatt geführt und sollte durch das Schwert sterben. Aber als der Scharfrichter das Schwert über ihrem bleichen gebeugten Nacken schwang, brach sich ein Sonnenstrahl in der Scheide und das Schwert zersprang in tausend Stücke. Eines der Stücke hat den Schulzensohn mitten ins Herz getroffen und ihn tödlich durchbohrt.
Das für alle Anwesenden war ein Zeichen!

Die Bauern fielen auf die Knie und baten um Erbarmen für Marie und der Graf, der die Gerichtsbarkeit innehatte, erhörte ihr Flehen. Marie wurde von ihren Fesseln befreit und der Müllerbursche konnte sie wieder in die Arme schließen. Sie sollen später auch geheiratet haben und der Graf hat ihnen, beeindruckt von ihrer wundersamen Rettung noch eine Mühle zur Bewirtschaftung geschenkt.

Der Berg aber sollte ab diesem Tage nicht mehr „Schwertberg“, oder „Köpferberg“ sondern „Klingenberg“ heißen. und es sollten dort keine Hinrichtungen mehr stattfinden.

Wie viele solcher Sagen gibt es, und wie oft gleiche Geschichten an verschiedenen Orten. Kann gar nicht alles stimmen? Sicher, aber es sind Geschichten voller Hoffnung. Und die bleibt uns bis heute. Und auch wenn verbürgt ist, dass das eben genannte Richtschwert noch heil und ganz existieren soll, so war es eben nur der Lichtstrahl, der die schöne Marie gerettet hat und der Schulzensohn wurde nur geblendet. Es hätte können sein! Und wenn die Menschen Geschichten an einem Ort ebenso erzählen wie an einem anderen, so kann es doch auch sein, dass immer wieder Ähnliches geschehen ist.

Quelle: Dorothea Wende „So hätt‘ es können sein“ Eine Auswahl von Märchen und Sagen aus Nordwestmecklenburg, Einblicke zwischen Schaalsee und Salzhaff 7, Gadebusch, Landkreis Nordwestmecklenburg (2001)

Dragun: Vom Wilden Jäger
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Einst war da ein Mann, der zog gen Osten in die neu erschlossenen slawischen Länder und ließ dort ein Dorf gründen. Er liebte es, Gewinne zu machen. Und er war erfolgreich dabei. Er wählte seinen Wohnsitz, wie es im Mittelalter oftmals üblich war, nahe dem Dorf und der wurde dann nach ihm benannt.
Es gehörten ihm alle die Wälder rings umher und seine größte Lust war das Jagen. Tag für Tag durchstreifte er die tiefen Büsche, den Bruchwald und die weiten Hallen der Buchenwälder auf Wild. Stets begleiteten ihn zwei schwarze Jagdhunde. Und alles, was er erblickte wurde ohne Erbarmen gehetzt und erlegt. Er hatte recht bald seine Vorratshütte mit Fleisch und Fellen gefüllt, allein er ließ im Jagen nicht nach. Jedes Regen im Wald machte ihn neugierig und bevor das Tier nicht gefallen war, hatte er keine Ruhe. Lange schon brauchte er das Wildbret nicht mehr. Er jagte schon lange nicht mehr, um das Wild zu essen oder zu verkaufen. Er achtete das Wild nicht. Er ließ die getöteten Stücke achtlos im Wald zurück.

Vom Wilden Jäger Illustration

Es dauerte lange, aber eines Tages hatte er alles Wild vergrämt. Still lagen die Büsche und Hallen, nicht einmal ein Vögelchen piepte mehr im Geäst.
Da war der Jäger erbost und enttäuscht und er stampfte mit dem Fuß auf und rief: „Es soll doch mit dem Teufel zugehen, wenn es hier nichts mehr zu jagen gibt!“ Da erhob sich eine forsche Bö und im Blasen des Windes fragte eine Stimme:
„Wie lange willst Du denn noch jagen?“
„Will jagen, so lange ich Lust habe!“ trumpfte der Mann auf.
„Sollst jagen wie Du willst, aber dann gehört mir Deine Seele!“
„Der Handel gilt“ rief der Mann und polterte wieder hinaus in den Wald.

Und siehe, auf wundersame Weise fand er immer wieder eine Spur, immer wieder einen Schatten, ein Geräusch. Sobald er ein Tier erlegt hatte, fand er ein Neues. Das ging so viele Jahre und hörte nicht auf.
Eines Tages aber war auch für diesen Menschen die Lebensuhr abgelaufen und er lag auf seinem Lager in den letzten Atemzügen. Da wehte der Wind ums Haus, zerrte am Dach und rüttelte an den Fensterläden. Eine raue Stimme raunte:
„Nun, Mann, wie steht es. Willst Du noch immer jagen?“
„Ja, rief der Mann“ und ballte seine Fäuste, „Ich hab noch immer Lust dazu !“
„Dann musst Du ewig jagen“ antwortete verärgert die Stimme und der Atem des Mannes erstarb.

Seit dieser Zeit wird hier und da und immer wieder und immer wieder auch an anderen Orten von Erlebnissen berichtet, in denen ein wilder unermüdlicher Jäger erscheint. Er braust mit seinem Gefolge durch die Luft und ist gar fürchterlich an zu schauen. Und wer Glück hat, wird reich wenn er ihm begegnet – wer ungeschickt ist oder gierig, der leidet.

Ein Tagelöhner kam in der Nacht von der Arbeit aus Dragun und hörte es sausen und Pfeifen in der Luft. Ein wildes Jagen ging umher und dann sah er einen Wagen mit zwei schwarzen Hunden durch die Luft fahren und hart auf dem Weg vor ihm aufschlagen. Dabei zerbrach die Deichsel. Ein schwarzer Jäger wandte sich mit funkelnden Augen an den Tagelöhner: „Hast du ein Messer, Mann!“

Zitternd gab der Tagelöhner sein Messer hin und schloss schon mit seinem Leben ab. Der andere spitzte die Deichsel neu an und gab das Messer zurück mit den Worten: „Ich danke Dir nicht. Sammel die Späne auf. Und wenn sie feucht sind, so leg sie hinter den Ofen!“ Dann lachte er schauerlich und das seltsame Fuhrwerk brauste davon.

Der Tagelöhner nahm verwirrt und gehorsam etwas von den Spänen und als er nach Hause kam, legte er sie an den Ofen.
Als seine Frau am Morgen das Feuer entzünden wollte, verwies er sie auf die Späne. Wie groß aber war ihr Erstaunen und ihre Freude, als sie sahen, dass die Späne sich in pures Gold gewandelt hatten.
Ich aber habe aber noch niemanden kennen gelernt, der wirklich reich geworden ist.

Autorin: Dorothea Wende

Krembz: Die Alte mit feurigen Augen
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Eine kleine Brücke führte einst über den Scheidegraben, der Feldbrügger und Schlagsdorfer Fluren trennte. Unter der Brücke, so wurde es immer erzählt, soll eine sehr alte Frau mit feurigen, rotglühenden Augen gewesen sein. Sie trug langes, ganz blondes Haar und ein weißes Gewand. Zur Geisterstunde hat sie dort an ihrem Spinnrad gesessen und goldenen Flachs gesponnen. Wenn aber ein Leichenwagen über die Brücke fahren musste, dann hörte man das Surren des Spinnrades besonders deutlich. Bislang hatte die Alte aber keiner aus den umliegenden Dörfern zu Gesicht bekommen. Eines Tages hörte ein Neugieriger das Spinnrad und wollte die Alte sehen. Er bückte sich nieder um unter die Brücke schauen. Da bekam er einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf, dass ihm Hören und Sehen verging und er das Bewusstsein verlor. Am nächsten Tage fand man ihn dort und Knechte brachten ihn nach Hause. Lange hatte er an den Folgen des Hiebes zu leiden, ehe er wieder seiner Arbeit nachgehen konnte. Unter die Brücke hat er nie wieder geschaut.

De Oll mit de gläunigen Ogen

Ein lütte Brügg güng eins öwer den Scheidegrawen, de twüschen de Feldbrügger un de Schlagsdörper Feller löppt. Ünner de Brügg, so hebben’s ümmer vertellt, sall ein olle Fru mit fürig-rodgläunige Ogen setten hebben. Sei wier ein Flaßkopp, harr de Hoor heil lang, un dräg ein witte Kleed. Wenn’t düster wier, tau Späukelstunn, hett sei dor an ein Spennrad setten un gulden Flaß spunnen. Man wenn ein Liekenwagen öwer de Brügg föhrn müßt, denn hett’n dat susen vun dat Spennrad sünnerlich lud un dütlich hürt. Bettau harr öwer nüms vun de Lüüd ut de Dörpers ümrüm de Oll tau seihn krägen.
Eins Dags hett denn öwer ein Kierl, de niegelig wier, dat Spennrad hürt un wull sik de Oll bekieken. Hei güng in de Knei, dormit hei ünner de Brügg schulen kunn. Upmal keem so ein dullen Schlag up sein Achterkopp dalsust, dat em Hüren un Seihn vergüng, em schwart vör Ogen würr un hei nix miehr marken ded. Annern Dag hebben’s em dor funnen un weck Knechte hebben em na Hus bröcht. Lang Tied wier em noch heil kodderig taumaud un wier hei dörch den Schlag up den Kopp nich gaud tau Weg, vördem hei jichtenswann wedder sein Dagwark nahgahn kunn. Ünner de Brügg hett hei öwer nie nich wedder käken.

Quelle: Otto Kniepcke, Einblike Heft 1, KV Gadebusch
Übersetzung ins Plattdeutsche: Thomas Lenz

Herrnburg: Die Schalkenburg
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Hier gegenüber, gleich hinter der Kirche liegt eine geologische Besonderheit, eine Binnendüne. Ihr könnt die Herrenburger Binnendüne erreichen, wenn ihr Euch auf die Strasse nach Schattin begebt und hinter dem Ortsausgang rechts haltet. Auf der Herrenburger Düne aber soll es nicht geheuer sein: An nebligen Tagen streift lautlos ein weißer Reiter auf einem weißen Pferd durch den Nebel, an stürmischen Tagen tobt ein schwarzer Reiter mit einem schwarzen Pferd darüberhin. Immer aber begleitet von einem heulenden Wolfshund. Es sind die „Schalkenbrüder“, und mit denen hat es folgende Bewandtnis:

Lange Zeit bevor Gottes Wort hier in der Gegend gepredigt wurde, stand auf der Grönauer Scheide eine Burg. Auf der Burg lebten zwei Brüder, welche man die Schalken nannte. Sie waren immer für sich und hatten wenig Kontakt zu den Menschen. Sie sahen auch ganz eigentümlich aus. Jeder hatte nur ein Auge. Der eine nur das rechte, der andere nur das linke. Und dann war der eine ganz weiß und hatte schwarze Füße und der andere war ganz schwarz und hatte weiße Hände.

Was sie in der Burg trieben, konnte niemand erfahren. Am Tor lag ein riesiger Wolfshund und ließ niemanden herein.
Die Mädchen aus der Nachbarschaft kamen, um Gemüse, Brot oder Fisch zum Kauf anzubieten. Einer der Brüder kam hinaus und besah sich die Ware. Wagte sich doch mal ein neugieriges Ding weiter in den Hof, so bliesen ihr unheimliche Winde die Röcke über den Kopf, rissen Ranken an ihren Haaren und zwickten Steinchen an ihren Füßen. Solch ein Schabernack vertrieb die Neugierigen schnell.

Die Schalkenburg



Doch einem Mädchen, schön und frisch wie der Tau, fleißig und lieb, kauften die Schalken immer etwas ab und manchmal bekam sie auch mehr Geld als andere, manchmal sogar einen Silbertaler. Sie sammelte das Geld fleißig und als sie genug zusammen hatte, verlobte sie sich mit dem Sohn eines armen Fischers aus der Nachbarschaft. Die Beiden verband schon lange eine heimliche Zuneigung. Von dem Tag an aber war ihr Kommen bei der Burg umsonst. Niemals mehr konnte sie etwas verkaufen. Und als sie ihr Erspartes aus der Lade nehmen wollte um Hochzeit zu machen, da waren es lauter gelbe und graue Feuerkiesel.

Traurig ging sie zu einer weisen Frau und fragte um Rat. Diese aber konnte ihr nicht weiterhelfen. Sie warnte sie aber dringend vor den Schalken, denn diese seien ihr offenbar gram. Sie solle nicht mehr zu nahe an das Wasser gehen. Diesen Rat konnte das Mädchen wohl befolgen. Aber nun verdiente sie auch nichts mehr und musste sich beim Bauern verdingen. Ihr Bräutigam musste auf einem Schiff anheuern und als er auf große Fahrt ging, hörte Niemand mehr etwas von ihm.

Es vergingen die Jahre, das Mädchen wurde immer trauriger und stiller. Und eines Morgens kam das Mädchen an den Fluss, denn den Rat der weisen Frau hatte die Zeit längst abgeschliffen. Am Ufer aber sah sie den weißen Schalken sitzen und mit den schwarzen Zehen im Wasser spielen. Er fragte sie: „Warum kommst du nicht mehr zur Burg ?“

„Aber ich konnte doch bei euch nichts mehr verkaufen“, erwiderte sie traurig. Da lächelte der Schalk und sagte: „Das war wohl so. Ist aber jetzt vorbei. Komm ruhig wieder zu uns, wir kaufen dir wieder Fisch und Brot ab. Oder besser noch, komm zu uns in die Burg und führe uns die Wirtschaft. Dafür sollst du jede Woche einen ganzen Taler haben und schöne Kleider und Essen und Trinken ganz nach Begehr und…“

„Das möchte ich mir denn aber doch erst einmal ansehen. Sonst habt ihr doch niemanden in die Burg gelassen,“ unterbrach das Mädchen schnell. Sie war denn auch neugierig auf die Burg. Und deshalb erlaubte sie dem merkwürdigen Schalk sie auf die Arme zu nehmen und über das Wasser zu tragen. Aber kaum waren sie auf der anderen Seite, da sprang der schwarze Schalk herbei und zerrte an ihrem Arm. Die beiden rissen an ihr herum und ihr wurde Angst und Bange. Mitten in dem gefährlichen Gerangel ertönte mit einem mal eine bekannte Stimme vom anderen Ufer und rief:

„Swattfot griep Wittpot
Wittpot griep Swatfot.“

Kaum war der Ruf erklungen, da ließen die beiden Schalken von dem Mädchen ab und begannen wild hintereinander zu jagen. Der eine versuchte die Füße des anderen zu ergreifen und seine eigenen Füße vor dem Zugriff des anderen zu bewahren. Eine wilde Jagd begann und der große Wolfshund jagte jaulend hinterdrein.

Das Mädchen aber erkannte am anderen Ufer seinen Verlobten und beide lagen sich in den Armen: „Nun erzähl doch bloß, wie ist es dir ergangen.“ Der junge Mann war um die ganze Welt gereist und hatte auf einer fremden Insel ein Erdmännchen getroffen, welches ihm diesen Spruch gewiesen hatte. Nun war er gerade rechtzeitig zurückgekehrt, um sein Mädchen vor Schaden zu bewahren. Er hatte auch etwas Geld erarbeiten können und davon gründeten die zwei die Fischerwirtschaft, aus der dann die „Fischerbuden“ an der Wakenitz entstanden sind.

Hätte er den Spruch dreimal gerufen, so hätte ihm sogar die Schalkenburg gehört. Aber hätte er sich auch nur um einen Buchstaben versprochen, so wäre es um sein Mädchen geschehen gewesen.
So lag die Schalkenburg nun brach und Mönche haben das Gut Falkenhusen auf dem Land angelegt. Die Schalken aber jagen noch heute in stürmischen Nächten über die Heide, begleitet von ihrem schwarzen Wolfshund.

Autorin: Dorothea Wende

Göldenitz: Die Mohnblume
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Es lebte einmal in einem Dorfe ein armer Töpfer mit seiner Frau, die hatten eine hübsche Tochter. Doch als das Mädchen erwachsen wurde, starben die Eltern einen frühen Tod. Seinen einzigen Trost fand es in den schönen Liedern eines jungen Spielmanns, der wunderbar die Geige spielen konnte. Neben dem Haus des hübschen Mädchens aber stand eine Mühle, und dort wohnte eine Müllerin, die konnte zaubern. Der junge Müllerssohn wollte das schöne Mädchen um jeden Preis heiraten, doch dieses konnte an niemand anders denken als an den Spielmann.

Nach einiger Zeit brach ein Krieg aus, und der junge Spielmann musste in fremde Länder ziehen. Jahr um Jahr verging, ohne dass das Mädchen etwas von ihm hörte. Die Müllerin aber kam jeden Tag und drängte es, endlich ihren Sohn zum Manne zu nehmen. Eines Tages, als die junge Frau auf dem Kornfeld arbeitete und immer wieder Ausschau nach ihrem Geliebten hielt, verwandelte sie die Müllerin in ihrem Ärger in eine Mohnblume. Da stand sie nun zwischen den Getreidehalmen, wankte im Wind und streckte ihr Köpfchen dem Horizont entgegen.

Wohl zwanzig Jahre vergingen, da hörte man eines Tages auf der Dorfstraße Liedersang, und Geigenklänge zogen über das Feld. Der Spielmann kam in einen blauen Mantel gehüllt ins Dorf, und gleich versammelten sich die Dorfleute um ihn herum, damit sie seinen Liedern lauschten. Er aber sagte: „lch suche die schöne Töpferstochter, die vor Jahr und Tag gleich neben der Mühle wohnte, denn sie ist meine Braut.“ Niemand aber konnte sich an das Mädchen erinnern. Da trat ein altes Mütterchen hervor und sprach: „Deine Braut, die findest du im Kornfeld, denn die böse Müllerin hat sie verzaubert, weil sie ihren Sohn nicht heiraten wollte.“ Da wurde der Spielmann blass vor Kummer und Gram. Er nahm seine Geige und traurig ging er aus dem Dorf hinaus, dem Kornfeld zu, wo die rote Mohnblume wuchs. Er setzte die Geige ans Kinn und spielte für die Blume die schönsten Lieder. Nach einer Zeit verstummte die Geige, und Tränen liefen über das Gesicht des Spielmanns. Auf einmal fühlte er eine tröstende Hand auf seinem Haar, und eine wunderschöne Frau stand vor ihm und sprach: „Eine schöne, rote Blume wächst in meinem Garten, die einsam ist und wartet auf ihren Spielmann. Komm mit mir, du sollst nun für immer mit ihr zusammen sein.“ ln diesem Augenblick verwandelte sich der Spielmann in eine zarte Pflanze, und sein blauer Mantel wurde zu einer leuchtenden Blüte. Seit dieser Zeit blühen Mohn und Kornblume still vereint nebeneinander in den Kornfeldern, flüstern miteinander und nicken sich glücklich zu.

Quelle: Mutabor Verlag, Pflanzenmärchen aus aller Welt

Göldenitz: Tycho Brahe, der Mann mit der goldenen Nase
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In Rostock hat ein Mann ein Denkmal bekommen, weil er sich mit einem anderen geschlagen hat. Das ist nun schon mehr als 400 Jahre her.
Der Name des Mannes war Tycho Brahe. Er wurde in Dänemark geboren und kam mit dem Schiff über die Ostsee nach Rostock. Hier konnte er nach der Schule weiter lernen. An der Universität heißt das Lernen Studieren. Tycho studierte Medizin und erfuhr viel über die Sterne und Planeten.

Eines Tages zankte er sich mit einem anderen Studenten. Jeder wollte schlauer sein. Ein altes Sprichwort sagt: Der Klügere gibt nach. Doch hier wollte jeder besser rechnen können als der andere. Schließlich wollten sie sich nicht nur prügeln, sondern sogar darum kämpfen, wer Recht hat.
Die beiden wählten spitze Degen als Waffen und trafen sich eines Abends im Winter auf dem Friedhof der Marienkirche zum Kampf. Es war Vollmond und sie konnten sich gut erkennen. Schon fochten sie los. Mal riss Tycho dem anderen ein Stück seines Mantels heraus, mal schlug der andere einen Knopf von Tychos Jacke ab. Das war alles sehr gefährlich.

Und es kam, wie es kommen musste: Mit einem Mal hieb der andere Student Tycho ein Stück seiner Nase ab. Die Nasenspitze fiel zu Boden. Zum Glück kannte Tycho gute Ärzte. Die bauten ihm eine Nasenspitze aus Gold. Sie wurde angeklebt. Doch wenn Tycho fortan lachen wollte, musste er immer seine Nase festhalten. So machte das Lachen keinen Spaß.

Am Glatten Aal, einem Platz in der Nähe des Rostocker Rathauses, sieht man Tycho Brahe an der Wand eines Hauses. Er selbst ist aus Bronze. Die goldene Nase glänzt in der Sonne. Tycho erforschte später für den König von Dänemark die Sterne. Er arbeitete meist nachts und allein. Da war es dunkel und man konnte die Sterne gut sehen. Dafür schlief er am Tag.

Autor: Dr. Hartmut Schmied

Plau am See: Die Hexe vom Klüschenberg
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Vor tausend Jahren ging nur ein kleiner Weg von Plau zur Wendenburg, die ganz von Wasser und Moor eingeschlossen war. Die Einwohner aus dem alten Plau – damals noch Plawe genannt – und aus der Umgebung, kannten diesen Weg, und wenn Gefahr drohte, zogen sie mit Weib und Kind und Vieh in die Burg am Burgsee. So auch in diesem Jahr, als wieder die Feinde anrückten, die vom Fürsten Tribut verlangten. Als ihnen das verweigert wird, versuchten sie die Burg zu erobern, was aber nicht gelang, denn die Burgbewohner und die vielen Menschen, die Schutz in der Burg gefunden hatten, verteidigten sie mit Erfolg. Jedoch als es Winter wurde und alles dick zugefroren war, kamen die Feinde in großer Überzahl über das Eis. Sie steckten alles an, ermordeten die Bewohner oder nahmen sie als Gefangene mit. Das Schicksal der Burg war besiegelt.

Die Prinzessin entkam den Häschern durch einen geheimen Gang, der hinter dem Wall seinen Anfang nahm und zum Klüschenberg führte. Sie hatte den Eingang so geschickt zugemacht, dass er von den Feinden nicht entdeckt wurde. Sie zogen mit ihrer Beute davon, und bald kehrte wieder Frieden ein.
Die Prinzessin blieb im Klüschenberg und bewachte die Schätze ihres Vaters. Nur selten kam sie an das Tageslicht, um bei den Plauern nach dem Rechten zu sehen. Uralt ist sie inzwischen geworden und wird nur noch die Hexe vom Klüschenberg genannt. Keiner kann sich mehr an die wunderschöne Prinzessin von der Burg erinnern.

Eines Tages kamen Fremde in die Stadt und fragten nach der alten Schatzkammer im Klüschenberg, von welcher sie vernommen haben, aber keiner wusste, wo sie war. An der Ostseite vom Klüschenberg fingen sie an zu graben, doch was sie bei Tag freigruben, fiel nachts wieder zusammen. Die Schatzsucher wurden ärgerlich, schlugen Holz ein und wollten nun einen Stollen bauen. Eine Holzsammlerin warnte sie, die Ruhe vom Klüschenberg nicht zu stören. Doch die Schatzgräber verhöhnten und verspotteten die Alte und jagten sie fort.

Am selben Abend ging ein schlimmes Wetter los als die Männer noch im Stollen waren. Das Unwetter zog die Elde hoch und blieb über dem Klüschenberg stehen. Über die Stadt fegte ein Sturmwind, so dass die Dächer und Balken ächzten, der See brodelte. Der Himmel öffnete alle Schleusen. Seit Menschengedenken war nicht mehr so ein Unwetter gewesen. „Was hat die Hexe heute nur?“ fragten sich die Plauer. „So wild ist sie noch nie gewesen!“
Erst nach Mitternacht wurde das Wetter ruhiger und der junge Morgen übergoss die Stadt mit goldenem Sonnenschein, als wäre nichts gewesen. Viele Fensterläden waren zerbrochen und etliche Dachschindeln fehlten auf den Dächern, aber sonst hatte das Unwetter keinen Schaden angerichtet. Jedoch am Klüschenberg, wo die Schatzsucher gegraben hatten, war eine breite, flache Kuhle, der Stollen war weg und auch von den Männern war nichts mehr zu sehen.

Nach dem Schatz hat nie wieder jemand gegraben und die Kuhle beachtet auch niemand mehr, nur ab und an sieht man dort eine alte Frau reife Beeren suchen.

Autor: Dietrich Löswitz

Zölkow: Ein Tanzerlebnis
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Meine Großmutter lebte als junges Mädchen in Lenschow. Die Mädchen des Dorfes gingen nach Mestlin zum Tanz. Damals gab es noch nicht die feste Straße wie heute. Sie mussten quer durch einen großen und unheimlich dunklen Wald. Wenn der Tanz aus war, liefen die Mädchen gemeinsam wieder zurück. Die Alten erzählten, dass in dem Wald ein Drache hausen sollte. Meine Großmutter hielt das nie für wahr, sie hatte ihn ja bis dahin auch noch nie zu Gesicht bekommen. Einmal wollte sie nicht bis zum Ende des Tanzabends warten und schon eher nach Hause zurück. Sie verabschiedete sich von den anderen, die noch blieben und begab sich auf den Heimweg. Mitten im Mühlenholz, so nennt man das Waldstück, geschah es. Die bis dahin so ruhigen Baumwipfel begannen zu rauschen und zu krachen, und ein Getöse setzte ein und es wurde immer heller. Dann sah sie den Drachen fliegen. Goldgelb strahlte sein Leib und hinter sich her zog er einen Feuerschweif. Zum Glück hatte er sie nicht gesehen. Meine Großmutter ist seitdem nie wieder allein den Weg gegangen.

Autoren: Evemarie und Frank Löser

Zölkow: Der Draak in Zölkow
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Die Sagen vom Draak (Drachen) waren einmal in der Gegend um Parchim sehr bekannt. Heute wissen nur die Alten, welche Bewandtnis es mit dem Draak auf sich hatte. Seine Gestalt und sein Wesen ähneln in einzelnen Dingen anderen Geistern. Wie es der Name ausdrückt, ist er vom Körper her ein richtiger Drache, der eine feuerglühende Haut und tellergroße Augen besaß. Er war lang wie ein „Wees­boom“. Vom Charakter her dumm und gutmütig, führte er eigentlich die Befehle eines anderen, des Teufels, aus. Er war so etwas wie ein Bote des Leibhaftigen. Naturerscheinungen am Himmel in der Form langsam dahinziehender Kometen oder herabfallender Sternschnuppen verkörperten rein äußerlich seinen Auftritt. Daher trifft seine Beschreibung haargenau auf die einer Sternschnuppe zu: Vorn ein glühender Kopf, hinten der dünnere, glühende Schweif.

Der Bauer aus Barkow, der in der Morgendämmerung nach Parchim fuhr, wird einer solchen Erscheinung aufgesessen sein und sie für den am Horizont dahinziehenden Draak gehalten haben. Mit dieser Sagengestalt steht im Plattdeutschen ein weiteres Wort im engen Zusammenhang – trecken. Ein treffendes Wort, das einem richtig vorstellen lässt. wie sich dieses Ungetüm mit seiner Last abmühte. Der Draak war immer mit irgendwelchen Schätzen beladen, die er denjenigen brachte, die mit dem Teufel im Bunde waren. Ganz Gewitzte kannten Sprüche, die den Draak während des Fluges zum Abladen zwangen. Mitunter half es auch, wenn man ihm seinen blanken Hintern zeigte. Derjenige musste nur aufpassen, dass er nicht dort zu stehen kam, wo der Draak seine Schätze fallen ließ, denn das konnte schmerzhaft werden.
Der Draak war auch in Zölkow. Die Alten haben davon erzählt. Er flog zu bestimmten Leuten und hat dort abgeladen. Na, das waren die Reichen, die bei ihm was bestellt hatten. Davon sind sie aber nicht glücklich geworden.

Autoren: Evemarie und Frank Löser

Zölkow: Der Teufel von Kladrum
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In früheren Zeiten lebte einmal ein Bauer in Kladrum, dem es durch mangelndem Fleiß nicht sehr gut ging. Darum ging er in einer Mainacht einen Pakt mit dem Teufel ein.

Der Mann sollte dem Teufel in dreißig Jahren seine Seele geben, dafür sollte ihm der Teufel Milch und Korn, Vieh und Geld geben und ihn vor Schaden bewahren. Als der faule Bauer immer wohlhabender wurde, machten sich seine Nachbarn Gedanken und beauftragten ihren Nachtwächter, die Augen aufzuhalten. Tatsächlich sah der Wächter eines Nachts, wie der Teufel in das Eulenloch beim Gebäude des Bauern hineinfuhr. Er konnte dem Pferdefuß das Verlassen des Gebäudes verwehren. Da sich der Teufel nicht mehr zu helfen wusste, verwandelte er sich in ein Häufchen glühender Kohlen. Als diese am anderen Morgen vom Bauern entdeckt wurden, goss er einen Eimer Wasser darüber aus. Der Teufel zersprühte in Tausend Funken und setzte dadurch das Bauernhaus in Brand. Damit hatte er dem Bauern Schaden getan und seinen Vertrag nicht gehalten. Seit der Zeit ist er in Kladrum nicht mehr zu sehen gewesen.

Autor: Reinhold Müller, Crivitzer Sagen 1991

Dorf Mecklenburg: Der Schimmelreiter auf dem Burgwall von Dorf Mecklenburg
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Der Schlossberg bei Dorf Mecklenburg, so geht die Sage, stehe unter dem klaren Schutz des Schimmelreiters. In besonderen Nächten, wenn wilde Wolken über den Himmel jagen und im Sturmrauschen das Geäst der Eichen gefährlich knackt, haben Leute ihn früher tatsächlich manchmal sehen können. Er ritt dann oben auf dem Wall entlang, trieb unermüdlich sein Pferd über Wurzelbülten und niederliegendes Holz, dass sein Mantel wild hinter ihm her wehte. Man sagte, er bewache uralte Schätze aus wendischer Zeit im Innern des Schlossbergs; und in solchen Nächten könnte ein Baum stürzen und sein aufklaffender Wurzelteller das kostbare Gold freilegen. Deshalb die unruhige Hast des Schimmelreiters.

Einmal geschah es, dass bei einem Gewitter der Blitz in das Haus eines Büdners gefahren ist, welches nicht weit vom Fuße des Walles lag. In kürzester Zeit stand das ganze Gehöft in Flammen, und alle Versuche, das Feuer zu löschen, waren vergeblich. Wie schnell auch die Dorfbewohner herbeigeilt kamen, wie verzweifelt der Büdner und seine Frau auch die Hände rangen – denn unter dem brennenden Schilfdach befanden sich ihre Kinder – niemand konnte mehr an das Haus herankommen. Das Flammenmeer breitete sich weiter und weiter aus, seine roten Zungen schlugen schon auf das Buschwerk am Schlossberg über, welches schnell aufglühte und lichterloh zu brennen begann. Da kam oben vom Wall her der Schimmelreiter herangesprengt. Dicht vor den brennenden Büschen stoppte sein Pferd, er hob die Hand und gebot dem Feuer: „Bis hierher, und nicht weiter!“ Zusehends krümmten sich die Flammen daraufhin zusammen und erstickten in Schwaden von Qualm, bis sich das Feuer kriechend zum Gehöft zurückgezogen hatte und zuletzt auch dort verlöschte. Wie eine Wundererscheinung bestaunten die Leute indes die faszinierende Gestalt des Schimmelreiters über dem Rauch, der seine gebietende Hand erhoben hielt – bis sie plötzlich den jungen Büdner beglückt aufschreien hörten. Der trug auf den Armen seine Kinder aus dem Haus. Wie durch ein Wunder war ihnen nichts geschehen. Als die Dorfbewohner sich dann wieder umwandten, sahen sie nur noch den wehenden Mantel des Schimmelreiters oben auf dem Wall. Sein Pferd hatte goldene Eisen an den Hufen, die im niedrigen Qualm des verloschenen Feuers auffunkelten, als es davongaloppierte.

Seitdem bringen die Leute aus Dorf Mecklenburg dem Schimmelreiter größte Hochachtung entgegen – auch wenn sie ihn über lange Zeit nicht mehr gesehen haben. Und manch einer hat hernach, selbst bis in jüngere Zeit hinein, sein Haus in die Nähe des Schlossbergs gebaut: Es mag sein, dass er es insgeheim dem besonderen Schutz des Schimmelreiters anvertraute. Denn der mag wirksam sein – nach wie vor.

Autor: Kurt Bisalski, Der Kirschbaum auf der Düne

Spornitz: Teufel am Kreuzweg
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Der Düwelsweg, auch Steinbecker Weg genannt, der von Dütschow kommend nach Spornitz geht ist ein Kreuzweg. Dort soll es immer ganz doll gespukt haben. Die Brücke war wohl das Domizil des Teufels. Hier trieb er auch mit Vorliebe sein Unwesen und hockte sich bei Vorübergehenden auf, damit sie ihn ein Stück des Weges trugen. Mit mehreren Leuten kam eines Nachts ein Bauer von Brenz her. Genau am Kreuzweg bogen sie in den Teufelsweg ein. Da geschah es, dass der Teufel sich beim Bauern aufhockte und tragen ließ. Er muss sich so richtig schwer gemacht haben, damit dem Bauern die Last sehr schwer wurde. Der konnte nicht mehr und musste sich am Grabenrand hinsetzen und ausruhen. Das störte den Teufel noch lange nicht und er stieg nicht von den Schultern des Bauern.

„Teufel geh runter, ich will mir erst eine Pfeife Tabak anstecken,“ meinte der Bauer zum Teufel. Hui, weg war der Teufel. Kaum brannte die Piep, da war er wieder da und saß wie vorher als schwere Last auf den Schultern. Bis zur Brücke musste der Bauer den Kerl nun noch schleppen, dann sprang der Teufel ab und war verschwunden.

Quelle: Dorfchronik Gemeinde Spornitz

Spornitz: Die Teufelsmühle
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Es war da diese schöne Mühle an der alles stimmte und die ihre Arbeit verrichten könnte und den Müller wohlhabend machen könnte, wäre nicht des nachts immer der Teufel erschienen. Er rumorte in den Mahlstuben herum, warf das Werkzeug durcheinander und hielt die Gesellen wach. Ja, er trieb es so arg mit den Gesellen, dass zuletzt keiner mehr in der Mühle arbeiten wollte. Es sprach sich schnell herum, dass die Mühle nicht geheuer sei. Der Müller war verzweifelt. Bald blieben auch die Mahlaufträge aus.

Die Teufelsmühle

Nach Jahr und Tag kam aber einer, der es dann doch noch einmal versuchen wollte. Er sagte selbstbewusst: „Frau Meisterin, mach mir mal Essen und Trinken für die Nacht zurecht, denn die erste Nacht möchte ich durchmahlen. Und dann, gibt es hier einen Schulmeister, der auf der Geige spielt?“. Die Müllersfrau wunderte sich über die seltsame Frage. Aber es gab tatsächlich einen Schulmeister, der dann und wann ganz leidlich auf der Geige spielte. Als der Müllergeselle bei ihm auftauchte, fürchtete dieser schon, er solle mit in die Mühle kommen. Doch der Geselle wollte sich nur die Geige ausborgen. Erleichtert gab der Schulmeister die Geige hin.

Auf dem Weg zur Mühle schaute der Müllergeselle an der Fassade der Häuser in den Efeu, bis er ein Amselnest fand. Die Jungen waren gerade flügge. Er nahm eines heraus und steckte es sich unter die Bluse.
Und dann wurde es Abend und das Mahlen begann. Um elf Uhr war der Müller noch wach und hörte das Mahlwerk gehen und sprach zu seiner Frau: „Höre Frau, der Geselle arbeitet noch immer.“
Um Mitternacht begann sonst das Tun des Teufels, das Rumoren und das Quälen der Gesellen. Jetzt hörte man nur das Mahlwerk gehen, aber der Geselle fing nun dazu zu fiedeln an.

„Sollte sich der Teufel schon verzogen haben“, dachte der Müller bei sich. Doch dem war nicht so. Der Teufel kam und er musste tanzen nach der Musik. Der Geselle fiedelte immer wilder. Dem Teufel war es genug und er verlangte nun, der Geselle sollte ihm die Fiedel überlassen, er wolle auch mal spielen.
„Nee,“ sagte der Geselle und fiedelte noch wilder. Aber der Teufel bat und quengelte ohne Unterlass.

„Jee,“ sagte der Geselle nun, „solche Fingernägel, wie du hast, da kannst du unmöglich die Geige spielen. Aber ich kann dir die Nägel ein bisschen reinigen. Schau, hier ist so ein Schraubstock. Leg man dort die Finger ruhig rein, ich habe hier so eine Feile, mit der ich deine Nägel reinigen und fein machen kann.“

Der Teufel besah sich den Schraubstock und legte misstrauisch seine Finger hinein. Der Geselle schraubte fest zu und fiedelte weiter. Da musste der Teufel wieder tanzen. Nun begann er zu flehen und meinte, er hätte keine Zeit mehr. Es war auch kurz vor dem Schlag der Uhr. Der Geselle schien nicht zu hören.
Zuletzt zog der Teufel heftig an den Fingern um frei zu kommen. Er versuchte es mehrmals. Endlich war er ganz verzweifelt und wild und riss sich die ganze Haut von den Fingern. Er heulte laut auf und wollte dem Gesellen nun ans Leben.

Der legte ruhig die Fiedel weg und sagte: „Du kannst mich mitnehmen, wenn du willst, aber nur, wenn du einen Stein höher werfen kannst als ich.“
Das glaubte der Teufel nun leicht zu können. Er griff sich einen Stein und warf ihn wirklich mächtig hoch. Fürchterlich lange dauerte es, bis er zurück zur Erde fiel. Der Geselle aber nahm unauffällig das Amseljunge aus der Bluse und warf es in den Himmel. Das kam natürlich gar nicht zurück.

Da war der Teufel tief beeindruckt und mit dem Glockenschlag um ein Uhr verschwand er und wurde in dieser Mühle nie mehr gesehen. Die Mühle war erlöst.

Autorin: Dorothea Wende

Spornitz: Der Steinkreis von Spornitz
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Mit der letzten Eiszeit wurden durch das Eis aus dem hohen Norden verschiedene Gesteine bis in die südliche Ostseeregion geschoben. Diese „Geschiebe“ zeugen von den Gesteinsvorkommen im heutigen Norwegen, Schweden und Dänemark. Sie sind rundgeschliffen auf ihrem langen Weg und zurückgeblieben, als das Eis taute und sich nach Norden zurückzog. Das geschah vor zwölftausend Jahren. Seit die ersten Jäger durch die Tundra südlich der Eiskante zogen, mag dieser oder jener Stein verwendet worden sein zu rituellen Bauwerken.

Als die Menschen in dieser Gegend dann die ersten Felder anlegten und in schwerer Arbeit mit dem Holzpflug gute Erträge von den sandigen Äckern holten, waren die Steine auf jeden Fall schon da und an bestimmten Stellen auf wundersame Weise angeordnet.

Die Menschen lebten noch in gemeinschaftlicher Ordnung. Die kleinen, heizbaren Holzhäuser wurden im Kreis um den Anger gebaut und der Ertrag der Ernte in gemeinschaftlichen Speichern untergebracht. Damals gab es noch nicht solche großen Bauernhäuser, in denen Speicher, Stall und Wohnraum für eine Familie zusammen untergebracht war. Die Tiere wurden auf dem Anger gepfercht, und in den Wäldern auf dem schweren Böden unter Eichen und Buchen geweidet.

In den Sommernächten, wenn nach der Tagesarbeit die Pferde und Zugrinder der Bauern zur Weide in den Wald getrieben wurden, mussten diese Tiere bewacht werden. Es gab noch Wolf und Bär, und manchmal auch einen räuberischen Menschen. Zur Wache waren die Dorfbewohner immer reihum beauftragt. Einmal auch eine übermütige Schar junger Leute. Die nächtlichen Wächter wurden gut mit Wurst und Brot versorgt, bewachten sie doch wertvolles Gut aller.

Der Steinkreis von Spornitz

Gegen Mitternacht legte sich einmal eine kleine Gruppe von sieben Jungbauern zur Mahlzeit nieder. Ruhig weideten die Ochsen und Pferde um sie herum. Die Jungen waren gesättigt und labten sich an dem reichlich mitgebrachten Kofent. Dieses schwache Bier stieg den jungen Leuten zu Kopfe und die Langeweile trieb sie zu leichtsinnigem Spiel. Sie formten aus den Resten der Mahlzeit ein Kegelspiel: Aus den Würsten die Kegel und die Kugel aus Brot. Dann rollten sie munter und ihr Johlen hallte durch den nächtlichen Wald. Da besann sich einer: „Pst, wir locken ja Räuber an!“ Die anderen lachten: „Wo sollen denn hier Räuber sein. Wir sind die Stärksten im Wald und unser Dorf das Einzige in dieser Gegend.“ Der Vorsichtige aber sah auf das Kegelspiel: „Wir sollten mit Essen nicht so umgehen. Denkt an den Winter, da fehlte es manchmal an Wurst und Brot.“ Die anderen lachten: „Aber heute haben wir genug, und im Winter kommt’s wie’s kommt.“

Der Mahner wollte nicht mittun und heimwärts schleichen.
Das wilde Spiel aber ging weiter. Einer hob die Kugel, drehte sich herum und wollte sie rückwärts durch die Beine rollen. Da ging ein Rauschen durch den Wald und ein Stöhnen, und ein eisiger Luftzug fuhr zwischen den Stämmen hindurch. Die Tiere hoben die Köpfe.

Ein kleiner Mann trat in die fröhliche Runde, hob mahnend die Arme und wiederholte die Worte des Jungen, der gehen wollte. Doch die anderen lachten nur und fuhren fort in ihrem frevelhaften Treiben.
Der Wind wurde heftiger, Sturm und Regen kamen auf und eisig wurde die Luft. Die Burschen erstarrten. Die Kugel fiel dem Werfer aus der Hand.
Schon fast auf dem Heimweg sah sich der siebente Knabe um und erstarrte auch.

Die Tiere drängten sich zusammen, warfen die Köpfe und brüllten. Sie zogen einen engen Wirbel und stampften ins Dorf zurück. Die Bauern erwachten und fingen die Tiere ein. Doch keiner wagte sich an diesem stürmischen Abend noch in den nächtlichen Wald.
Erst am Morgen zogen die Männer mit Waffen hinaus und die Frauen folgten ihnen bangen Herzens. Sie fanden ihre Jungen niemals mehr und keine Spur von ihnen oder von Brot und Wurst. An der Stelle aber, an der das nächtliche Lager aufgeschlagen war, standen sechs aufrechte Steine, ein siebenter, gebeugter, stand etwas abseits.
Und mit tränenvollen Augen meinte eine Mutter an einem der Steine die Sommersprossen ihres Sohnes in den Farben des Granits zu erkennen.

Ahnungsvoll mieden die Leute fortan die Stelle und auch das Vieh wollte dort nicht weiden. So blieben die Steine erhalten in der Gemeinsamkeit ihres Ringes für die Deutung in späteren Zeiten.

Einmal aber wollte ein Müller und Bauer Mut und Unerschrockenheit beweisen und holte sich einen der Steine für den Scheunenneubau. Doch es sollte keine Freude daran aufkommen. Heimlich wurde der Stein zu den anderen zurückgebracht: Aus dem Stein soll immer wieder Blut ausgetreten sein!

Später hat man immer wieder mal versucht, die Steine zum Bauen zu verwenden, aber wann immer ein Meißel angesetzt wurde, so stöhnte der Wind und sachte drang dünnes Blut aus der Schlagstelle.

So stehen sie noch heute und mahnen, sorgsam und achtsam umzugehen mit Hab und Gut: Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not.

Autorin: Dorothea Wende

Spornitz: Die Mordkuhle
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Der Teufelsbach war früher viel wasserreicher als heute. Deshalb konnte man dort auch mit dem Kahn fahren. Das hat der Raubritter immer getan. Er ist von seiner Burg aus mit dem Boot gerudert. Dort führte ein Weg entlang, an dem er den Kaufleuten auflauerte und sie überfiel. Die Kuhle erhielt nach den Missetaten des Räubers ihren Namen. Weil er nach seinen schrecklichen Morden auch wieder heimlich und im Dunkeln mit dem Kahn von dannen fuhr, konnten Verfolger nie seine Spur und somit sein Versteck finden.

Quelle: Dorfchronik Gemeinde Spornitz

Spornitz: Die Unterirdischen in Spornitz
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Einer jungen Bauernfrau in Spornitz wurde ihr Kind von einem Unterirdischen oder Mönk gestohlen und ein Wechselbalg dafür in die Wiege gelegt.
Die Mutter sah es mit an, konnte sich aber nicht rühren und auch nicht rufen.
Das Männchen teilte ihr mit, dass ihr Sohn einst König der Unterirdischen werden würde, sie müssten von Zeit zu Zeit ein Kind ihres Königs gegen ein Menschenkind austauschen, damit irdische Schönheit nicht ganz bei ihnen aussterbe.

Das Zwergenprinzlein aber solle sie gut pflegen, dann werde es ihrem Hause an Segen nicht fehlen. Damit legte der Mönk ihr den Wechselbalg an die Brust und Verschwand mit ihrem Kinde.
Sie pflegte das Kind und der Wohlstand ihres Hauses nahm dabei sichtlich zu, der Wechselbalg blieb aber klein und hässlich und starb in seinem zwanzigsten Jahre.

Autor: Karl Bartsch

Stolpe Barkow: Das Brautmoor
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In der Nähe von Barkow, nach Herzfeld hin, erstreckte sich ein Moor. Das nannten wir „dat Brutmohr“. Dort soll einmal eine Brautkutsche versunken sein. Die Brautleute kamen aus Barkow und wollten nach Herzfeld in die Kirche zur Trauung. Sie hatten sich aber verspätet und nahmen daher nicht den üblichen Weg, sondern einen kürzeren durch das Moor. Dabei sind sie vom Weg abgeraten und im Sumpf versunken.

Autor: Burghard Keuthe

Stolpe: Der Brautstein
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Unweit der Straße Kiekindemark – Stolpe, dicht an der Parchimer Landwehr, steckt tief in der Erde ein Findling. Zwölf schmale Kerben ziehen sich quer über seine Oberfläche. Es sind Spuren einer unvollendeten Spaltung. Das ist der Brautstein, eine der vielen Sehenswürdigkeiten im Gebiet des Sonnenbergs und der Lübower Berge. Der Stein war der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt. Erst nachdem vor etlichen Jahren bei Rostock ein ähnlicher Stein gefunden und darüber in den Heimatvereinen polemisiert wurde, erinnerte man sich auch dieses Steines bei Parchim.

Er trug verständlicherweise bis dahin keinen Namen und stand in keiner Beziehung zu einer Sage. Das heißt – um alle Irrtümer auszuschließen – sämtliche Brautsagen des Sonnenbergs beziehen sich auf den Breiten bzw. Großen oder Brautstein in der Nähe des Glasborns. Obwohl bei mancher Sage die Örtlichkeit des heutigen Brautsteins im Steinbecker Holz besser auf ihn als auf den Breiten Stein zutreffen würde. Allerdings steht heute neben dem Brautstein eine Tafel, auf der doch eine Sage angebracht ist. Die wenigsten Besucher dieser Sehenswürdigkeit werden wissen, welche Bewandtnis es damit auf sich hat.

Als die Parchimer die Natur- und Bodendenkmäler im Sonnenberg für die Naherholung erschlossen, stellte man an ihnen erklärende hölzerne Tafeln auf. Dabei stellte sich heraus, dass zum Brautstein keine Sage zu finden war. Was tun? Um auf diese touristische Attraktion nicht zu verzichten, schrieb der bekannte Parchimer Lehrer und Heimatforscher Walter Dahnke eine neue und zum Brautstein passende Sage. Es ist die, welche in Kurzfassung auf der Tafel steht. Wer die Hintergründe der Entstehung nicht kennt, wird die Sage für echt halten. Sie enthält aber absolut keinen historischen Hintergrund, sondern ist wirklich frei erfunden. Walter Dahnke meinte dazu: „Dees Geschicht hew ick mi sülben utdacht. Ick dacht, dat to den’n Brutstein ok ’ne Geschicht sin mößt.“

Und das ist die Geschichte:
In Spornitz war mal ein Jägerbursche, der erlernte dort sein Handwerk. Einst ging er durch den Wald, da traf er ein Mädchen aus Godems. Es pflückte dort Beeren. Der Jäger aber war jung und das Mädchen war schön. Da half er ihr beim Pflücken. Mittags war der Korb voll. Sie setzten sich auf einen Stein, der dort lag. Der Jäger aber hatte kein Brot mitgebracht. Das Mädchen teilte ihres und gab dem Jägerburschen die Hälfte ab. Denn das Mädchen war auch jung, der Jäger aber auch schön. Als sie sich beide ansahen, wurden sie rot. Sie hatten sich lieb. So haben sie manchen Tag zusammen Beeren gepflückt. Einmal aber fragte der Junge das Mädchen, ob sie seine Frau werden wolle. Da sage sie:
„Ja, wi sünd äwer noch jung und möten noch täuben.
(Ja, wir sind aber noch jung müssen noch warten.)“
Das sagte sie jedes Mal, wenn er fragte. Er war aber sehr ungeduldig. Da sagte sie eines Tages:
„Wenn du dissen Stein deilt hest, denn sall de Hochtied sin! (Wenn du diesen Stein geteilt hast, dann soll die Hochzeit sein!)“
Da kam er jeden Tag mit Hammer und Meißel und fing an, den Stein zu teilen. Aber mit einmal gab es einen großen Krieg. Der Jäger musste auch mit. Und da hat ihn nun eine Kugel getroffen. Als das Mädchen dies zu wissen bekam, wollte sie sich die Augen ausweinen. Jeden Tag kam sie und setzte sich auf den Stein, sah die schon eingehauenen Kerben an, seufzte und weinte. Darum heißt der Stein „Brautstein“ und die meisten Leute wissen gar nicht, warum.

Autor: Burghard Keuthe, Parchimer Sagen

Stolpe: Der Räuber vom Schlossberg bei Stolpe
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Auf dem Tobiasberg, an der Grenze zu Groß Godems, stand einmal ein Turm.
Deshalb nannte man den Berg auch Schlossberg. In diesem Turm hausten lange Zeit unbehelligt zwei Räuber. Aus dem Hinterhalt heraus überfielen sie die Kaufmannsleute auf der Grabowschen Landstraße und raubten sie aus.
Damit ihnen niemand auf die Schliche kam, wendeten sie eine List an. Sie nagelten ihren Pferden die Hufeisen verkehrt herum auf.
Wenn sie im Turm von ihrem schändlichen Handwerk ausruhten, sah es so aus, als wären sie ausgeritten. Und auch sonst zeigte ihre Spur immer in die verkehrte Richtung.
Doch dann gelang es den Parchimern, sie zu fangen. Sie wurden gnadenlos hingerichtet.
Der Turm verfiel und bald war nichts mehr zu sehen. Selbst der bezeichnende Name Schlossberg geriet in Vergessenheit.

Autor: Burghard Keuthe, Parchimer Sagen

Karrenzin: Der schiefe Glockenturm
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Die Sage vom Stresendorfer Glockenturm konnten frühere Generationen mecklenburgische Kinder in ihren Schulbüchern nachlesen. Wer kennt sie außer den Stresendorfern heute noch? Die beiden Glocken trugen die Jahreszahlen 1518 und 1544. Von ihnen überdauerte nur einer die Zeiten. Der gut erhaltene und seit langem Gedenken schiefe Glockenturm stellt eine besondere Sehenswürdigkeit dar.

Wenn sich nun auch noch nach der Jahrhundertwende die Spitze mit der Wetterfahne zur Seite neigt, so „sall dat Korl Klatten sein Ganter dan hewwen (soll das Karl Klatten Ganter getan haben)“, der dagegen geflogen war.
Hinter dem großen und tiefen Wald, der Stresendorf im Westen umgibt, liegt das kleine Menzendorf. Es gehörte zuletzt einem von Treuenfels. Das ist vor Zeiten ein großer und blühender Ort mit einer stattlichen Kirche gewesen. Nach dem Dreißigjährigem Kriege aber standen nur noch wenige Häuser, eben so viel, wie man heute sieht. Alles andere versank in Schutt und Asche. Über die verwüsteten Stätten wuchs Gras, auch da, wo die herrliche Kirche gestanden hatte.

Die Geschichte weiß von alledem nichts. Hier ist der Boden für die Sage, die in den Herzen der Menschen weiterlebt, die die Väter den Kindern und diese einst wieder ihren Nachkommen überliefern.
Die Glocken des Menzendorfer Gotteshauses waren nicht auf schwedische Art verwertet; wo sie geblieben, wusste niemand, die es wohl gewusst hatten, waren tot. Nach Jahr und Tag weideten Bewohner von Herzfeld und Stresendorf ihr Vieh an der Stätte, wo einst das verschwundene Dorf gelegen haben soll. Hirtenjungen, die Tünnel spielten, hörten von der Erde her, wo der Tünnel anstieß, ein feines Klingen. Sie liefen hinzu und fanden beim Scharren eine Glocke und bald nicht weit davon in der Erde eine zweite. Die Freude über den Fund war groß. Sie berichteten schleunigst darüber nach ihren Dörfern, wo natürlich die Größe der Glocken stark übertrieben wurde.

Herzfeld lag am nächsten und erfuhr zuerst davon. Ein Wagen wurde mit vier kräftigen Gäulen bespannt. In vollem Jagen erreichte man die Fundstätte und freute sich laut lärmend, dass man den Stresendorfern zuvorgekommen war. Aber in Herzfeld wohnten gottlose Leute, und der Knecht, der das Gespann lenkte, war einer davon. Er fluchte nach Gewohnheit auch bei dieser Gelegenheit. Als die Glocken aufgeladen waren, knallte er übermütig mit der Peitsche und suchte in Dreiteufelsnamen die Pferde zur Eile anzutreiben. Das hätte er bleiben lassen sollen. Die Gäule rissen und zerrten an den Strängen, dass ihnen der Schaum kam. Das Gefährt aber war nicht von der Stelle zu bringen, soviel auch der Kutscher wetterte. Die Glocken mussten wieder abgeladen werden. Natürlich konnte sich niemand diesen Vorgang erklären. Alle standen ratlos da. Inzwischen kamen die Stresendorfer an. Sie brachten einen leichten Bretterwagen mit, den zwei schwerfällige Ochsen zogen. Man ließ die Stresendorfer ruhig gewähren, als sie die Glocken aufluden. Man wusste ja schon, wie es ihnen gehen würde. Mit dem metallenen Fund war es nicht ganz geheuer. Die Stresendorfer waren jedoch fromme Leute, und auch der Fuhrknecht waltete seines Amtes als guter Christ. Bedächtig setzte er sich auf den Wagen und wünschte sich glückliche Fahrt in Gottes Namen. Welch Wunder! Ohne Anstrengung zogen die beiden Ochsen die teure Last heimwärts. Da machten die Herzfelder die Nase lang. Die Stresendorfer aber wussten sich vor Glück kaum zu fassen.

In aller Eile musste der Glockenturm gebaut werden. Er ist auch danach geworden. Aber was schadet das, es ist doch ein Turm und somit eine würde Stätte für Glocken, die nun mal in einen Turm gehören. Und als das erste Läuten über die Straße, den Teich, die zerfallenen Felsenmauern, in die alten Bauernhäuser und weiter über Feld und Wald klang, da lag tiefe Andacht rings umher auf allem.

So ist Stresendorf zu seinem Glockenturm gekommen. Auch wenn er in der Eile etwas schief geraten ist, ändert das nichts an der Sache.

Autor: Burghard Keuthe, Parchimer Sagen

Karrenzin: Der Riese Ramm
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Zwischen Poltnitz und Marnitz erstreckt sich ein tiefer und unzugänglicher Wald, genannt die Ramm. In dieser Gegend befand sich einst ein Dorf, von dem sich nur der Flurname erhielt. Der Ort wurde niemals in einer Urkunde erwähnt, lediglich vom Felde Ramm war 1651 die Rede. Doch wiesen Scherbenfunde in der Ramm daraufhin, dass hier tatsächlich ein Dorf bis etwa ins 15. Jahrhundert hinein gelegen hat. Die Sage lässt an jener Stelle den Riesen Ramm hausen und kennt dazu folgende Geschichte:

In alten Zeiten hauste der Riese Ramm im Wald unweit von Marnitz. Einmal hatte er sich viele große Felsbrocken zusammengetragen und dann nach allen Seiten gebrüllt: „Paßt upp, ick smiet juch alle Dörper entwei! ( Paßt auf, jetzt schmeiß ich euch alle Dörfer entzwei.)“. Dann sagten die Dörfer: „Dau dat nich, Ramm, bliew vernünftig, wi wulln di ok wat schenken. ( Tu das nicht, Ramm bleib vernünftig, wir wollen dir auch was schenken.)“ Die Ziegendorfer schenkten ihm eine Ziege, die Wulfsahler einen Wolf, die Drefahler brachten drei Fohlen, die Drenkower einen Eimer Kirschen, die Jarchower einen Sack Korn und die Griebowschen einen Korb voller Pilze. Aber die Marnitzer sollten ihm ein Mädchen zur Frau bringen, das sollte aber eine Jungfrau mit ganz reinem Herzen sein.

Da haben die Marnitzer viel herumgesucht, konnten aber keine finden. Zuletzt haben sie in Herzfeld ein Mädchen beschwatzt und bei ihm abgeliefert. Das war ein toll kratzbürstiges Ding. Ramm wollte ihr nun seine Kraft beweisen und sagte: „Kiek her, min Dirn, nu will ick de Marnitzer in Klump smieten. (Schau her, mein Mädchen, nun will ich die Marnitzer in Klump schmeißen.)“. Er nahm einen großen Stein und warf ihn. Aber er hatte allzu steil gezielt. Der große Felsen kam steil aus der Luft wieder zurück und drückte Ramm selber breit. Auch die Jungfrau kam mit unten zu liegen. Ihre Tränen kommen heute noch unter dem Stein heraus und rinnen in dem Bach entlang, von Ramm nach Poltnitz hin.

Die in der Sage angegebenen Ortschaften werden durch die Art ihrer Abgaben an den Riesen Ramm unterschieden. Es handelt sich hierbei um eine volkstümliche Deutung der Ortsnamen, wobei zum Teil eine richtige Übersetzung aus dem Slawischen erfolgt. Allerdings bezieht sich Drefahl nicht auf Fohlen, sondern bedeutet in seinem slawischen Ursprung: Ort, in dem Holzfäller wohnen. Griebow ist, richtig, der Ort, an dem Pilze wachsen. Drenkow leitet sich von einem Gehölz ab, allerdings nicht vom Kirschbaum. Jarchow bedeutet eigentlich Erbsenort. Der deutsche Ortsname Herzfeld hat mit dem reinen Herzen eines Mädchens nichts zu tun, sondern bezog sich auf einen Hirsch. Nur Marnitz und Ramm selbst finden in der Sage keine Erklärung.

Autor: Burghard Keuthe, Parchimer Sagen

Karrenzin: Der Waulk
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Hinter den Bauernhöfen Wulfsahls, am Weg nach Stresendorf, liegt eine Wiese, die den eigenartigen Namen Waulk führt. „Hier wohnt die Frau Waur“, ist die Erklärung der Dorfbewohner zu diesem seltenen, wenn nicht gar einzigartigen Flurnamen. Der Name wird als ein kehliges „Wauch“ ausgesprochen. Fast glaubt man darin das Fauchen der umherziehenden Meute zu erhören. In Wulfsahl war es Brauch, am Abend des Silvestertages mit den Kindern in die Gärten zu gehen, um zu hören, ob die Frau Waur schon unterwegs war. Das ganze Jahr über ist die Frau Waur nicht zu sehen und zu hören. Erst in den Zwölften wird sie für den Menschen sichtbar. Um Weihnachten kommt sie mit ihren sieben Hunden hervor und beginnt ihren Treck durch das Dorf. Dann ist ein Heulen und Kläffen, ein Stürmen und Brausen in der Luft, dass man sich allein nicht vor die Tür traut.
Gute Menschen haben aber nichts zu befürchten. Frau Waur wurde schon lange nicht mehr gesehen, so ist die Erinnerung an sie fast in Vergessenheit geraten.

Autor: Burghard Keuthe, Parchimer Sagen

Speicherstraße Spielplatz: Die abgehauene Hand von Grebbin
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Im Chor der Grebbiner Kirche sind drei kleine Wandnischen eingelassen. Eine von ihnen, die nördlichste in der Ostwand, ist mit einer kleinen Tür versehen. In dieser verschließbaren Nische lag noch Anfang des vergangenen Jahrhunderts eine abgehauene menschliche Hand. Sie stammte von einem Kinde, welches seine Mutter nicht geachtet und nach ihr geschlagen hatte. Dafür ließ Gott es sterben. Aus dem Grab des Kindes wuchs dann zur Abschreckung anderer vor solchen ruchlosen Taten die Hand. Endlich hatten die Grebbiner ein Einsehen und schlugen die Hand ab. Damit sie nicht mehr nachwachse, wurde sie in der Kirche aufbewahrt.

Autor: Burghard Keuthe, Sagen LK Parchim, Teil 1

Grebbin am Radweg: Das Erbbegräbnis von Wozinkel
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Auf dem Friedhof von Wozinkel stand ein altes Erbbegräbnis. Das ließ der Pächter von Wozinkel abreißen, weil er die Steine für einen anderen Bau verwenden wollte. Hinter Grebbin hatte er ein Stück Land erworben und da sollte nun ein neuer Wirtschaftshof entstehen. Die Einwohner warnten den Mann vor seinen Absichten, denn Tote soll man ruhen lassen und man
soll auch nichts vom Friedhof nehmen. Der Pächter schien jedoch ein furchtloser Mensch zu sein. Wie vorgesehen, trugen Bauleute das Erbbegräbnis ab und verbauten das Material im neuen Hof.

Es dauerte auch gar nicht lange, bis es in Grebbin bekannt wurde, dass es auf dem neuen Hofe spukte. Vor allem der Pächter durfte sich dort nicht blicken lassen. Das müssen sogar mehrere Geister gewesen sein, denn ständig hockte einer von ihnen dem Pächter auf dem Rücken. Das währte aber nur, solange er sich auf dem Hof befand.

Autor: Burghard Keuthe, Parchimer Sagen, Teil 1

Schönberg: Von der Schatztafel
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Im Ratzeburger Land ging es den Bauern in den Jahrhunderten etwas besser als im übrigen Mecklenburger Land. Sie konnten bescheidenen Wohlstand auf ihren Höfen sammeln und hatten mitunter auch Zeit zum Träumen.
So träumte einmal ein Bauer, in seinem Garten wäre ein Schatz vergraben. Als er erwachte, vergaß er den Traum. Bei der Tagesarbeit gab es keine Zeit zum Träumen. Doch in der Nacht, als in der frühen Morgenstunde der Schlaf leichter wurde und flacher, da drang das Lied des Sprossers aus dem nahen Gebüsch an sein Ohr und sein schlafender Geist wurde leicht und strich durch den Garten, unter den alten Obstbäumen hindurch und fand wieder diesen Schatz.

Die Schatztafel

Der Bauer fuhr auf und vom Rascheln des Strohs erwachte sein Weib: „Was hast Du, Mann!“ „Ach, Nichts.“ Er schlief wieder ein und hatte am Morgen seinen Traum vergessen. Ein Paar Nächte war der Schlaf dann zu tief, denn das Frühjahrespflügen kostete alle Kraft. Dann kamen Tage mit lang anhaltendem Regen, und die Sorge um die Frühjahresfurche ließ den Bauern auch in der Nacht nicht zur Ruhe kommen. Er wälzte sich hin und her und setzte sich auf. Seine Füße baumelten auf der scharfen Kante des Bettkastens. Sein noch halb schlafender Geist schlüpfte durch das Lüftungsloch unter der Traufe in den regennassen Obstgarten und – fand wieder einen Schatz.

Nun trieb es den Bauern aus dem Bett. Er trat vor die Tür – und der Regen hatte aufgehört. Die nassen Blätter glänzten im ersten Morgenlicht. Er ging in den Garten und grub an der Stelle, von der er geträumt hatte. Wie groß war sein Erstaunen, als er wirklich nach kurzer Zeit auf etwas Festes stieß. Vorsichtig entfernte er den letzten Boden mit den Händen. Er hob eine große Tafel aus der Erde, bedeckt mit eigentümlichen Zeichen. Der Bauer lachte, stieg aus der Grube und trug die Tafel ins Haus. Inzwischen waren auch die anderen Bewohner erwacht. Alle umstanden neugierig die Tafel.

„Na ja,“ sagt der Bauer,“dann lasst uns mal an die Arbeit gehen“.
Das Wetter besserte sich. Es kamen Tage mit warmen Sonnenschein. Die Frühjahresarbeit ging gut voran. Die Tafel blieb auf der Diele stehen. Nach ein paar Tagen nahm die Magd sie mit in die Sonne. Der Boden trocknete ab und die schönen fremden Zeichen kamen voll zu Geltung. Eines Abends nahm der Bauer die Tafel mit in die Stube und brachte sie zwischen den Fenstern an der Wand an. Dort schmückte sie die Stube viele Jahre.
Kein Traum störte mehr den Schlaf des Bauern. Er war fleißig und seine Familie gesund, das Vieh gedieh und die Äcker trugen gut. Kein Krieg überzog das Land und keine Seuche, die Handelswege waren sicher und der Absatz auf dem Markt der Stadt stabil. Auch Reisende kamen hin und wieder auf die Dörfer.

Eines Tages, als der Herbststurm das letzte Laub von den Bäumen fegte, schlugen die Hunde an und ein Student klopfte an das Dielentor. Ihm wurde Einlass gewährt. Er bat um ein Nachtlager und vielleicht eine warme Mahlzeit. Im Hause des Bauern ging es allen gut. Die Familie saß zum Abendessen in der Stube an dem langen Tisch und der Student sollte sich dazu setzen. Nachdem das Gebet gesprochen war, griffen alle zu ihren Löffeln, die an Schlaufen unter Tischplatte hingen. Dem Studenten hatte man einen Ersatzlöffel aus der Küche geholt. Die Milchsuppe wurde aus dem großen gemeinschaftlichen Topf gegessen und dazu Käse und Grobbrot geschnitten. Der Krug mit Leichtbier ging von Mund zu Mund. Als alle schweigend gegessen hatten, blieb der Bauer mit dem Studenten noch ein bisschen sitzen. Auch die anderen Familienmitglieder hörten gerne mal etwas Neues aus der weiten Welt. Die Frauen griffen das Stopfzeug, das Spinnrad oder Strickzeug und die Männer nahmen die Messer heraus und schnitzten Kienspäne, Löffel oder Harkenzinken. Die Bauersfrau ging in die Kammer an den Webstuhl. Die Tür blieb offen, auch sie wollte zuhören und außerdem sollte auch etwas Wärme aus der Stube in die Kammer ziehen. Jeder hatte sein Tun.

Der Student erzählte von der letzten Stadt und hiervon und davon und ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. Im schwachen Licht konnte er kaum die Gesichter erkennen. Da blieb sein Blick an der Tafel zwischen den Fenstern hängen. Er ergriff die Lampe und trat näher: „Das ist aber ein interessantes Stück.“ Der Bauer brummte nur und lächelte in seinen Bart, als er an diese merkwürdigen Träume dachte.

Am anderen Morgen trug der Student die Tafel vor das Haus und im hellen Licht konnte er die Schrift erkennen – und entziffern. Die Tafel beschrieb die Lage eines Schatzes genau unter ihr! Jahrelang hatte die Tafel ihre Nachricht unerkannt dem Bauern kundgetan, nur weil er sie nicht lesen konnte!
Aufgeregt suchte man im Garten nach der Stelle, an der der Bauer vor Jahren die Tafel ausgegraben hatte. Man fand sie auch, und darunter ein kleines Vermögen in Goldtalern. Der Bauer konnte auch nach den Abzügen durch die Obrigkeit noch einigen Gewinn daraus ziehen.
Bis zu seinem Tode musste er lächeln, wenn er in den Frühlingsnächten gegen Morgen das Lied des Sprossers hörte und seine Familie hielt ihn auch deshalb für einen glücklichen Mann.

Autorin: Dorothea Wende; Einblicke LK NWM Heft 7

Parchim: Die Schlüsselblumenfee
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Als es auf der Welt noch Feen gab, besaß die Schlüsselblume Zauberkraft. Wer sie im richtigen Augenblick pflückte, dem brachte sie Glück. Einst trieb ein Schäfer zu Frühlingsanfang seine Schafe auf die Weide. Als die Herde zu grasen begann, erblickte er nahe bei einem Felsen ein Büschel blühender Schlüsselblumen. Er pflückte die größte und schönste und steckte sie an seinen Hut.

Nach einer Weile wurde der Hut merkwürdig schwer. Der Schäfer setzte ihn ab und blieb wie angewurzelt stehen. Statt der Blüte trug er einen Schlüssel aus purem Gold hinter dem Hutrand. Als er den Schlüssel in die Hand nahm, erschien im selben Augenblick, wie vom Wind hergeweht, eine wunderschöne Fee. „Fürchte dich nicht“, sagte sie. „Der Schlüssel wird dir Glück bringen. Lege ihn hier auf den Felsen. Der Stein wird sich auftun, und du wirst alle Schätze der Erde erblicken. Nimm davon, soviel du willst, doch gib acht, dass du das Beste nicht vergisst.“

Der Schäfer wusste nicht, ob er träumte oder wachte. Er trat zu dem Felsen, legte den Schlüssel darauf, und eine unterirdische Grotte öffnete sich, strahlend und glitzernd von Gold, Silber und Edelsteinen, dass ihm die Augen übergingen. Schnell breitete er seinen Kittel aus und packte von den Reichtümern darauf, soviel er tragen konnte. Dann warf er sich das Bündel über die Schulter und verließ die Grotte.
Aber das Wichtigste, den goldenen Schlüssel, ließ er zurück. Seither erschließt die Schlüsselblume die Schätze der Erde nicht mehr. Und auch die Feen, die sich den Menschen zeigten, wurden nicht mehr gesehen.

Quelle: Mutabor Verlag, Pflanzenmärchen aus aller Welt

Parchim: Räuber von Vieting
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Es ist schon lange her, da lebte bei der Stadt Parchim im finsteren Wald eine Räuberbande. Ihr Hauptmann hieß Vieting. Die Bande versteckte sich auf dem Sonnenberg, wo sie ihre Höhle hatte. Niemand konnte sie dort finden.
Alle, die durch den Wald gingen, wurden überfallen und ausgeraubt. Dazu hatten die Räuber eine Schnur über den Weg gelegt und unter Moos versteckt. Am Ende der Schnur war ein Glöckchen befestigt. Ging oder fuhr jemand den Weg entlang, dann klingelte in der Räuberhöhle das Glöckchen. Die Bande lief dann mit Pistolen und Messern zum Weg und raubte Essen, Geld und Schmuck.

Die Menschen wussten sich nicht dagegen zu helfen. Eines Tages kam ein Mädchen namens Hanna des Weges. Die Räuber entführten es in ihre Höhle. Dort sollte das Kind für die Räuber kochen und ihre Sachen nähen. Doch als die Räuber nichts mehr zu essen hatten, schlug das Mädchen vor, für sie in der Stadt einkaufen zu gehen. „Bring mir ein paar Schweineschnitzel mit!“ forderte einer. „Vergiss nicht den Wein für mich!“ sagte ein anderer. Der Bösewicht Vieting rief: „Und dann noch Erbsen für eine tolle Suppe!“

Hanna musste versprechen, zurückzukommen, und keinem Menschen von dem Versteck zu erzählen. Das schwor das Mädchen, nahm einen Korb und ging in die Stadt. Fleisch, Wein und Erbsen waren bald besorgt. So ging Hanna wieder zurück – vorbei an der Wache am Stadttor.

Mit Menschen durfte das Mädchen nicht reden, das hatte es geschworen. So sprach es leise zum Schlagbaum am Tor: „Lieber Schlagbaum. Räuber Vieting hält mich gefangen. Befreie mich. Und folge den Erbsen!“ Wie von Hanna erhofft, hatte ein Soldat das gehört. Er rief gleich andere Stadtsoldaten hinzu und sie folgten heimlich den Erbsen, die Hanna fallengelassen hatte.

So fanden die Soldaten das Versteck der Räuber. Die ganze Bande wurde ins Gefängnis gesteckt. Hanna aber konnte zu ihren Eltern zurück. Alle waren froh, dass es keine Räuber mehr bei Parchim gab. Da gab es reichlich Geschenke als Dankeschön und Hanna konnte ein gutes Leben führen.
Auf dem Sonnenberg wurde in einer Vertiefung eine Räuberhütte nachgebaut. Wer mutig ist, kann sich dort hineinbegeben. Aber aufgepasst: Tretet nicht auf eine Schnur! Man weiß ja nie.

Autor: Dr. Hartmut Schmied

Parchim: Das Wunder von Peckatel
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Als der Eisriese von den Göttern erschlagen wurde, entstanden aus seinen Zähnen und Knochen die Gesteine und Felsen, aus seinem Blut die Seen und Flüsse, aus seinen Haaren die Bäume und Hecken und aus seinem Hirnschädel das Firmament. Aus seinem Fleisch aber wurde der fruchtbare braune Boden.
In seinem Fleisch hatten sich über die Zeit viele Maden eingefunden, mit denen die Götter nichts Rechtes anzufangen wussten. Schließlich gaben sie ihnen Menschengestalt, aber kleine Körper mit starken Armen und Beinen und einen großen Kopf. Sie wurden mit dem tüchtigen Bergbau und dem künstlerischen Schaffen wundervoller Schätze beauftragt. Deshalb gaben ihnen die Götter auch einen feinen Verstand. Sie lebten noch in ihrer unterirdischen Welt, als die Menschen bereits die Erde besiedelten.
Die Unterirdischen lebten in den Hügeln in der Nähe der menschlichen Siedlungen und halfen den Menschen bei ihrem schweren Leben. Sie näherten sich ihnen mit Freundlichkeit und Wohlwollen: Sie halfen bei der Arbeit, boten Hilfe an und gaben von ihren Haushaltsgeräten ab. Sie belohnten besondere Menschen auch mit kleinen Schätzen.

Das erregte den Neid und die Neugier der Menschen. Sie verfolgten die Unterirdischen, schätzten ihre Gaben gering und versuchten ihnen die Schätze zu rauben. Da zogen sich die Unterirdischen von den Menschen zurück. Sie spielten ihnen höchstens mal einen Schabernack, verhöhnten sie gar und ließen sie vergeblich in der Erde nach den Schätzen wühlen. Die Menschen erzählten und erzählen viele Geschichten davon. Und vielleicht sehnen sie sich heimlich auch zurück nach der Zeit der freundlichen Nachbarschaft.
Heute weiß nun keiner mehr so genau, ob es die Unterirdischen eigentlich noch gibt oder ob es sie wirklich gegeben hat. Dafür aber gibt es über und überall Menschen und Menschen.

Das Wunder von Peckatel

Nahe dem Dorf Peckatel bei Schwerin liegen drei Hügel in Kegelform in der Feldmark. In den Dörfern der Umgebung wurde erzählt, dass man in den Abendstunden manchmal beim zufälligen Vorüberkommen dort einen steinernen Tisch vorfinden konnte. Der Tisch war auf des Beste bestellt mit Speisen und Getränken und man konnte sich freihalten von Herzen; niemand kam mit einer Rechnung. Die Leute der Umgebung waren oft zu Gast an dieser Tafel und erzählten lustigste Geschichten über wilde Gelage und prächtige Feste, die sie dort verlebt hatten. Gastgeber sollen kleine Männchen aus der Tiefe des Berges gewesen sein, die „Unnerirdischen“. Im Morgengrauen verschwand der ganze Rummel ohne Spur, und wenn er wieder auftauchte, so war alles erneut auf das Feinste gerichtet und frisch bestellt.

Einmal nahm ein Knabe aus dem Dorfe eine der zierlichen Gabeln vom Tische mit. Da konnte die Tafel nicht verschwinden, und in der Morgensonne verdarben die Speisen und ein schrecklicher Gestank verbreitete sich. Schnell brachte der Knabe die Gabel zurück und der Tisch versank mit all seinen Speisen. In der Folge ist er aber niemals wieder erschienen. Die Bewohner der Dörfer hatten die Freundschaft der „Unnerirdischen“ verspielt.
Doch wenn die Frauen aus den Dörfern zum Muskochen oder zum Schlachten einen enorm großen Kessel benötigten, so konnten sie einen solchen am Fuße des Hügels finden und ihn nach dem Benutzen immer dort wieder ablegen. Der große Kupferkessel war dort immer bei Bedarf zu finden. Aber auch diese Gunst verspielte eine Menschenfrau, als sie ihn verschmutzt und unachtsam zurückgab. Der Kessel wurde nie mehr gesehen.

Und manchmal wird eine Geschichte als Sage erzählt und dreitausend Jahre später wissenschaftlich bestätigt.

Im Jahre 1843 gruben Archäologen einen der Hügel auf, die sie als Bronzezeitliche Grabhügel erkannt hatten. Und was wurde gefunden?
Unter einer riesigen Platte aus Stein ein Kultwagen aus Bronze, der aus einem riesigen Kessel und einem Untergestell mit Rädern besteht!
Den kann man heute im archäologischen Landesmuseum oder im Internet bewundern. Der Wagen soll dort vor über 3000 Jahren vergraben worden sein!

Über die Zeit der Völkerwanderung, der slawischen Besiedlung, der deutschen Kolonisation hinaus wurden die Geschichten über die „Unnerirdischen“ erzählt. Keine großen Geschichten, keine großen Sagen, aber schöne Märchen und kleine Geschichtchen. Unterhaltend oder gruselig, ganz wie der Abend, an dem sie erzählt werden sollen, und die Leute, die sie hören wollen.

Und immer, wenn man nicht genau weiß – dann fängt man eben an zu träumen.

Quelle: Dorothea Wende „So hätt‘ es können sein“ Eine Auswahl von Märchen und Sagen aus Nordwestmecklenburg, Einblicke zwischen Schaalsee und Salzhaff 7, Gadebusch, Landkreis Nordwestmecklenburg (2001)

Parchim: Der Breite Stein im Sonnenberg
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De Lüüd seggen: „Dat is `ne versteinerte Brutkutsch. Dat sünd Lüd ut Kiekindemark west. De sünd in Slat west bi’n Pastor. Dat hett woll wat langen duert, und denn wir’t noch an Fridag. Dor sünd se irst nach Middernacht dörch’t Holt führt. Se sünd von den Weg afkamen, und mit eins wir de Düwel dor und de hett se denn halt. De Kutsch ist o Stein wurden, de Pird und de Hun’n äwer ok. De Grot or Bred Stein, dat is de Kutsch, de beeden annern, dat sünd de Pird. De Hun’n sünd nich mihr dor. De hebben sei bi den Bu von dei Zägendörper Chaussee verbrukt.“

Die Leute sagen: Das ist eine versteinerte Brautkutsche. Das sind Leute aus Kiekindemark gewesen. Die waren in Slate beim Pastor. Das hat wohl zu lange gedauert und außerdem war es noch Freitag. Da sind sie erst um Mitternacht durch das Holz gefahren. Sie sind vom Wege abgekommen und mit einem Male war der Teufel da und hat sie sich geholt. Die Kutsche ist zu Stein geworden, die Pferde und die Hunde aber auch. Der Große oder Breite Stein, das ist die Kutsche, die beiden anderen sind die Pferde. Die Hunde sind nicht mehr da. Die haben sie beim Bau der Ziegendorfer Chaussee verbraucht.
Nach anderen Erzählungen soll die Kutsche zu Johanni, zwischen 12 und 1 Uhr, zu sehen sein. Sie fährt dann immer um den Stein herum, weil sie verwünscht ist. Sie kann nicht von der Stelle weg. Braut und Bräutigam sind dann genau zu sehen. Manche sagen aber, dass Kutsche und Paar nur von Sonntagskindern gesehen werden können. Punkt 1 Uhr verschwindet der Spuk.

Autor: Burghard Keuthe

Stolpe: Die Wunderbuche
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Ein Mädchen aus Parchim sollte einen Mann heiraten, den es nicht leiden konnte. Am Tag der Hochzeit floh es mit seinem Geliebten in den Sonnenberg.
Aber die Flucht wurde bald entdeckt und der erzürnte Vater machte den Versuch, das Mädchen zurückzuholen.

Dicht beim Vietingsberg hatten die Verfolger die beiden Flüchtigen fast eingeholt. Da liefen die in ihrer Angst mitten in den Wald, umfassten sich und wünschten, zu Bäumen zu werden, damit keiner sie sehen könne.
Ihr Wunsch ging sofort in Erfüllung, sie wurden zur Wunderbuche. Zwei Stämme wuchsen aus der Erde empor und einigten sich in etwa doppelter Manneshöhe zu einem einzigen schlanken Stamm.

Autor: Burghard Keuthe, Parchimer Sagen

Neustadt-Glewe: Der Dänenkönig und der Graf
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Im 13. Jahrhundert ergab es sich, dass unsere Burg zu Neustadt-Glewe zwischenzeitlich einen königlichen Gast beherbergte, wobei es sich hier wohl kaum um eine Aufwartung handelte, als vielmehr um eine Gefangenschaft. Doch wie kam es dazu und wer war dieser königliche, unfreiwillige Besucher?
Alles begann im Jahre 1194, als Heinrich I. Graf von Schwerin wurde. Zusammen mit seinem Bruder Gunzelin II. teilte er sich die Führung der Schweriner Grafschaft zunächst. Doch unter Brüdern kam es, genauso wie heute, auch schon in früheren Zeiten zu Streitereien, erst recht, wenn es um Macht und Einfluss ging. Dies nutzte der damalige dänische König Waldemar II. zu seinen Gunsten. Nachdem Heinrich zuallererst aus seinem Besitz vertrieben wurde, blieb ihm alsbald nichts anderes übrig, als dem dänischen König im Jahre 1214 seinen Lehenseid zu schwören. Denn nur so konnte er wieder zurück nach Schwerin ziehen.

Der Dänenkönig und der Graf 1

Der Dänenkönig Waldemar II. war ein sehr ehrgeiziger Herrscher, der sein Territorium stetig zu erweitern suchte. Dies tat er mit viel Kalkül, lukrativen ehelichen Verbindungen seiner Familienmitglieder und sonstigen geschickten Verhandlungen und Strategien. Daher nutzte er ohne Scham die Gelegenheit, als Graf Heinrich I. zu Schwerin auf Kreuzfahrten unterwegs war und somit keinen Einfluss nehmen konnte, sich immer mehr von der Grafschaft Schwerin einzuverleiben. Offiziell stand die Gräfin Audacia, Gemahlin von Heinrich I., unter seinem Schutz und Heinrich vertraute auch darauf, doch in Wirklichkeit nutzte Waldemar ihre fromme Zurückhaltung, um sein Königreich weiter nach Süden auszubauen. Es wird sogar behauptet, er hätte die Frömmigkeit von Gräfin Audacia auf die Probe gestellt und sie in ihrer Ehre befleckt. In diesem Punkt scheinen sich die Geschichtsschreiber nicht einig zu sein. Ob nun unsittliche Befleckung ihrer Tugend oder die gewaltsame, unrechtmäßige Inbesitznahme ihrer Habseligkeiten und Güter, der Gräfin Audacia wurde in jedem Fall Unrecht getan.

Als Heinrich I. zurückkehrte, musste er dies schmählich erfahren. Zornig über das, was während seiner Abwesenheit geschah, und weil seine diplomatischen Bemühungen nicht fruchteten, unternahm er einen tollkühnen Plan. Im Jahre 1223 entführte er König Waldemar II. und dessen Sohn, als die beiden auf einem Jagdausflug waren und selig schliefen, verschiffte sie an die deutsche Küste und nahm die beiden in Gefangenschaft. Da Schwerin zu diesem Zeitpunkt unter dänischer Hoheit stand, musste er seine unfreiwilligen, königlichen Gäste woanders unterbringen und verstecken. Dies soll er an mehreren Orten getan haben, unter anderem in Lenzen in der Mark Brandenburg oder der Festung Dannenberg. Aber auch die Burg zu Neustadt-Glewe soll einstweilig als Gefängnis für König Waldemar II. und seinen Sohn genutzt worden sein.

Neustadt-Glewe: Die Fischerkerle vom Kiez
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Bevor unser Neustadt-Glewe zur Stadt unter dem heutigen Namen wurde, gab es bereits das wendische Fischerdorf Kiez. Noch heute wird ein Teil der Stadt als Kiez bezeichnet. Darin lebten einst 14 Fischerkerle, nahe der Elde, denn dort fischten sie täglich und verdienten sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt in der Grafschaft. Sie fingen Forellen, Barsche, Zander und Karpfen und hatten so ihr Auskommen.

Nur einer der 14 Fischer war weniger erfolgreich in seinem Tun. Immer wieder waren seine Netzte leer oder die Fische zu klein, um sie gut verkaufen zu können. Die anderen Fischer machten sich über diesen einen oft lustig und höhnten, er solle sich besser eine andere Arbeit suchen. Doch Fischen war das Einzige, was dieser gelernt hatte und je tun wollte, denn er liebte das Wasser und die Natur. Er war gern an der Elde und beobachtete das kühle Nass, wie es gemächlich an ihm vorbeifloss. Daher gab er nie auf. Tag für Tag versuchte er sein Glück und wurde immer wieder enttäuscht.

Die Fischerkerle vom Kiez 1

Eines Tages rief der Landvogt aus, der Graf zu Schwerin wolle ein feines Gelage mit hohen Gästen ausstatten, und dafür sollte ein prächtiger Wels aufgetischt werden. Eine hohe Belohnung wurde versprochen für denjenigen Fischer, der ihm einen riesigen Wels fangen würde. Auch die Fischer vom Kiez hörten davon, doch keiner von ihnen traute sich, diese Herausforderung anzunehmen. Es war nicht so, dass sie nicht wussten, wie ein Wels zu fangen war. An ihren Kenntnissen und Fähigkeiten lag es demnach nicht, weshalb sie zurückschreckten und sogar freiwillig auf die großzügige Belohnung verzichteten.

Der Grund war ein anderer. Es war nämlich bekannt, dass der Eldegrapsch, der Herrscher der Elde, ein gefürchteter Wassergeist, in der Nähe des Kiezes seine Wohnstatt hatte. Solange die Fischer dem Eldegrapsch nicht in die Quere kamen und seine Ruhe störten, sich ehrfürchtig verhielten und ihm angemessen huldigten, gab es für die Fischer keinen Anlass, diesen mächtigen Wassergeist zu fürchten. Im Gegenteil, manchmal schien es sogar, als würde er ihnen behilflich sein.

Was also war das Problem? Nun, es war weithin bekannt, besonders unter den Fischern, dass das Lieblingstier des Eldegrapsches ein riesiger Wels war, der ihn stets begleitete und ihm nahestand. Daher hätte es niemand jemals gewagt, in der Elde einen Wels zu fangen.
Der Landvogt bemerkte die Zurückhaltung der Fischer, doch da er selbst um seinen Stand bangte, wenn er den Grafen nicht zufriedenstellte, bestand er weiterhin darauf, dass ihm einer der Fischer einen prächtigen Wels fangen sollte. Er erhöhte sogar die Belohnung. Die Fischer jedoch weigerten sich nach wie vor, denn den Eldegrapsch fürchteten sie mehr als den Landvogt.

Neustadt-Glewe: Die Besiedelung des Weißen Sees
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Wenn Du um den See zu Neustadt-Glewe wanderst, nahe des Ufers auf dem schmalen Pfad, der sich durch den Wald schlängelt, dann hörst Du es rauschen, rascheln, knistern, zwitschern und knacken. Du musst nur sehr leise sein und lauschen. Doch das, was Du vernimmst, sind nicht etwa nur Fauna und Flora, die sich regen, nein, es sind auch allerlei Wald- und Wassergeister, die dort beheimatet sind. Sie tanzen und singen, frohlocken und streiten, sie springen und schwimmen, sie juchzen und necken und erfreuen sich an ihrem schönen Zuhause. Wer jedoch die Geschichte um die Entstehung des Weißen Sees, wie der Neustädter See auch genannt wurde, weiß, der mag sich zu Recht fragen, wie denn all diese mystischen Wesen dorthin gelangten, vor allem die Wassergeister.

Die Besiedelung des Weißen Sees

Nun, ob in Flüssen, wie der Elde, oder in Seen, überall wohnen Wassermänner und ihr Gefolge, so auch im Schweriner See. Dort hatte der einstige Oberwassermann sein Reich und es galt für ihn aufgrund seines fortgeschrittenen Alters seine Nachfolge zu regeln. Da es in Schwerin sieben Seen gibt, war es eine große Herausforderung, dieses große Reich zu verwalten und das Leben aller Wassergeister, Elfen und Nymphen und was sich sonst noch regt, zu regeln. Darum entschied der alte Oberwassermann, sein Reich auf seine Söhne aufzuteilen. Allerdings gab es folgendes Problem: Er hatte acht Söhne, doch gab es nur sieben Seen, die zu verteilen waren.
Seine Söhne ahnten bald, was in ihrem Vater vor sich ging. Sie fingen an zu streiten und um seine Gunst zu buhlen. Jeder wollte den größten See für sich beanspruchen, ja am liebsten sogar alle auf einmal, so wie sie alle sieben vom Vater regiert wurden. Der Älteste der Brüder forderte sein Geburtsrecht ein, denn er sei in der Rangfolge der Erste. Ein anderer sprach davon, dass der Stärkste die Nachfolge übernehmen sollte, wieder ein anderer meinte, es sollte der Klügste sein und so ging es in einem fort. Sie stritten immer mehr und kämpften sogar gegeneinander.

Da wurde der alte Oberwassermann zornig und sprach ein Machtwort. Er forderte seine Söhne auf, sich zu besinnen, ansonsten würde er sie alle enterben und sein Reich dem Eldegrapsch, seinem Bruder, übergeben. Da wurde es still und den Söhnen wurde gewahr, dass sie besser mit einem einzigen See zufrieden sein mussten, als gar nicht regieren zu können. Auf Wunsch des Vaters schlossen die Brüder Frieden und schworen, sich nie wieder zu bekriegen, auf dass in den sieben Seen zu Schwerin ewig Frieden herrsche. Dennoch blieb ein wenig Argwohn unter den Brüdern, denn auch sie konnten zählen und wussten, dass einer übrig blieb. Vor allem dem Jüngsten ward zunehmend gewahr, dass er es wohl sein würde, der das Nachsehen habe.

Neustadt-Glewe: Die fromme Nonne
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Dort, wo sich jetzt der Neustädter See befindet, ragte einst ein Kloster empor und drumherum lag der kleine Ort Glewe. Die Bürger, Mönche und Nonnen lebten in Frömmigkeit, bewahrten Tugend und Moral und waren selig. Die Glocken hoch oben im Glockenturm läuteten weithin schallend, als würden sie ob der braven Leute von Glewe frohlocken. So verwundert es nicht, dass das Kloster und der kleine Ort Glewe auch andernorts bekannt wurde und viele Menschen in Scharen dorthin pilgerten, um ihre Seelen von der Sünde zu reinigen und sich ihrem Glauben hinzugeben. Daher wuchsen der Wohlstand und die Pracht des Klosters immer mehr und es kam, wie es kommen musste. Denn das Herz des Menschen ist trügerisch und schwach. Mit dem steigenden Reichtum wurden die Bürger von Glewe, die Mönche und Nonnen nicht nur gierig, sie versündigten sich auch zunehmend, indem sie ausschweifende Saufgelage feierten, kokettierten und kopulierten und alle Keuschheit und Moral vergaßen.

Die fromme Nonne

Unter ihnen ward eine junge Nonne, die mit großer Sorge beobachtete, wie der einst so fromme und selige Ort verkommt zu einem Pfuhl aus Sünde und Begierde. Sie betete und sang andächtige Lieder und bat unaufhaltsam um Vergebung für die Sünden der Bürger zu Glewe, der Mönche und Nonnen. Sie selbst aber blieb rein und tugendhaft, tat ihr Tagwerk, arbeitete brav im Klostergarten, pflegte die Kranken und vollbrachte viel Gutes. Bei jedem Schlag der Glocken betete sie für das Seelenheil der anderen und sang ihre frommen Lieder aus vollem Herzen. Doch die Bürger, Mönche und Nonnen hörten nicht auf, sich zu versündigen und frönten den weltlichen Verlockungen.

Eines Tages wurde der jungen Nonne ein verletzter Jüngling gebracht, den sie gesund pflegen sollte. Oh, wie schön ward dieser Jüngling anzusehen: hochgewachsen, von stattlicher Gestalt und mit einem so ebenmäßigen Gesicht, dass es eine helle Freude war, ihn zu betrachten. Die junge Nonne kümmerte sich hingebungsvoll um den Jüngling und tat, was sie konnte, um seine Wunden zu heilen. Und noch immer betete sie bei jedem Glockenschlag für das Seelenheil der Bürger zu Glewe, der Mönche und Nonnen. Doch mit der Zeit veränderte sich etwas in ihr. In ihren Gedanken kreiste nur noch dieser Jüngling und sie spürte eine sonderbare Wärme in ihrem Herzen. Schon bald kam der gutaussehende Jüngling wieder zu Kräften und auch er war sehr angetan von der jungen Nonne, denn ihre weite Kutte konnte ihre Schönheit nicht gänzlich verbergen. Die beiden verbrachten immer mehr Zeit miteinander, flanierten im Klostergarten, flüsterten und kicherten. Und, während der Jüngling sich mehr und mehr zu nähern suchte, blieb die junge Nonne standhaft, auch wenn es ihr schwerfiel. Drum betete sie noch häufiger, nicht nur um der anderen willen, sondern auch für sich selbst und gegen ihre eigene Begierde. Es wart ihr sogar, als würden die Glocken längst nicht mehr frohlocken, sondern mahnend ihren Leib erschüttern.

Doch es half alles nichts. Der Jüngling umwarb sie beharrlich, nahm schließlich ihre Hand, zog ihren Leib zu sich heran, küsste sie auf die Stirn, dann auf ihre sich errötende Wange und schließlich auf ihre zarten, zitternden Lippen und die Nonne ließ es zu. Sie sank in seine Arme und vergaß ihre Frömmigkeit. Sie spürte nur noch ein tiefes Verlangen nach ihm, dem schönen, hochgewachsenen Jüngling. Noch trunken vor Glück in diesem einen flüchtigen Augenblick, da geschah es plötzlich, das Unheilvolle. Gottes Zorn kam über das Kloster und den kleinen Ort Glewe, denn nun hatte sich auch die letzte redliche Person, die junge Nonne, versündigt. Der Himmel verdunkelte sich, es donnerte und blitzte, der Boden riss auf und das Kloster und alle Gebäude darum begannen herabzusinken. Das Wasser prasselte von oben hernieder und stieg von unten durch die Risse im Erdboden empor. Die Nonne erschrak über das, was sie getan hatte, entfloh den Armen des Jünglings und rannte ins Kloster zum Altar. Sie warf sich nieder, betete, flehte und weinte und schrie nach Vergebung. Doch es war zu spät. Die sich aufbäumenden Fluten verschlangen das Kloster und den kleinen Ort Glewe und die Glocken ertönten ein allerletztes Mal, bis auch sie in den Tiefen versanken.

Als sich der Sturm legte, der Erdboden wieder zur Ruhe kam, wurde es ganz still. Dort, wo einst Kloster und Glewe standen, befand sich nun ein See. Und so ist es bis heute. Nichts lässt mehr erahnen, wie es vorher einmal war. Es wird gesagt, dass Du am Johannistag, wenn Du Dein Ohr nahe dem Ufer auf den Boden legst, noch immer die Glocken des Klosters läuten hören kannst. Und unsere junge Nonne? Manch einer behauptet, er hätte sie gesehen, klagend und weinend. Doch halte Dein Mitgefühl zurück und gib acht, denn immer dann, wenn sie gesehen wurde, forderte der See ein Opfer, das darin bitterlich ertrank.

Neustadt-Glewe: Der Nachtwächter von Neustadt-Glewe
Textversion

Vor langer, langer Zeit, da lebte in Neustadt-Glewe ein Nachtwächter. Obgleich die Tätigkeit eines Nachtwächters bekanntermaßen zu den unehrlichen Berufen zählte, war dieser eine durchaus beliebt in der Stadt. Denn er tat, wie ihm geheißen, und er erledigte seine Pflichten gewissenhaft. Mit seiner Hellebarde, seiner Laterne und seinem Horn zog er des Nachtens durch die Straßen und sorgte für Ordnung und Sicherheit. Er warnte die Leute vor Gefahren und versicherte sich stets, ob alle Tore gut verschlossen waren. Bisweilen nahm er eine Hexe gefangen oder beschützte das Burgfräulein, wenn es zu später Stunde noch seiner Wege ging. Selbst am Tage war er sich nicht zu schade, Fremde durch die Straßen zu führen und ihnen die prachtvolle Stadt zu zeigen. So ward er für Neustadt-Glewe eine wichtige Stütze und wurde gern gesehen. Jedoch führte er ein bescheidenes Leben, wie es bei Nachtwächtern so üblich war.

Der Nachtwächter von Neustadt-Glewe

Weil die Bürger von Neustadt-Glewe so stolz auf ihre Stadt waren und dies gern allen kundtun wollten, entsandten sie ihren treuen Nachtwächter zunehmend an entlegene Orte. Dort erzählte er den Leuten von der Schönheit seiner Heimatstadt und von deren feierlichen Spektakeln, die Jahr für Jahr dort stattfanden. Damit lockte er weitere Besucher in die Stadt und die Bürger waren zufrieden. Drum sollte er zusätzlich aus der Stadtkasse für seine Mühen entlohnt werden. Wenngleich der Nachtwächter also im Allgemeinen zu den unehrlichen Berufen zählte, vertrauten die Bürger von Neustadt-Glewe ihrem speziellen Nachtwächter immer mehr und übertrugen ihm darüber hinaus noch mehr Verantwortung. So wuchsen sein Einfluss und sein Ansehen und der Nachtwächter tat, was ihm aufgetragen wurde.

Doch mit der Zeit wurde der Nachtwächter gierig. Besudelt von seinem zunehmenden Einfluss auf das Stadtgeschehen befand er immer häufiger, dass seine Entlohnung für seine Arbeit zu gering ausfiel. So beschloss er eines Tages, die Bürger von Neustadt-Glewe zu betrügen und bereicherte sich heimlich aus der Stadtkasse. Mit viel List und Tücke gelang ihm das auch eine ganze Zeit lang, ohne dass irgendjemand etwas bemerkte. Bald jedoch übertrieb es der Nachtwächter und sein Schwindel flog auf. Schlussendlich wurde seine Gier dann doch zu groß. Die Bürger von Neustadt-Glewe waren entsetzt und enttäuscht von ihrem doch ach so geschätzten Nachtwächter. Zwar hielten sie seine betrügerischen Taten unter Verschluss und sprachen nicht weiter darüber, dennoch sahen sie sich schließlich gezwungen, den Nachtwächter zu entlassen. Dermaßen in Ungnade gefallen sollte der Nachtwächter seine Dienste sofort niederlegen, doch dieser ließ sich davon wenig beeindrucken. Noch immer schlich er durch die Straßen der Stadt oder geleitete die hohen Herrschaften ungefragt zu feierlichen Anlässen mit seiner Hellebarde, seiner Laterne und seinem Horn.

Aufgrund seiner dreisten Unbelehrbarkeit blieb er schließlich nach wie vor Nachtwächter in Neustadt-Glewe. Aufgrund dessen, dass niemand offiziell über seine Vergehen sprach, gerieten diese alsbald in Vergessenheit. Auch fand sich kein Ersatz für ihn. So blieb der Nachtwächter, wie er war und was er war, verlor zwar an Ansehen und Einfluss, verrichtete aber weiterhin seinen Dienst nach eigenem Ermessen und war bis zuletzt selig darüber, dass die Bürger von Neustadt-Glewe so vergesslich und nachsichtig waren.

Neustadt-Glewe: Das Einsame Burgfräulein
Textversion

Vor langer, langer Zeit, da lebte in Neustadt-Glewe ein Nachtwächter. Obgleich dieIn längst vergangener Zeit lebte ein Burgfräulein in Neustadt-Glewe, das nicht besonders hübsch war, aber ein gutes Herz besaß. Da es sehr schüchtern war, verbrachte es die meiste Zeit allein, zog sich hinter den dicken Mauern zurück und gab sich den schönen Künsten hin. Das Burgfräulein besaß vielerlei Talente, konnte zeichnen, singen und tanzen, schrieb so manches Gedicht oder kleine Geschichten. Doch tat es dies meist nur für sich, selten bekam jemand etwas davon zu sehen oder zu hören. Obgleich sich das Burgfräulein an die Einsamkeit gewöhnte, ward ihm doch bisweilen das Herz schwer, denn es sehnte sich nach der großen Liebe. Immer dann, wenn rund um die Burg ein ausschweifendes Gelage gefeiert wurde, die Leute sangen und tanzten, ihre Ware feilboten und gemeinsam tranken und speisten, spürte das Burgfräulein ganz besonders sein Herzeleid. Es beobachtete die glücklichen Paare, die auf dem Festplatz flanierten, sich herzten und küssten. Wehmütig bestieg das Burgfräulein dann den höchsten Turm der Burg, setzte sich an eines der großen Fenster und starrte verträumt ins Leere. Von tiefer Sehnsucht geplagt, stellte sich das Burgfräulein droben oft vor, wie ein Ritter in strahlender Rüstung zu ihm den Turm hinaufstiege und Gefallen an ihm fände. Doch es kam nie ein solcher Ritter, auch kein anderer Mann, der dem Burgfräulein zugetan wäre.

Das einsame Burgfräulein

So verging Jahr um Jahr, das Burgfräulein wurde immer älter und blieb unvermählt. Und immer wieder bestieg es allein den hohen Turm und blickte durch das Fenster, hinaus in die Welt und das bunte Treiben vor der Burg. Doch schließlich, an einem Frühlingstage, kam ein gar lustiger Spielmann des Weges. Er vernahm die liebreizende Stimme des Burgfräuleins und ward sehr angetan von dem herrlichen Gesang. Drum beschloss er, um das Burgfräulein zu werben, wohl wissend, dass er nur ein Spielmann war und nicht von Adel. Daher verkleidete er sich kurzerhand, gewandete sich in feinem Tuch und nannte sich „Herzog zu Riga“. Auf diese Weise vorgaukelnd, dass er aus hohem Hause war, warb er um die Gunst des Burgfräuleins, denn in seinen Augen war es allerliebst und ganz und gar hinreißend. Der Spielmann selbst war von stattlicher Gestalt, also wohlgenährt, und ward allein dadurch sehr überzeugend in seiner Rolle als Herzog. Auch war er gebildet und redegewandt und wusste, das Gesinde zu führen und dessen Arbeiten zu überwachen.

Zwar bemerkte das Burgfräulein sein Interesse an ihm und fühlte sich geschmeichelt, doch aus Furcht vor Enttäuschung und Schmerz wies es den sogenannten Herzog zunächst zurück. Der aber ließ sich nicht beirren und buhlte weiter um die Zuneigung des Burgfräuleins. So vergingen einige Tage und Wochen, doch der Spielmann gab nicht auf. Er kniete sogar vor ihr nieder und sang ihr voller Hingabe ein Minnelied. Ob es nun seine Hartnäckigkeit war oder seine romantischen Gesten und Worte, lässt sich schwer sagen; wie dem auch sei, mit der Zeit konnte er das Herz des Burgfräuleins erweichen und so willigte es schließlich hoch oben in seinem geliebten Turm, in dem es so oft davon träumte, ein, ihn zu ehelichen.

Erst später erfuhr das Burgfräulein, aus dem her nun eine Burgfrau wurde, dass der Herzog eigentlich nur ein Spielmann war, doch das störte die Burgfrau nicht. Ganz im Gegenteil, sie war inzwischen voller Liebe zu ihm und war selig. Die beiden sangen fortan gemeinsam und dichteten neue Lieder. Die Burg zu Neustadt-Glewe wurde ihr Zuhause und, wenn Du selbst einmal den hohen Turm besteigst und ganz still bist, dann hörst du noch heute den wundervollen Gesang des einstigen Burgfräuleins von den Mauern widerhallen.

Neustadt-Glewe: Spuk im Schloss
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Vor gar nicht allzu langer Zeit, nämlich im 18. Jahrhundert, lebte Herzog Christian Ludwig II im Schloss zu Neustadt-Glewe, nachdem bekanntermaßen seine vormalige Residenz in Grabow einem Stadtbrand zum Opfer fiel. Mit ihm war seine Gemahlin Gustave Caroline dort ansässig. Ihrer Ehe entsprangen fünf Kinder, wobei eine der drei Töchter bereits kurz nach der Geburt wieder verstarb, so dass sie nur vier Kinder großziehen konnten.
Wie dem auch sei. Um im Schloss zu Neustadt-Glewe wohnhaft werden zu können, ließ der Herzog es erst einmal zu Ende bauen. Denn obgleich der Bau bereits 1618 begonnen wurde, ward es lange Zeit nicht fertiggestellt worden. Erst unser Herzog Christian Ludwig II sorgte dafür, dass der Bau im Jahre 1711 fortgesetzt wurde. Bis alles fertig war, von außen wie von innen, brauchte es weitere Jahre. Dafür wurde das Schloss am Ende sehr prachtvoll und war gerade im Inneren äußerst opulent ausgestattet. Das herzogliche Paar bezog das Schloss schließlich anno 1725 und lebte für etwa zehn Jahre dort. Denn als der Herzog in der Erbfolge aufstieg, zog er standesgemäß nach Schwerin. Die Herzogin Gustave Caroline jedoch verstarb ein Jahr zuvor, erlebte demnach weder den Aufstieg ihres Gemahls noch den Umzug in die Schweriner Residenz.

Spuk im Schloss

Nach einiger Zeit wurde in Neustadt-Glewe zunehmend gemunkelt, dass es im Schloss spuke. Daher lag die Vermutung nahe, dass vielleicht die Herzogin einsam als Weiße Frau durch das Innere des Schlosses wandelte und noch immer über die Kostbarkeiten, die Ölgemälde, herrlichen Gobelins und prachtvollen Skulpturen wachte. Manch einer behauptete, er habe sie zur mitternächtlichen Stunde gesehen und auch, wie sich vor ihr die Türen ganz von allein, ja wie durch Zauberhand öffneten. Vor allem bei feierlichen Anlässen geschah es häufig, dass die Weiße Frau auf ihre unheimliche Art erschien, so als wäre sie nach wie vor die Gastgeberin und Herrin des Schlosses. Das sorgte für allerlei Gerüchte und unterschwelliges Bangen in Neustadt-Glewe, denn niemand konnte mit Gewissheit sagen, ob die Weiße Frau es gut meinte oder doch Böses im Schilde führte.

Die Jahre zogen ins Land, die Weiße Frau trieb immer wieder ihr Unwesen um Mitternacht und verschreckte die Leute, da bekam das Schloss mit der Zeit Risse, weil es einst auf Pfählen errichtet wurde und an mancher Stelle einzusacken drohte. So ergab es sich, dass all die wertvollen Ölgemälde, 180 an der Zahl, die herrlichen Gobelins und prachtvollen Skulpturen nach Schwerin geschafft wurden. Überdies wurde das Schloss zum Ende des 19. Jahrhunderts noch einmal umgebaut. Und siehe da, seither ward die weiße Frau nicht mehr im Schloss gesehen und der Spuk hatte ein Ende.

Was also war geschehen? Ist die Weiße Frau verschwunden, weil all die Kostbarkeiten, über die sie wachte, nun ebenfalls verschwunden waren? Ist sie vielleicht mit den Schätzen des Neustädter Schlosses nach Schwerin gezogen? Oder fand sie endlich ihre Ruhe und ward erlöst? Oder aber irrt sie vielleicht noch immer in der Lewitz umher? Wir wissen es nicht. Tatsache ist, von der einstigen Pracht sind nur noch die aufwändigen Stuckarbeiten an den Decken geblieben. Das mag uns einfache Leute in Erstaunen bringen, aber einer Herzogin, ob nun lebendig oder tot, mag das allein wohl nicht genügen.

Warin: Der Schimmelreiter
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Am Zwingenberg in Warin erscheint in der Johannisnacht ein Schimmelreiter. Er reitet aber nur ein kurzes Stück vom Zwingenberg über das Fischland zum Fischeracker und an der Wallenstein-Eiche verschwindet er wieder. Hier auf dem Hügel am Glammsee, der von der Bahn durchschnitten wird, soll es in alten Zeiten die Boerenburg gegeben haben, Die große Eiche aber, sagt man, soll der Rest eines alten Waldes sein, in dem der Fischer und der Landreiter Schweine zur Mast hüten durften. Der Schimmelreiter soll ein übereifriger Beamter aus der Stiftsverwaltung gewesen sein und auch jetzt noch durch das Stiftsland reiten.

Autor: Hans-Peter Gossel

Warin: Der unterirdische Gang
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Es wird erzählt, dass es von der Bischofsburg in Warin, die bis in das letzte
Jahrhundert am Ufer des Glammsees stand, einen Fluchtgang zum Kloster Tempzin gab. Dieser Gang sollte über die Kuhweide (Waldheim) und den Werderhof nach Tempzin führen. Er war so geheim, dass er erst beim Abbruch der Burg entdeckt wurde.

Anno 1839 wurde das neue Amtsgebäude fertig. Der Gang soll innen noch offen gewesen sein. ln den Kellerräumen war das Rasseln von Ketten und das Stöhnen von Gefangenen zu hören. Erst als der Gang zugemauert war, verschwanden auch die Geräusche.

Geht man heute noch den Landweg nach Tempzin, so kann man an drei
stellen sehen, wo die Arbeiter den Erdaushub gelassen hatten. ln Waldheim gibt es neun Erdbauten. An der Weide, auf halbem Weg zwischen der Prinzessinsbrücke und der Schwarzen Brücke, ist rechts im Wald ein großer Erdhügel und am Werderhof (am Tempziner See) gibt es noch mehrere Erdwälle.

Der unterirdische Gang wurde auf der Tempziner Seite von Draaks (Drachen) bewacht. Sie hatten glühende Augen und konnten Feuer spucken.

1945 haben die Russen die Wände in den Kellerräumen abgeklopft. Sie waren auf der Suche nach Schätzen. Dabei haben sie festgestellt, dass es eine stelle gab, die hohl klang. Schnell war die Wand eingeschlagen, und zwei von ihnen mussten auf Erkundung gehen. Sie sind nie wieder gesehen worden.

Autor: Hans-Peter Gossel

Warin: Der Fuhrmann und die sieben Jungfrauen
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Vor langer Zeit war ein Fuhrmann spät abends von Tempzin nach Warin
unterwegs. Hinter dem Tempziner See, vor dem Wariner Wald, dort, wo
jetzt das Bahngleis verläuft, hielt er seinen Wagen an, um seine Notdurft zu
verrichten. Er kam zu seinem Fuhrwerk aber nicht mehr zurück.

Nach geraumer Zeit gingen die Pferde auf ein unsichtbares Zeichen hin alleine los und blieben in Warin erst vor dem Hause ihres Herrn stehen. Der Fuhrmann wurde von seiner Familie schon lange erwartet. Alle waren nun sehr erschrocken, als sie das Fuhrwerk ohne Kutscher sahen. Zwei Knechte wurden losgeschickt, um nach dem Fuhrmann zu suchen. Sie gingen den ganzen Weg bis nach Tempzin ab, doch der Fuhrmann war nicht zu finden. Am Tempziner See angelangt, rief der erste Knecht laut nach seinem Herren, während der andere Knecht die Umgebung mit einer Laterne ableuchtete. Da war auch der rufende Knecht spurlos verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Der Zweite ließ die Laterne fallen und lief ängstlich nach Warin zurück.

Anderen Tags, nach Sonnenaufgang, kamen die Vermissten doch wieder zu Hause an. Sie erzählten, was mit ihnen in der Nacht geschehen war. Sieben Jungfrauen hatten vor dem Fuhrmann gestanden, getanzt und so herrlich musiziert, dass er ihnen betört gefolgt war. Die Jungfrauen aber tanzten direkt in den See hinein. Der Fuhrmann war so verzaubert, dass er den schönen Jungfrauen ins Wasser folgte. Dem Knecht erging es ebenso. Erst als der Morgen graute, wurden er und sein Herr wieder freigegeben.

Diese wundersame Geschichte allerdings wollte den beiden Männern niemand glauben.

Autor: Hans-Peter Gossel

Warin: Schustergeselle Junge und das Huhn
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Vor langer Zeit kam der Wariner Schustergeselle Junge eines späten Abends aus Laase nachhause. Auf seinen Schultern trug er einen großen Sack voller Schuhe, die er in seiner Werkstatt ausbessern wollte. An der ersten Brücke lief ihm ein Huhn über den Weg. Der Schuster sagte sich im stillen, dass das ein gutes Sonntagsessen wäre und fing das Huhn. lm Schuhsack war noch Platz. Als er den Sack jedoch wieder aufgeschultert hatte, rief eine Stimme sehr laut „Tick, tick, Häuning, wo büst du?“.

Da fing mit einem Mal das Huhn im Schuhsack zu gackern an und rief: “ln Schauster Junge sien’n Sack bün ick“. Schuster Junge war sehr erschrocken, ließ den Sack fallen und gab dem Huhn die Freiheit wieder. ln großer Eile machte er sich auf den Weg nach Hause. Nie wieder hernach ist Schustergeselle Junge am späten Abend den Weg von Laase nach Warin gegangen.

Autor: Hans-Peter Gossel

Warin: Die Prinzessin im Glammsee
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Auf der dem Orte Warin gegenüberliegenden Seite des Glammsees
lag vor langer, langer Zeit die Glammburg. Sie war ganz von Wasser
umgeben. Auf ihr lebte der Seekönig. Und in der Burg auf dem Buchen- oder
Klockenberg lebte ein Raubritter. Dieser hatte sich durch viele Raubzüge
großen Besitz angeeignet. Gold, Silber, Seide und Brokat hatte er in seinen Schatzkammern im Übermaß verwahrt. Alles war während seiner Raubzüge gestohlen und geraubt. Eines Tages wurde dieses Treiben den Rittern und Herren der Umgebung über und sie vereinigten sich, um das Raubritternest auf dem Buchenberg auszuheben und den Bösewicht zu vertreiben.

Dieser war jedoch auf der Hut und überfiel seine Gegner in der Nacht vor
der Schlacht. Neun Ritter wurden in diesen dunklen Stunden getötet. Unter ihnen war auch der Seekönig von der Glammburg. Nachdem die Sonne aufgegangen war, kamen die überlebenden Ritter und Schildknappen zusammen und begruben ihre Toten. Über den Gräbern errichteten sie zur Erinnerung neun Hügel; den größten für den Seekönig. Die Tochter des Seekönigs aber liebte ihren Vater so sehr, dass sie am Grab des Vaters einen ganzen Tag hindurch weinte. Wo die Tränen auf den Boden fielen, wuchsen blaue Blumen aus ihnen.

Die Prinzessin ließ sich von keinem Menschen trösten, und als es Abend
wurde, stürzte sie sich verzweifelt in den Glammsee. Seit dieser Zeit erhebt sich in der Johannisnacht mit dem Glockenschlag um zwölf Uhr nachts eine kupferne Brücke aus dem Glammsee. Auf dieser Brücke steht die Prinzessin und bittet um Erlösung. Nur ein Sonntagskind mit einem Kupferpfennig in der Tasche kann den Bann brechen. Mit dem Kupferpfennig soll die Prinzessin von ihrem Schicksal freigekauft werden. Und die blauen Blumen – sie blühen heute noch auf dem Grab des Seekönigs.

Autor: Hans-Peter Gossel

Warin: Die Prinzessinschlucht
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An der Chaussee von Warin nach Blankenberg stößt der Wanderer nach gut ein Drittel Wegs zur rechten Hand auf den malerischen Rübensee. Ihm gegenüber, in den Blankenberger Tannen, liegt versteckt im Buchenberg der Wall einer alten Burg. Dort soll seit vielen hundert Jahren eine verwunschene Prinzessin schlafen. Drum heißt der Hügel auch Prinzessinsberg.

Der letzte Besitzer des nun von Zeit und Wind verwehten Schlosses hatte, als er starb, eine einzige Tochter. In diese Prinzessin verliebte sich ein Zauberer. Das Mädchen war jedoch in einen anderen verliebt und schlug des Zauberers Werben aus. ln boshaftem Zorn zerstörte er das Schloss und verbannte die Prinzessin für immer schlafend tief unter den Burgwall. Nur einmal im Jahr darf das Mädchen sein unterirdisches Verlies verlassen; gerade in der Walpurgisnacht.

Dann wirkt der Bann nicht, weil der böse Zauberer mit allen Hexen zum Blocksberg fliegt, um dem Teufel zu huldigen und mit ihm zu feiern. Doch nur, wenn die Prinzessin mit ihren goldenen Eimern Wasser im Rübensee schöpft und zum Burgwall trägt, kann sie wirklich erlöst werden, durch ein Sonntagskind, einen Jungen, der an einem Sonntag geboren wurde. Er darf auch nicht mit dem schönen Mädchen sprechen, und um den Zauber zu brechen, muss der Jüngling die Prinzessin bis zu ihrem Verlies begleiten. Der Zauberer hat jedoch so viele Drachen, Lindwürmer und andere Ungeheuer am Wegesrand zur Prinzessinschlucht aufgereiht, dass der Erste, der es versuchte, nur ein kleines Stück des Weges schaffen konnte. Die Prinzessin ging vor Verzweiflung weinend in ihr Verlies zurück und wartet bis heute in jeder Walpurgisnacht auf ihre Erlösung.

Auf dem Berg gab es früher übrigens so viele Steine, dass mit ihrem Schutt die Chaussee nach Blankenberg gebaut werden konnte. Die Steine sollen alle von der alten, untergegangenen Burg stammen.

Autor: Hans-Peter Gossel

Insel Poel: Der boshafte Riese auf Poel
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Einstmals lebte auf der Insel Poel ein besonders boshafter Riese. Als er eines Tages bemerkte, wie sich auf der anderen Seite des Wassers ein neuer Kirchturm erhob, wurde er so böse, dass er ihn gleich zertrümmern wollte. Die Riesen sahen es nämlich nicht gern, wenn etwas größer war als sie. Der Riese suchte sich einen stattlichen Findling, nahm einen langen Anlauf von Timmendorf zum Strand hinunter und schleuderte den Stein in hohem Bogen über die Bucht. Der Stein flog aber nicht weit genug und klatschte am Redewischer Ufer ins Wasser, wo er noch heute liegt. An jener Stelle aber, wo der Riese am Ufer nochmals kräftig aufgetreten ist, und die sich dann gleich mit Wasser füllte, liegt heute der Timmendorfer Hafen.

Der boshafte Riese

Quelle: Sagen von der Insel Poel, Herausgeber: Förderverein des Heimatmuseums Insel Poel

Insel Poel: Der Moort
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Das Albdrücken heißt bei uns „Moort-Riden“. Der Sage nach wird es hervorgerufen durch ein unheimliches Wesen, den Moort, der sich rittlings auf einen schlafenden Menschen setzt und ihn fürchterlich drückt und piesackt. Der Moort kommt ins Zimmer, indem er sich ganz lang und dünn macht und durch das Schlüsselloch schlüpft. Verklebt man das Schlüsselloch, solange der Moort im Zimmer ist, oder fasst man ihn mit einem Erbhandschuh an, so muss er sich in seiner wahren Gestalt zeigen. Man sieht dann, dass er ein hübsches Mädchen ist.

Einmal heiratete ein Poeler Knecht ein solches Mädchen, das sich bei ihm als Moort eingeschlichen hatte und drei Kinder von ihm zur Welt brachte. Die Frau konnte aber keine Ruhe finden, eine heimliche Sehnsucht ließ sie nicht los. Eines Tages bat sie ihren Mann, ihr doch mal das Schlüsselloch zu zeigen, durch das sie gekommen sei. Der Mann machte das Loch frei und im selben Augenblick war die Frau verschwunden. Er sah sie nie wieder. Aber jeden Sonnabend kam sie, wusch und kämmte die Kinder und zog ihnen reine Hemden an. Sobald aber ihr Mann sie belauschen wollte, verschwand sie sofort wieder.

Häufig hat man festgestellt, dass ein Moort über die Ostsee kam, so bei Timmendorf, am Strand beim Schwarzen Busch oder bei Rerik. Der Moort hat bei solchen Fahrten seine menschliche Gestalt. Als Fahrzeug benutzt er eine Molle (Backtrog), als Ruder dient ihm eine Flachsschwinge und als Segel der Rand eines großen Kornsiebes. Diese drei Teile galten hier früher als uralte Zaubergeräte.
Am Schwarzen Busch fanden Kinder einmal beim Spielen solche Sachen. Auch in Timmendorf sahen Hütejungen die drei Zauberteile und versteckten sie im Kornfeld. Bald darauf hörten sie ein jämmerliches Klagen und Schluchzen. Flehend rief eine Stimme immerfort:

„Meine Schwinge, meine Molle, mein Siebrand!
Meine Mutter ruft in England:
Lieschen steh auf und melk die Kühe!“

Als Lohn versprach der Moort ihnen sechs Bolten (Ballen) Leinen, wenn ihm seine Sachen zurückgegeben werden. Sein Versprechen löste er auch stets ein.

Wie der Schwarze Busch zu seinem Namen kam

Früher war die ganze Insel Poel mit Wald bewachsen. Der größte Teil des Waldes gehörte einem reichen Mann, nur ein kleines Stück gehörte einem armen Mann.
Nun kam der liebe Gott einmal auf die Erde, um zu prüfen, wer von den Inselbewohnern in den Himmel sollte und wer in die Hölle musste. Er ging zunächst zu dem Reichen und bat um Nahrung und Nachtlager. Der aber schickte ihn mit groben Worten sofort davon. Da ging er zu dem armen Mann. Der gab ihm ein Nachtlager und teilte sein bisschen Brot mit ihm.
Am nächsten Morgen war der liebe Gott natürlich wieder verschwunden. Aber zwei Tage später schlug der Blitz in den Wald des reichen Mannes. Der ganze Wald brannte ab, nur das kleine Stück des armen Mannes blieb stehen. Die Bäume ringsherum waren alle verkohlt und deshalb nannte man das Waldstück den „Schwarzen Busch“.

Quelle: Sagen von der Insel Poel, Herausgeber: Förderverein des Heimatmuseums Insel Poel

Insel Poel: Störtebeker in Gollwitz
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Das Wasser zwischen dem Gollwitzer Strand und der Vogelschutzinsel Langenwerder war einst für Schiffe befahrbar und wurde als Nothafen für Fischer und Seefahrer genutzt. Aber auch als Zufluchtsort für Seeräuber diente dieser Hafen. Zur Zeit der Vitalienbrüder (der Freibeuter) mit ihrem Anführer Klaus Störtebeker entwickelte sich Gollwitz dann zu einem Seeräubernest. 2000 wilde Gesellen sollen vor Gollwitz gelegen und bis zu 30 Handelsschiffe gekapert und versenkt haben. Der Seehandel auf der Ostsee litt sehr unter den Freibeutern, und der Hansebund sandte schließlich „Friedeschiffe“ nach Gollwitz aus, um den Räubern an den Kragen zu gehen. Das taten sie dann auch, und viele gefangene Likedeler (Gleichteiler) teilten dann das selbe Schicksal; sie mussten an der Rahe hängen.

Eine Poeler Sage berichtet vom „Kuhlenlock“ am Langenwerder. An dieser Stelle soll Klaus Störtebeker Schiffbruch erlitten haben und das Wrack wird wohl noch heute dort liegen. Denn immer wieder beklagen Fischer ihre zerrissenen Netze, wenn sie dem „Kuhlenlock“ zu nahe kommen.

Quelle: Sagen von der Insel Poel, Herausgeber: Förderverein des Heimatmuseums Insel Poel

Insel Poel: Der Galgenberg bei Fährdorf
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In alten Zeiten gab es im Winter oft klirrende Kälte, Schneeverwehungen und Sturmfluten. So kam es, dass die Holzpfähle der Fährdorfer Brücke bei starkem Frost hochfroren und bei Tauwetter von den Frühjahrsstürmen weggespült wurden. Viele Wochen erreichte man das Festland nur mit dem Boot.
Ein Mann aus Fährdorf hat sich dann immer angeboten, Leute über das Wasser zu setzen, wenn wieder einmal die Brücke zerstört war. Doch wer seine Hilfe in Anspruch nahm, wurde danach nie wieder gesehen. Einmal war sogar eine schwangere Frau danach spurlos verschwunden. Bis der Mann eines Tages drei Mädchen mit einem Mal übersetzte.

Nachdem er das erste Mädchen getötet hatte, fingen die anderen beiden ganz laut an zu schreien und zu beten. Das Beten konnte der Mann aber nicht ertragen. Er schlug mit dem Ruder immer wieder auf die Finger der betenden Mädchen, bis er sie weich geschlagen hatte und die Kräfte ihn verließen. Da packten ihn die Mädchen trotz ihrer fürchterlich zugerichteten Finger, hielten ihn fest und schrien aus Leibeskräften. Leute aus Fährdorf hatten die Schreie gehört und eilten zur Hilfe.

Der Mann, als Mörder auf frischer Tat ertappt, gestand nun all seine Missetaten und wurde zum Tode durch das Rädern verurteilt. Dies geschah auf dem Galgenberg bei Fährdorf direkt an der Straße. Sie fingen zuerst bei den Füßen an. Da hat er so sehr geschrien, dass sie oben anfingen. So ist er von einer Seite zur anderen Seite des Berges gerädert worden.

Man erzählt, dass er sich selbst nach seinem Tod weiter gerädert hat. Deshalb ist der Berg immer kleiner geworden.

Quelle: Sagen von der Insel Poel, Herausgeber: Förderverein des Heimatmuseums Insel Poel

Grevesmühlen: Die Krähen
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Grevesmühlener werden seit jeher Krähen genannt, und die Stadt Kreinsdörp, und dafür gibt es einen sagenhaften Hintergrund. Zu einer Zeit, als die Stadttore noch neu waren (ab dem 13./ 14. Jh.) verlor man von den überladenen Erntewagen so viel Heu und Getreide, dass man sich Gedanken über Verbesserungen machte. Ein fremder erzählte einem Grevesmühlener, dass in seiner Heimat »Weesbäume« (niederdeutsch für Wiesenbäume) auf die vollen Heufuder und Kornwagen gebunden werden.

Bei der nächsten Ernte stellte der einheimische »Erfinder« dieses als, seine Neuerung vor. Nur legte er den Weesbaum quer statt längs zur Fahrtrichtung des Fuhrwerks. Als die begeisterten Bürger vor das Stadttor kamen, passte der meterlange Baum nicht hindurch. Es wurde stundenlang beratschlagt. Die Stadtrepräsentanten wollten sogar das neue Tor auf den Markt verlegen. Da flog eine Krähe vorbei und rief: »Scharp, scharp, scharp vöhr!« Scharf vor!« – Das scharfe Ende nach vorn.) Der Bürgermeister, der in Sachen Klugheit der Krähe in nichts nachstand, erkannte: »Nehmt das scharfe Ende, die Spitze nach vorn!«. Das Fuhrwerk kam nun in die Stadt, und die Bürger wurden seitdem Krähen genannt.

Die nach ihrem Ruf bezeichneten Krähen können sprechen lernen und sind wetterkundige Tiere. Ihr Schrei kündigt Regen und Sturm an, sodass die Bürger in dieser Sage auch den Hinweis auf ein schnelleres Tempo bei ihrer Aktion bekamen.

Plausibler als die Sage ist ein klärender Blick auf die Münzen der Stadt um 1550. Neben Stierkopf und halbem Mühlenrad befindet sich rechts oben ein krähenartiger Vogel. Er wird als redendes Münzzeichen des städtischen Münzmeisters (ca. 1540-50) Joachim Dalemann (wie Dohlemann) gedeutet. Die Dohle als kleinster, geselliger Krähenvogel mit strenger Rangordnung und einem führenden Männchen kann ebenso »sprechen« wie andere Krähenvögel. Die Münzen selbst wurden mundartlich wohl Dohlen oder Krähen genannt und dann übertrug man den Begriff auf die Einwohner der Stadt von Kreinsdörp.

Autor: Dr. Hartmut Schmied

Hohen Viecheln: Das Ungeheuer vom Schweriner See
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Vor vielen Jahren saß einmal ein Fischer in seinem Kahn auf dem Schweriner See – und zwar auf dem Nordende desselben, dem sogenannten Viechelnschen See. Er war allein und legte Hand über Hand sein Netz aus. Da gewahrte er, als er sich einmal umsah, ein großes, behaartes, affenähnliches Ungeheuer vorn in seinem Boot, das dort saß und ihm bei der Arbeit zuschaute. Der Fischer erschrak nicht wenig, denn er hatte nicht bemerkt, wie und woher das merkwürdige Wesen in seinen Kahn gelangt war; doch er gab sich Mühe und ließ sich den Schreck nicht anmerken, sondern arbeitete weiter über Bord -ohne aber den Mut zu haben, sich noch einmal umzublicken. So verging die Zeit.

Das Ungetüm saß indessen vorn auf der Bank, es rührte sich nicht weiter, sondern bewegte, wenn es dem Manne zuschaute, allein seine hässlichen Augenlider. Langsam wurde dem Fischer die Zeit aber lang, er wusste nicht, wie er noch seine Arbeit fortsetzen sollte; doch wagte er immer noch nicht, mehr als nur dann und wann einmal einen verstohlenen Blick auf das Ungeheuer zu werfen. So wurde es Abend, die Sonne ging unter, und dann stieg hinter den Ufererlen rund und golden der Vollmond auf. Da fasste der Fischer sich endlich ein Herz und er schlug mit seinem Ruderriemen auf das zottige Wesen ein. Mit einem gräßlichen Aufschrei stürzte sich das Ungetüm über Bord. Doch dabei ergriff es mit seinem langen Arm das Wams des Fischers beim Kragen und zog den armen Mann mit sich ins Wasser. Einmal und noch einmal kämpfte der Fischer sich an die Oberfläche zurück und versuchte zu schreien. Doch das fürchterliche Wesen hielt seine behaarten Arme um die Brust des Mannes geklammert und fuhr mit ihm zuletzt so gewaltig in die Tiefe, daß es einen heftigen Strudel aufwirbelte, welcher beinahe noch den Kahn zum Kentern gebracht hätte.

Am nächsten Morgen entdeckten Leute aus dem Dorf das leere Boot draußen auf dem See. Von dem Fischer aber hat man nie wieder etwas gesehen. Denn trotz allen Suchens mit Stangen und Netzen fand man nirgendwo im See seine Leiche. Allein ein Büschel häßlicher brauner Haare im gespaltenen Riemenblatt machte den Männern deutlich, daß hier etwas Ungeheuerliches geschehen war. Daraufhin gaben sie das Suchen auf.

Später, noch in heutiger Zeit, wenn junge Leute in klaren Vollmondnächten mit dem Faltboot am Schilf entlang fahren, hören sie manchmal draußen auf See plötzlich ein Plätschern wie von einem Kampf und einen unterdrückten Aufschrei. Der wäre so fürchterlich, sagen welche, daß sie sich vor lauter Angst und Entsetzen ganz still verhalten würden. Und manche legten sich ins Zeug und nahmen Reißaus. Die Fischer von Hohen Viecheln aber fahren nie mehr allein auf den See hinaus …

Quelle: Kurt Biesalski aus Der Kirschbaum auf der Düne

Bad Kleinen: Haio der Wassergeist
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Einst soll ein triefendes unheimliches Wesen aus dem Wasser in das Boot eines Fischers gestiegen sein. Aus Überlieferungen ist bekannt, dass sich im See vor Bad Kleinen mehrmals ein sagenhaftes Ungeheuer zeigte, als riesige Seeschlange. So manches Mal zaubert der Wind eine seltsame lange Welle oder ist es der Wassergeist?

Ein Viehhüter sah einst, wie das Wasser des Sees zurück ging und ein großes Schloss auftauchte und wieder versank. Ein Riese entstieg einst dem See. Er erschlug den Liebsten eines Mädchens und dessen Tränen sind als Quelle unvergänglich.

Mit der Bekehrung der Heiden ist der Name „Döpe“ verbunden. Der Glaube an die Wassertaufe ist im Volke nicht verschwunden. Einen einzelnen Baum direkt am Seeufer grüßt jede Schiffsbesatzung mit „Guten Tag, Herr Oberförster“, aus Furcht und Respekt. Niemand will sich dem Zorn des Wassergeistes aussetzen. Die Wasserheilanstalt stand von vorn herein unter einem ungünstigen Stern? Schon bei der Eröffnung der Anstalt fehlte es nicht an einzelnen Stimmen, welche dem Hause Not und Unheil weissagten. Hat das mit dem gewaltigen See zu tun? Vielleicht gab es eine Seele des Sees, die immer wieder fragte. Wozu eine Wasserheilanstalt? Ihr habt doch mich?
Es gab für alle unheimlich erscheinenden Ereignisse immer irgendwelche Erklärungen. Aber war nicht doch der Geist des Sees mit im Spiel?
Geben wir der Geschichte eine moderne Version!

Der Wassergeist „Haio“ ist den Menschen zugetan. Er freut sich über die badenden Kinder, den Ausflugsdampfer oder die friedlichen Angler. Nicht immer so freundlich, sondern unwirsch, zerstörerisch kann er allerdings werden, wenn Boote rasen, das Ufer beschädigt wird oder der Wind sich austobt und Leichtsinn und Abenteuerlust die Grenzen der Vernunft sprengen und die Menschen mit ihren Booten meinen, stärker zu sein.
Respektieren wir den Wassergeist „Haio“, ein alter Name, der mit dem Wasser in Verbindung steht. Begegnen wir ihm ehrfurchtsvoll und nicht angstvoll und grüßen wir ihn, wenn er sich zeigt. Der See ist für uns da. Er möchte, dass wir ihn nutzen, Er möchte das alle daran teilhaben und nicht nur wenige.

Autor: Jochen Brinker

Bad Kleinen: Der Eiertunnel von Bad Kleinen
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Heute mag man es dem Ort am Eisenbahnknotenpunkt westlich des Schweriner Sees nicht mehr ansehen, aber zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts war der Ort Kleinen ein anerkanntes Kurbad am Ufer des Schweriner Sees und erhielt gerechter Weise den Zusatz „Bad“.
Fast zeitgleich wurde die Eisenbahnlinie errichtet. Das war dazumal kein Widerspruch, galt die Eisenbahn doch als fortschrittlich und die Anreise zum Kuren mit der Bahn als vornehm und chic.
Nun aber trennte die Bahnanlage den Ort mit seinen Pensionen vom eigentlichen See, und Umsteiger stehen auf den offenen Bahnsteigen frierend im kühlen Seewind.
Der ursprüngliche Kurpark ist durch den Bahndamm vom Seeufer getrennt. Dazu wurde dann aber gleich eine Personenunterführung gebaut.
Es entstand ein röhrenförmiger Tunnel, eine technische Kuriosität, im Volksmund schnell der „Eiertunnel“ genannt.

Der Eiertunnel

Durch ihn also konnten die vornehmen Kurgäste nach Massagen und Bewegungstherapien das reizvolle Seeufer erreichen. Sie konnten unter den alten Buchen wandeln und vom hohen Ufer aus nach dem Lindwurm im Schweriner See Ausschau halten. Von dem erzählen alte Sagen und Geschichten. Und manch wildes Wellenspiel, wenn es stürmisch war, und besonders auch dann, wenn der See sonst ruhig war, konnte schon den Eindruck des glänzenden Rückens eines Ungeheuers hervorrufen. Und über den See lief manchmal scheinbar grundlos eine heftige Welle.

Sicher auch Aufgeladen mit diesen Geschichten durchquerte einst ein junges Fräulein den Eiertunnel gerade zu dem Zeitpunkt, als oben auf dem Bahndamm ein Zug mit dem Pfeifen und Gefauch der üblichen Dampflock in den Bahnhof einfuhr. Unheimlich dröhnte die Erschütterung in dem immerhin 27 Meter langen und mit nur etwas mehr als 2 Metern Höhe und ein und ein viertel Metern Breite doch recht engen Tunnel, verstärkt durch das Echo. Das wird den „Echomännchen“ zugeschrieben, die in den Ritzen und Spalten des fast 40 cm dicken Mauerwerks hausen.

Die junge Frau geriet in Panik und klammerte sich hysterisch an einen jungen Mann, dem sie zufällig im Tunnel begegnete. Aus dieser Begegnung ist nun der Kunde nach eine glückliche Beziehung entstanden und brachte dem Tunnel der Ruf ein, ein „Ehestifter“ zu sein.
Unbekannt ist bisher geblieben, wie viele Junggesellen es im Tunnel versucht haben und fahrplanmäßig zur Zeit der Zugüberfahrten tapfer im Tunnel bereitstehen. Fledermäuse jedenfalls bevorzugen den Tunnel auch ohne seine beziehungsstiftende Wirkung zu kennen. Oder kennen sie sie vielleicht doch?

Der Name des rührigen Arztes, der mit Unterstützung des Großherzogs die Wasserheilanstalten in Kleinen errichtete, dem Ort den Namenszusatz „Bad“ erkämpfte und für die Errichtung der Personenunterführung sorgte, ist längst vergessen, aber der Tunnel unter den Bahnanlagen ist noch heute zu besichtigen.

Autor: Dorothea Wende

Bad Kleinen: Die Schätze
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Die Alten erzählen davon über Großmutter zum Enkel und so fort. Oder die Leute aus den Ämtern kommen, weil sie in den alten Karten was davon gelesen haben: Goldberg, Hengstberg, Luschbach, oder so was Unerklärliches oder Geheimnisvolles. Es sind die Schätze der Unterirdischen oder von den Königen, die vor uns hier gelebt haben, oder auch von Räubern und Soldaten.
Wenn man von einem Schatz weiß, so muss man schweigend graben. Und wenn es noch so viel Mühe macht. Sonst versinken die Schätze immer tiefer.
Mein Großvater hat erzählt, einmal war er als Junge dabei.

Die Männer hatten in der Nacht ein Leuchten gesehen an einem Sandberg, von dem schon lange erzählt wurde, dass dort ein Schatz vergraben sei. Und dann haben sie die Stelle gekennzeichnet und sind später mit Werkzeug wieder gekommen und haben gegraben und gegraben. Sie hatten viel Mühe damit und waren schon fast verzweifelt. Da ist einer ganz unten in der Grube mit dem Spaten auf einen Stein gestoßen und hat ganz gräulich geflucht. Alle waren erschrocken. Meist versinke der Schatz dann mit einem Donnerschlag. Aber es ist gar nichts passiert und so haben sie weiter gegraben. Das war vielleicht ein riesiger Stein! Alle Männer gemeinsam haben ihn ausgegraben und zur Seite gerollt. Und darunter waren Tontöpfe. Aber das Gold in ihnen hatte sich in Asche verwandelt. Da waren sie sehr enttäuscht.

Sie haben die Töpfe zerschlagen und alles wieder zugeschüttet.“
Seht ihr. Die auf alten Karten oder in alten Büchern lesen können, finden vielleicht doch eher einen Schatz. Lesen können bringt was, sonst geht’s einem vielleicht noch, wie dem Bauern in der Geschichte …

Autorin: Dorothea Wende

Dambeck: Von den Sieben Steinen bei Dambeck
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In eisgrauer Vorzeit, als die Menschen in dieser Gegend erste Felder anlegten und in schwerer Arbeit mit dem Holzpflug gut Erträge von den sandigen Äckern holten, lebten sie noch einträchtig beisammen. Sie bauten kleine, heizbare Holzhäuser im Kreis um den Anger und der Ertrag der Ernte brachten sie in gemeinschaftlichen Speichern unter.
Die Tiere wurden auf dem Anger gepfercht und in den Wäldern unter Eichen und Buchen geweidet. In den Sommernächten, wenn nach der Tagesarbeit die Pferde und Zugrinder der Bauern zur Weide in den Wald getrieben wurden, mussten die Tiere bewacht werden.

Einmal war eine Schar übermütiger junger Leute damit beauftragt. Die nächtlichen Wächter wurden gut mit Wurst und Brot versorgt, bewachten sie doch wertvolles Gut aller. Gegen Mitternacht legte sich die kleine Gruppe von sieben Jungbauern zur Mahlzeit nieder. Ruhig weideten Ochsen und Pferde um sie herum. Die Jungen waren gesättigt und labten sich reichlich an dem mitgebrachten Konfent. Dieses schwache Bier stieg ihnen zu Kopf und die Langeweile trieb sie zu leichtsinnigem Spiel. Sie formten aus den Resten der Mahlzeit ein Kegelspiel: aus den Würsten die Kegel, aus dem Brot die Kugel. Dann rollten sie munter und ihr Johlen hallte durch den nächtlichen Wald.
Da besann sich einer: „Pst, wir locken ja die Räuber an!“
Die anderen lachten: „Wo sollen denn hier Räuber sein. Wir sind die stärksten im Wald und unser Dorf das Einzige in dieser Gegend.“
Der Vorsichtige aber sah auf das Kegelspiel: „Wir sollten mit unserem Essen nicht so umgehen. Denkt an den Winter, da fehlte es manchmal an Wurst und Brot.“
Die anderen lachten: „Aber heute haben wir genug, und im Winter kommt’s wie‘s kommt.“
Das wilde Spiel ging weiter. Einer hob die Kugel, drehte sich herum und wollte sie rückwärts durch die Beine rollen. Da ging ein Rauschen durch den Wald und ein Stöhnen und ein eisiger Luftzug fuhr zwischen den Stämmen hindurch.
Die Tiere hoben die Köpfe, die Burschen erstarrten. Die Kugel fiel dem Werfer aus der Hand.
Die Tiere drängten sich zusammen, warfen die Köpfe und brüllten. Sie zogen einen engen Wirbel und stampften ins Dorf zurück. Die Bauern erwachten und fingen die Tiere ein. Doch keiner wagte sich in den stürmischen Wald.
Erst am Morgen zogen die Männer mit Waffen hinaus und die Frauen folgten ihnen bangen Herzens. Sie fanden ihre Jungen niemals mehr und keine Spur von ihnen oder von Brot und Wurst. An jener Stelle aber, an der das nächtliche Lager aufgeschlagen war, standen sechs aufrechte Steine, ein siebenter, gebeugter, etwas abseits. Und mit tränenvollen Augen meinte eine Mutter, an einem der Steine die Sommersprossen ihres Sohnes in den Farben des Granits zu erkennen.

Später hat man immer wieder versucht, die Steine zum Bauen zu verwenden, aber wenn immer ein Meißel angesetzt wurde, so stöhnte der Wind und sachte drang dünnes Blut aus der Schlagstelle.
So stehen sie noch heute an der Landstraße zwischen Beidendorf und Dambeck und mahnen, sorgsam umzugehen mit Hab und Gut: Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not…

Quelle: Dorothea Wende: Aus Einblicke Heft 7 LK NWM

Tressow: Die goldene Wiege im Tressower See
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An den Ufern des Tressower Sees bei Wismar erheben sich einige Hügel, deren einer, mit Baum und Strauch bewachsen, der Kellerberg heißt. In alter Zeit hauste dort ein Raubritter. Er hatte viele Höhlen in diesem Berge, die alle miteinander in Verbindung standen und viele so geschickt angelegte Ein- und Ausgänge, dass der Räuber allen Verfolgern stets entging, denn Niemand vermochte nur einen einzigen Zugang zu entdecken. So hatte er sich bald zum Herrn der Landstraße von Wismar nach Grevesmühlen gemacht, die in einiger Entfernung an diesem Berge vorführt. Er legte stets eine Kette bei Gressow quer über die Chaussee, und eine zweite am Sternkrug ebenso. Diese Ketten waren mit Glocken verbunden, die sich im Inneren des Berges befanden. Kam ein Fuhrwerk des Weges, so bewegten sich die Ketten und der Ritter wurde alsbald durch die Glocken benachrichtigt, aus welcher Richtung der Wagen kam. So trieb er geraume Zeit sein Wesen und häufte ungeheure Schätze an. Eines Tages verschwand in dieser Gegend ein Bauernmädchen und alles Suchen und Forschen nach demselben war umsonst.

Etliche Jahre waren schon verflossen, als die Verschwundene plötzlich zu Grevesmühlen auf dem Jahrmarkte erschien. lhre Verwandten drangen mit Fragen in sie, doch das Mädchen wollte keine Auskunft geben. Sie sei durch einen furchtbaren Schwur gebunden, keinem Menschen auf der Welt ihren Aufenthalt zu entdecken; breche sie diesen Schwur, so hätte dies unfehlbar ihren Tod zur Folge. Da kam einer ihrer Verwandten auf einen Gedanken. Das Mädchen hatte geschworen, keinem Menschen ihr Schicksal mitzuteilen aber einem leblosen Gegenstande konnte sie es erzählen, ohne dadurch meineidig zu werden. Auf seinen Rat ging das Mädchen zum Ofen und erzählte ihm, der Ritter habe sie in dem Berge am Tressower See gefangen gehalten, nach vielen Bitten ihrerseits habe er ihr endlich Erlaubnis erteilt, den Grevesmühlener Markt besuchen. Doch zuvor habe er ihr jenen Schwur abgenommen, der sie zur Treue zu ihm und zum Stillschweigen über ihr Schicksal verpflichte.

Man gab nun der Gefangenen Erbsen mit auf ihren Rückweg und hieß sie dieselben auf ihrem Wege ausstreuen. Eine große Zahl Bewaffneter machte sich darauf auf den Weg und verfolgte, durch die Erbsen geleitet, die Spur des Mädchens. Gleich wurde der Eingang gefunden und der Berg auf allen Seiten besetzt. Dem Ritter blieb jedoch ein geheimer Ausgang nach dem See zu. Eilig raffte er seine bedeutenden Schätze zusammen, packte sie in eine goldene Wiege und warf sich mit dieser in einen Kahn. So entkam er auf den See, doch auch das jenseitige Ufer war von Feinden besetzt. Als er sich von allen Seiten von Verfolgern umgeben und nirgends ein Entkommen mehr sah, da bohrte er ein Loch in den Boden des Kahns und versank mit allen seinen Schätzen in der Mitte des Sees.

Bis auf den heutigen Tag sollen Ritter und Gold auf dem Boden des Sees ruhen.

Autor: Dr. Hartmut Schmied, Hinstorff Verlag

Dassow: Buchwerder
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Einstmals ging eine Riesenfrau von Selmsdorf durch den Dassower
See nach Johannstorf, um sich eine Schürze voll Lehm zu holen,
womit sie ihren Backofen ausschmieren wollte. Auf dem Rückweg
traf sie eine andere Riesin aus Johannstorf, die sich von Selmsdorf
eine Schürze voll Sand geholt hatte, um damit ihre Stube zu streuen.
Sie plauderten miteinander und vergaßen die Zeit. So bemerkten sie nicht, dass sich der Wind gedreht hatte und nun das Wasser der Ostsee in den Dassower See blies. Das Wasser stieg höher und höher, erreichte gar die Schürzen der Riesinnen und machte die Erde darin so schwer, dass die Schürzenbänder rissen. Wo sie waren, viel alles zu Boden. So entstanden die zwei Hügel auf dem Buchwerder, von denen der eine aus Lehm, der andere aber aus Sand besteht.

Quelle: Sagen aus dem Kreis Grevesmühlen 1967

Dassow: Das Gold im Mastbaum bei Wieschendorf
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Als sich in den Buchten unserer Küsten noch Seeräuber versteckten, war auch der Deipsee bei Harkensee so ein Schlupfwinkel.
Sogar Störtebeker soll dort längere Zeit gelegen haben. Man munkelt auch, dass des Abends zu gewisser Zeit noch eine goldene Wiege vom Grunde des Sees herauffunkelt. ln grauferner Zeit stellten die Leute Lampen an der Einfahrt zum Deipsee auf, damit die Schiffer sicher hineinfahren konnten.
Später erzählte man sich, dass drei Tagelöhner bei Wieschendorf
einen Mastbaum aus der Erde gruben. Es war ihnen nämlich
aufgefallen, dass dort etwas verborgen sein musste, denn der Fuchs
hatte kürzlich einen goldenen Löffel ausgegraben, und man wusste,
dass bei Feldhusen einmal ein Seeräuberschloss gestanden hatte.
Und richtig! Die Tagelöhner fanden den ausgehölten Mastbaum mit
Gold angefüllt. Sie konnten sich aber über das Teilen des Schatzes nicht einig
werden und baten ihren Herrn, er möchte ihren Streit schlichten.
Daraufhin gab jener jedem einen Strick und sagte:
,,Dor, hängt juch an up, weil ji so dämlich wäst sünd un dat nich allein
deilt hewt!“ Später hat er sich ganz Wieschendorf gekauft.

Quelle: Sagen aus dem Kreis Grevesmühlen 1967

Dassow: Das Bullenfest in Dassow
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Die Fischer aus dem Orte Schlutup feierten in Dassow alljährlich das Bullenfest. An einem schönen Maisonntag kamen die festlich geschmückten Fischersfrauen auf einem Wagen nach Dassow, während die Fischer ebenfalls im Festgewande in geschmückten Kähnen dorthin fuhren. Vor Dassow trafen sich die Männer und Frauen und zogen mit Sang und Klang in die Stadt. Doch jedes Mal, nach einer kurzen Weile, entfernten sich die älteren Fischer. Sie gingen zum Ufer, bestiegen ihre Kähne und fuhren zu der kleinen Insel Plönswerder. Dort angekommen, schärften sie ihre Sensen und mähten das Gras. Dieses wurde dann in die Kähne geladen, und noch schneller, als sie gekommen, fuhren sie zurück, um aufs Neue bei der Festfreude dabei zu sein. Mit Spiel und Tanz verbrachte man die Nacht. Der Anlass zu diesem Fest soll folgender gewesen sein:

Auf der Insel Plönswerder stand in alter Zeit eine Burg, auf welcher ein Graf von Holstein eine Besatzung hielt. Er war mit den Lübeckern wegen eines Mordes in Streit geraten. Um nun Lübecks Verkehr mit Wismar zu hindern, legte er jene Besatzung dorthin. Die Lübecker verbündeten sich mit den Mecklenburgern und belagerten die Burg – doch vergeblich!
Da kam ein Fischer aus Schlutup und erbot sich, die Burg in die Gewalt der Belagerer zu bringen. Man versprach ihm bei Gelingen reichen Lohn. ln einer finsteren Nacht fuhr der Fischer mit zwölf seiner Gesellen an die Burgmauer, von der ein junges Weib ein rotes Seil herabließ. Es war des Fischers Braut, welche die Feinde in die Burg verschleppt hatten. Der Fischer und seine Gefährten kletterten empor, erschlugen den Torwächter und ließen die Belagerer ein.

Seither hatten die Schlutuper Fischer das Recht zum freien Fischen auf dem Dassower See und zum Grasmähen auf Plönswerder. Sie mussten das Gras aber im Mai mähen und noch am selben Tag fortschaffen. Taten sie das nicht, so erlosch auch das Recht des Fischens.
Und warum Bullenfest? Nun, die Dassower nannten die Schlutuper im Scherze Bullen.

Autor: Karl Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg. Erster Band

Schönberg: Die Teufelsbank in Schönberg
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Auch heute sind Sünder nicht immer uneinsichtig. Einer, geplagt vom schlechten Gewissen und gehetzt vom leibhaftigen Teufel, rannte zur Kirche in Schönberg. Er schlüpfte durch die geöffnete Tür, gerade als der Teufel ihn beim Kragen packen wollte. Der Teufel war enttäuscht. Er sauste zweimal um die schöne, große Kirche und konnte den Sünder nicht erreichen. Doch so ein Sünder kann ja nicht ewig in der Kirche bleiben. Der Teufel also hockte sich vor die Kirchentür und wartete.

Der Sünder ließ sich Zeit. Erst betete er ein bisschen, dann sah er sich in der Kirche um, dann träumte er ein bisschen.
Dem Teufel draußen wurden die Knie lahm. Zwischen dem Gebäude des Volkskundemuseums und dem Küsterhaus hinter der Kirche in Schönberg stand seit Jahren eine verwitterte Holzbank. Der Teufel sah sich um und setzte sich auf diese Bank. Von hier hatte er die Kirchentür gut im Blick. Er wartete.
Der Sünder war in der Kirche inzwischen in die letzte Ecke gekrochen. Er fürchtete sich und begann ein Gespräch mit Gott. Was dabei herausgekommen ist, weiß keiner als der Sünder und Gott allein. Aber der Küster kam, um die Kirche zuzuschließen. Er fand den Besucher in der Kirche und weil er ihn so sehr bat, ließ er ihn durch das Portal zum Markt aus der Kirche heraus.

Der Teufel auf der anderen Seite der Kirche aber saß und saß und wartete und wartete und drückte die Holzbank mit solcher Macht, dass sie zu Stein wurde. Da wurde ihm der Hintern kalt und er fluchte. Und bums, stand da noch eine zweite Bank, auch hart und kalt und aus Stein. Und diese Steinbänke, die stehen da heute noch, denn keiner soll weicher sitzen als der Teufel. Ob der Teufel selber aber noch drauf sitzt? Da müsst ihr eben einmal nachsehen.

Autorin: Dorothea Wende

Schönberg: Prinzessin Sahra
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Im Bereich Schönberg und Rehna wird von den Alten die Sage über die „wilde Jagd“, die sonst weit in den Landen verbreitet ist, mit einer Frau verbunden. Diese Frau ist keine verfluchte Jägerin, sondern soll eine Prinzessin aus dem Morgenlande sein. Sie wird auch als freundlich beschrieben, soll Geschenke machen und auch im Sommer wirken, wo sie das Wachsen des Korns beschleunigen „ sei treckt dat Kuurn“ oder sie zeigt in der Sommerzeit den Kornsegen an: „Dat Kuurn is riep – dat mööt meiht warden“ sagen dann die Leute.

Prinzessin Sahra

Oft erscheint sie aber natürlich in der Zeit des Jahreswechsels:

Als einst den drei Köni´gen ein Sternlein erschien
Und machte dass sie nach Bethlehem ziehn,
da kamen sie auf ihrem Wege zuvor
im Wüstenreich an und klopften ans Tor:
„Komm mit uns, uns wurde ein Wunder gewahr,
ein Stern zeigt uns an: Unser Retter ist da!

Heut ist ein Sternlein vom Himmel gefallen, hats keiner gesehen? Es leuchtet uns allen. Es leuchtet das Sternlein mit helllichtem Schein ins Herz uns hinein.“

Doch im Wüstenreich, dort im Dünensand
Prinzessin Sahra am Tor nur stand.
Sie hob ihre Hände in ihrem Leid
und sprach: „Ich hab überhaupt keine Zeit!
Seit meine Eltern kamen um
muss ich alles richten. Und darum
zieht nur allein. Ich muss mich sorgen
das all meine Bauern hab´m Wasser morgen,
das ein jeder pflegt seinen Olivenbaum.
Ich hab für die Pferde Zeit noch kaum.“

Die Könige gingen. Doch am Abend dann
als all´ ihre Arbeit war getan,
da blickt Prinzess Sahra vom Palastdach hinauf
in den Himmel und zu der Sterne Lauf.
Und sie stellte sich nun die bange Frage
welcher dort wohl die Botschaft trage,
die Botschaft vom Frieden in der Welt,
von Güte und Liebe und was wirklich zählt.
Und sie läuft in den Stall, holt ihr Pferdchen schnell –
mit den Augen wie Seen und dem Mondscheinfell –
und eilt in die Nacht. Doch vom Wüstenwind
die Spuren der Kön´ge verweht längst sind.
Da steht sie nun, einsam, zu allem bereit,
und schwingt sich dann auf in den Raum und die Zeit:

Heut ist der Himmel zur Erde gekommen. Hats keiner gespüret, hats keiner vernommen? Es leuchtet der Himmel mit helllichtem Schein ins Herz uns hinein.

Und wenn uns im Winter Sturm rüttelt am Dach,
ans Fenster klopft und braust mit Macht,
so wissen wir doch und glauben es gern:
Das ist Prinzess Sahra, und sie sucht den Stern!
Sie reitet auf ihrem Pferdchen so schnell –
mit Augen so blau und wie Mondschein das Fell.

Sie reitet und sucht nach des Sternchens Licht
im leuchtenden Kaufhaus. Und findet es nicht.
Hier eilen die Menschen und suchen mit Hast
nach Dingen und stöh´n unter deren Last.
Und tausende Wünsche werden erfüllt –
nur die Zeit zum Verweilen und Zuhören fehlt.

Da erhebt sie sich wieder in Raum und Zeit,
die suchende Sahra, zu allem bereit.
Und kommt an ein Fenster im Abendschein,
schaut voller Sehnsucht ins Zimmer hinein.
Dort sitzen die Jungen bei den Alten
und wollen gemeinsam den Abend gestalten.

Hier klopft sie an und singt leise ihr Lied
und es folgt was sonst nur in Märchen geschieht:

Heut ist ein Leuchten ins Herz uns getragen. Hat´s keiner gefühlet, kann´s keiner denn sagen? Es leuchtet die Weihnacht mit helllichtem Schein ins Herz uns hinein.

Und was glaubt Ihr nun alle, sagt einmal an,
wurde ihr dort wohl die Tür aufgetan?

Autorin: Dorothea Wende; Einblicke LK NWM Heft 7

Schönberg: Von der Stadt Tappenhagen
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Nahe dem heutigen Städtchen Schönberg gab es eine Stadt, lange bevor Schönberg gegründet worden war. Die Stadt war umgeben von einer Befestigung aus Bohlen und Stämmen und ihre Häuser waren von Holz und Lehm. Noch heute deuten die Flurnamen der Dörfer Rupensdorf und Petersberg auf den Friedhof und die Kirche hin.

Ein Ritter hatte Schutz und Trutz der Stadt übernommen. Er hatte sein Haus auf einem Hügel nach Sonnenuntergang über der Stadt, nahe den Sümpfen des Rupensdorfer Baches. Er lag aber seit Langem in Streit mit einem Ritter hinter dem nördlichen Hügelzug, dem Ritter von Bechel. So rüsteten sie beide und begegneten sich im Morgengrauen auf dem Steg über den Rupensdorfer Bach. Keiner wollte sein schwer gerüstetes Pferd wenden in dem weichen Gelände. Die Pferde schnauften und scheuten. Da rief der Ritter von Rupen: „Weißt Du nicht, wie man ein Pferd rückwärts durch das Moor bringt?“ Doch der Herr von Bechel lachte höhnisch: „Es hat mich noch niemand gelehrt, rückwärts zu gehen! Meinst Du, du kannst es mir beibringen ?“ Und sie senkten ihre Lanzen und trieben ihre Pferde aufeinander zu. Mitten in den Sümpfen trafen sich die Streiter und die Lanzen trafen beide hart. Die Reiter stürzten mit ihren Pferden und den schweren Rüstungen in das Ried und das dunkle Wasser. Beide verloren jeden Halt und konnten sich in den Rüstungen nicht erheben. Wild schlugen die ertrinkenden Pferde um sich und manch Hufschlag traf auch den Mann.

Als der Frühnebel sich hob war kein Laut mehr zu hören. Das Wasser stand ruhig in dem aufgewühlten Moor und beide Ritter waren tot.
Da erhob sich großes Wehklagen in der Stadt, denn der Behüter der Stadt war tot. Kein Schutz war gewährt. Und die Leute eilten vor die Tore, um ihren toten Herrn zu bergen. Sie verließen eilig die Häuser und achteten nicht auf die Feuer unter der Morgensuppe. In einem Haus genügte der Funkenflug durch den Zug der offenen Tür – das Feuer fraß das Haus und sprang auf die Nachbarhäuser über. Schnell breitete sich der Brand aus in der ganzen Stadt. Tappenhagen stand in Flammen und die Bewohner rannten wehklagend vom Moor zurück in die Stadt. Was sie konnten schleppten sie Wasser herbei, in Hüten und Stiefeln, in Umhängen oder mit den bloßen Händen. Sie warfen das Wasser gegen das Feuer, immer wieder. Das Wasser sammelte sich auf dem schweren Boden um die Stadt, es konnte nicht ablaufen in den Rupensdorfer Bach. Aber die Stadt verbrannte dennoch mit all´ ihrem Hab und Gut, mit ihrer Kirche und ihren Speichern, ihren Hütten und dem hölzernen Wall außen herum. Nichts blieb von Tappenhagen, außer dem Löschwasser. Das bildet heute einen tiefen See, den „Trönnelsee“.

Das Land der toten Ritter fiel an den Fürsten zurück, und er gründete zwei Dörfer daraus, Rupensdorf und Bechelsdorf. Die Überlebenden von Tappenhagen aber siedelten sich im nahen Dorf Schönberg an.
Im Trönnelsee aber liegt noch immer die Glocke von Tappenhagen und wer Ohren hat zu hören, der kann sie läuten hören in den Neujahrsnächten oder zur Karfreitagsmesse. Und wenn die Fischer mit ihren Netzen anhaken im Trönnelsee, so befreien sie sie ganz behutsam, damit sie den Kirchturm nicht beschädigen, den von der versunkenen Kirche. Dennoch träumt jeder Fischer davon, den riesigen Hecht zu fangen, der die Kirchglocke bisweilen um den Hals tragen soll. Aber das ist vielleicht doch ein Märchen aus einer anderen Gegend.

Autorin: Dorothea Wende; Einblicke LK NWM Heft 7

Schönberg: Von der weißen Dame auf der Krüzkoppel bei Schönberg
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Auf der Pfarre von Schönberg diente eine arme Waise.
Einmal weideten die Kühe auf der „Krüzkoppel“. Das ist die Koppel, auf der das Steinkreuz gestanden hat, das jetzt bei der Kirche in Schönberg steht. Es ist ja ein Sühnekreuz für einen Mord. Und deshalb fürchteten sich die Leute auch ein bisschen vor dem Ort, an dem es gestanden hatte.

von der weißen Dame

Das Mädchen musste in den nebligen Morgenstunden nun dort ganz allein die Kühe melken. Doch sie war fest im Glauben und um sich zu bestärken, sang sie bei der Arbeit immer fromme Lieder. Gerade zum Johannistag, der auch noch auf einen Sonntag fiel, sang das Mädchen das Lied: „Jesus nimmt die Sünder an.“

Saget doch dies Trostwort allen Welche von der rechten Bahn Auf verkehrten Weg verfallen. Hier ist was sie retten kann: Jesus nimmt die Sünder an. Keiner Gnade sind wir wert…..“

da hörte sie ein Geräusch. Sie sah auf und verstummte, denn aus dem Nebel vor ihr erstand eine Gestalt. Schlank und fein und ganz durchsichtig blass stand vor ihr eine feine Dame und sprach mit leiser Stimme: „Fürchte Dich nicht. Ich habe schon oft deinem Gesang gelauscht und Freunde daran gefunden. Sag, weißt du dieses fromme Lied auswendig ?“
Das Mädchen nickte mit offenem Mund. Zu keinem Wort war sie fähig.
„Bitte, dann sing es mir doch ganz und gar vor.“
Das Mädchen begann mit zitternder Stimme. Aber von Vers zu Vers wurde sie fester und sicherer. Und als sie beim achten Vers „… mich auch hat er angenommen und den Himmel aufgetan…“ sang, war ihre Stimme fest und klar und das Lied stand über der Wiese wie ein Dom.

Als sie geendet hatte sagte die Dame, die die ganze Zeit schweigend und mit gesenktem Kopf gelauscht hatte, leise: „Du hast mir eine große Wohltat getan. Ich danke dir. Wenn du schweigen kannst, so soll das dein Schaden nicht sein. Ich bin eine Verstoßene und muss schwer leiden. Doch du kannst mich vielleicht erlösen. Ich werde noch zwei Mal zu dir kommen. Ich kann nicht sagen wann und wo. Bleib reinen Herzens und fürchte dich nicht. Einmal wirst du alles verstehen.“ Mit den letzten Worten kam der Morgenwind auf und mit seinem Wehen verschwand die Gestalt.

Das Mädchen besann sich. Sie machte ihre Arbeit zu ende und brachte die Milch in die Pfarre. Sie erzählte niemandem von der wundersamen Geschichte. Sowieso hätte niemand ihr geglaubt und niemand hätte ihr auch nur zugehört. Jeden Tag ging sie zum Melken hinaus und jeden Tag sang sie alle die frommen Lieder, die sie gelernt hatte und auch immer wieder das bestimmte. Aber sie wartete vergeblich den ganzen Sommer hindurch. Die Erscheinung kam nicht wieder.

Der Herbst kam und die Kühe kamen in den Stall. Am Martiniabend saß das Mädchen allein im Stall und summte vor sich hin, auch mal wieder die Melodie dieses bestimmten Liedes. Sie war allein im Stall und hatte ihr Erlebnis vom Sommer fast vergessen. Da wurden die Kühe unruhig und als das Mädchen aufsah, stand die feine Dame im dämmrigen Licht des Stalles. Und wiederum bat sie um das besagte Lied. Das Mädchen sang ihr alle acht Verse und ihr ging dabei das Melken leichter von der Hand als sonst. Als sie das Lied beendet hatte, nahm sie den Melkeimer auf und trat zwischen den Kühen hervor. Aber da war die Dame schon so geräuschlos verschwunden, wie sie erschienen war.

Wieder verging die Zeit. Das Mädchen hatte Arbeit und Arbeit und keine Zeit von ihren Träumen zu reden. So kam die Weihnachtszeit heran und die Nacht der Jahreswende. In der Silvesternacht saß das Mädchen allein in seiner Kammer und blätterte beim Kerzenschein in ihrem Gesangbuch. Da hob sie den Blick und vor den Eisblumen im Fensterglas erblickte sie erneut die weiße Dame. Und wieder bat diese sie um das Lied. Das Mädchen konnte auch jetzt alle acht Verse singen.

Da sprach die Dame zu ihr: „Mädchen, du hast mich erlöst. Ich bin ein armes Fräulein. Mein Onkel hat mich verflucht, weil seine beiden Söhne sich einst zu gleicher Zeit in mich verliebten. Sie stritten sich und töteten sich beide. Zur Buße sollte ich so lange keine Ruhe finden bis sich eine fromme Waise findet, die mir dreimal zu verschiedenen Zeiten das Lied „Jesus nimmt die Sünder an“ vorsingen kann. Dies ist nun geschehen und nun bin ich erlöst. Ich will dich nun auch belohnen. Auf der Krüzkoppel ist ein Schatz vergraben. Suche ihn und er gehört dir.“ Damit verschwand die Dame und kehrte nie mehr zurück.
Das fromme Mädchen aber fiel auf die Knie und begann zu beten bis der Schlaf sie übermannte.

Sie hat niemals nach dem Schatz gesucht und es ist auch nicht bekannt geworden, dass dort ein Schatz gefunden worden ist. Also sollte der Schatz dort noch liegen?

„Und, hat sie den Schatz gefunden ?“ „Ist sie wohlhabend geworden?“ „Hat sie sich einen Hof gekauft ?“ „Hat sie ein Geschäft aufgemacht ?“ „Hat sie geheiratet ?“ „Wieviel war es ?“ Alle Frauen fragen durcheinander.
„Nein, nein,“ erwidert die Erzählerin, „sie hat nie danach gesucht. Er ist wohl später gefunden worden oder auch nicht. Weiß ich auch nicht.“ Sie hebt abwehrend die Hände.

Autorin: Dorothea Wende, aus „Märchen und Sagen des Ratzeburger Landes“

Rehna: Neun Wölfe (Mecklenburgische Variante)
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Einst lebte ein vornehmer Herr auf seinem Gute. Er war streng zu seinen Bauern und schaffte sich großen Wohlstand. Sein Haus war auf das Vortrefflichste ausgestattet und es ging ihm und seiner Familie gut. Er hatte eine gesunde Frau und diese schenkte ihm jedes Jahr einen kräftigen, gesunden Sohn. Neun Jahre hintereinander.

Jedes Jahr war eine Taufe im Haus und ein Fest wollte an Pracht und Fülle das vorherige übertreffen. Im neunten Jahr sollte alles noch schöner und ausschweifender sein, als in allen Jahren zuvor: Schweine und Gänse wurden geschlachtet, Hammel und Hühner und ein ganzer Ochse kam im Hof an den Spieß. Die Spielleute mussten schon am hellen Nachmittag aufspielen und waren für die ganze Nacht bestellt. Bier floss in Strömen und Wein und Saft. Die Zahl der Kutschen, mit denen die vornehmen Gäste aus der Umgebung gekommen waren, konnte keiner mehr übersehen. Der ganze Hof stand voll und die Ställe konnten die Pferde kaum fassen. Das Dienstgesinde musste flitzen, wie noch nie vorher. Und dabei achtete der Gutsherr immer darauf, dass seine Leute flink und fleißig schafften.

Es war Mitternacht und der Trubel auf seinem Höhepunkt. Die ersten Gäste lagen schon erschöpft vom guten Essen und Trinken auf den Bänken. Dennoch bogen sich die Tische unter den vollen Schüsseln. Da klopfte es ans Tor. Die Magd, die noch einen späten Gast vermutete, öffnete und sah im Schein der Laterne einen zerlumpten Bettler vor der Tür stehen. Er bat um ein bisschen Essen, denn er hätte schon einen weiten Weg hinter sich und noch einen längeren vor sich und seit dem vergangenen Tag noch nichts gegessen. Die Magd wollte ihm ein Stück Brot und Braten zustecken. Aber der Gutsherr war aufmerksam geworden und zum Tor gekommen:

„Was, du willst hier bei mir essen, ohne dass du für mich gearbeitet hast? Das kannst du vergessen!“ Und er jagte die Magd vom Tor weg und wollte es schließen. Da zog der Bettler eine Fiedel hervor und bot an, für die Gesellschaft auf zu spielen. Das war dem Gutsherrn recht. Die Musikanten waren schon recht lahm und müde. Der Bettler wurde also in den Festraum geführt und spielte. Er spielte aber so wild und heftig, dass es den Gästen und dem Gutsherrn unheimlich wurde und sie ihn wieder rausschmissen. Am Tor gab der Gutsherr ihm noch einen Tritt und höhnte: „Das soll dein Lohn sein!“
Am folgenden Tag formierte sich der festliche Zug zur Taufe. Prächtige Wagen reihten sich aneinander, aber der prächtigste war doch der Wagen des Gutsherrn an der Spitze, in dem er mit seiner Frau und seinen neun Söhnen saß. Da kam ein heftiger Wind auf mit Hagel. Als die Wagen auf dem Weg zur Kirche durch einen kleinen Wald mussten, stand dort der Bettler vom Abend zuvor und hielt sie auf: „Nun Herr, wollen wir abrechnen.“

In dem Augenblick verwandelten sich die neun Söhne in weiße Wölfe, selbst der noch ungetaufte Säugling, und sprangen mit Geheul in den Wald davon.
Groß war das Entsetzen und die Klage, aber niemand konnte etwas ändern.
Die Jahre vergingen. Der Gutsherr war in dumpfe Trauer versunken. Die Wirtschaft kümmerte vor sich hin. Da geschah das Wunder und die Frau gebar ihm wieder ein Kind. Diesmal aber eine Tochter. Diese wuchs zu einem wunderschönen Mädchen heran. Es war von großem Liebreiz und großer Freundlichkeit. Wo es erschien brachte es Fröhlichkeit und Schaffenskraft. Der Gutsherr liebte das Mädchen mit ganzem Herzen. Doch die Leute im Dorf erzählten ihm, dass es eigentlich neun Brüder gehabt hätte, die auf wundersam unglückliche Weise verschwunden seien. Das lies dem Mädchen keine Ruhe. Es fragte seine Mutter danach. Doch die unglückliche Frau mochte ihm keine Antwort geben. Seinen Vater zu fragen, hatte das Mädchen aber zu viel Respekt. Eines Abend aber konnte es durch den Türspalt hören, wie sich seine Eltern schmerzvoll über die verlorenen Söhne unterhielten:

Ach, wo mögen unsere Jungen wohl sein und wie mag es ihnen ergehen.
Ach Johann, Reimer, Claus und Franz,
ach Hartwig, Henrik, Paul und Hans.
Und Peter, unser jüngstes Glück!
Wer bringt die Söhne uns zurück?“
„Ach, uns ging es doch so gut. Hätten wir doch von unserem Wohlstand abgegeben. Was nutzt uns unser Wohlstand, haben wir doch unsere Söhne verloren. Wo mögen sie wohl sein? Wie mag es ihnen ergehen?“

Das Mädchen hatte von einer weisen Frau im Dorf erfahren, dass man die Verwandlung in Wölfe durch die Nennung der Namen rückgängig machen konnte. Nun wusste es genug. Es zog in den Wald hinaus um seine Brüder zu suchen. Eines Tages geriet es im finstersten Wald in einen heftigen Schneesturm. Es versank erschöpft im tiefen Schnee und die Wölfe heulten um es herum. Im Schneetreiben erblickte es weiße Wölfe mit glühenden roten Augen um sich herum. Da rief das Mädchen:

„Ach Johann, Reimer, Claus und Franz,
ach Hartwig, Henrik, Paul und Hans.
Und Peter muss dabei auch sein,
ich bin doch Euer Schwesterlein!“

Die Wölfe verhielten und verwandelten sich auf der Stelle in Menschen zurück. Sie wunderten sich, dass sie eine Schwester haben sollten und so musste das Mädchen wieder und wieder von seinen Eltern erzählen. Die Brüder erkannten Hof und Wirtschaft ihres früheren Lebens aus den Erzählungen und dankten für die wundersame Erlösung.
Da war die Freude groß und die Kinder zogen zusammen in das Elternhaus zurück. Nie mehr wurde ein Bettler ohne Speise von der Schwelle gewiesen und das Gut gedieh prächtig und zu aller Wohl.

Autorin: Dorothea Wende

Rehna: Der nächtliche Bulle
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Der Katenschulte war einst zur Geisterstunde zwischen zwölf und eins auf dem Heimweg von der Maurinemühle nach Ollndorf. Auf dem schmalen Feldweg, direkt neben dem Landgraben, stand plötzlich ein riesiger Bulle mit sehr breiten Hörnern in leichter Angriffshaltung vor ihm. Seitlich konnte er nicht vorbei, dazu war es zu eng. Also duckte sich der Katenschulte so gut es sein Zustand zuließ und schlüpfte unter den Hörnern hindurch an ihm vorbei.
Diese abenteuerliche Geschichte machte später die Runde im Dorf. Wer den Katenschulten kannte, erahnte noch nachträglich seinen berauschten Zustand um diese Uhrzeit. Da war wohl aus einer recht harmlosen, von der Weide ausgebrochenen Kuh ein mächtiger Bulle geworden. Oder doch nicht?

De Bull bi Nacht

De Katenschulten is mal eins tau Scpäukelstunn bi Nacht twüschen Klock Twölf un Klock Ein up den Weg na Hus west vun de Maurinemoehl na Ollndörp tau. Up den engen Feldweg, nipp un nau blangen den Landgrawen, stünn upstuns ein asig grode Bull mit breide Hurns vör em un seeg so ut, as wull hei em angriepen. Padauz! An de Sied kunn de Schulten nich an dat Veih vörbi kamen, dortau wier de Weg tau schmal. Un so hett sik de Katenschulten duckt, so gaud as dat bi sein Taustand noch güng, un is den Bullen ünner de Huurns fix dörch un an em vörbi maracht. Düsse awendüerhaftige Geschicht hett later de Runnen makt in’t Dörp. Wecker den Kaltenschulten öwer kennt hett, den kunn woll schwanen, dat hei tau düsse nachtschlapen Tied al dull beschwiemelt wier. Un dor is ut ein tutige Kauh, de gor nix deit, blots vun ehr Wisch utneiht wier, de asig grod-geifiehrliche Bull worden. Oder viellicht doch nich?

Quelle: Dr. Frank und Evemarie Löser, Sagen und Geschichten Schönberg und das alte Ratzeburger Land. Übertragen ins Plattdeutsche Thomas Lenz

Rehna: Spinnerin in der Sonne und der Mann im Mond
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Für ganz besonders sündlich hielten es früher die Leute, am Sonnabend-Abend zu spinnen, weshalb denn auch jetzt noch – mit gewiss nur wenigen Ausnahmen – alle Spinnräder an diesem Abend ruhen. Eine gottlose Frau, die einst einen ganzen Winter hindurch gegen diesen alten frommen Brauch handelte und ruhig an den Sonnabend-Abenden fortspann, wurde zur Strafe für dieses Verbrechen in die Sonne versetzt, wo sie nun Tag und Nacht bis in alle Ewigkeit spinnen muss. Wenn die Frauen und Mädchen zurück vom Osterwasserholen kommen, dann können sie die Gottlose ganz deutlich in der aufgehenden Sonne sitzen und spinnen sehen. Ein Mann, der mehrmals so gottlos gewesen war, am Sonnabend noch spät in den Wald zu gehen und Holz zu holen, wurde zur Strafe hierfür mit einem Bündel Reisig in den Mond verbannt, wo man ihn auch jetzt noch deutlich sehen kann.

Quelle: Karl Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg, Erster Band

Rehna: Drei Schwäne
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Auf der Radegast – das ist das Flüsschen zwischen Gadebusch und Rehna, welches weiter zur Stepenitz fließt, sieht man immer viele Schwäne. Drei von ihnen waren einstmals Nonnen im Rehnaer Benediktinerkloster, dessen Reste bis heute dicht am Mühlenteich stehen, durch den die Radegast hindurchfließt. Was ist geschehen?

Es begab sich einst , dass drei junge Nonnen auf eine Bank geklettert waren und sehnsüchtig über die Klostermauer ins weite Land schauten. Da kam ein alter Graubart daher und erzählte ihnen, dass er Frauen suche für seine drei Söhne. „Wollt ihr mir nicht folgen?“ so fragte er. Freudig sagten sie: „Ja!“ und verabredeten sich mit ihm zu fliehen im Schutze der Nacht. Als es soweit war und sie ihm die Hände reichten, um über den Fluss zu kommen, da waren sie in Schwäne verwandelt. Alle Jahre wieder, an dem nämlichen Tag ihrer Flucht, steigen sie seither unbekleidet, unverhüllt aus dem Wasser empor, und schauen auf die weißen Schwäne nieder, die bis heute auf der Radegast und dem Mühlenteich schwimmen.

up Platt:

Up de Radegast, dat is de Strom twüschen Gadbusch un Rehn, na de Stepnitz tau, süht ein hüt noch väle Schwanenvagels. Drei vun ehr sünst einstmals Nonnen west ut dat rehnsche Benediktinerkloster, dat bethüt dicht bi den Moehlendiek steiht, dörch de de Radegast dörchmoet. Wat is pessiert?

Vör Johr un Dag, dor sünst drei jungsche Nonnen up ein Bänk kladdert un hebben mit Janken (Sehnsucht) öwer de Klostermuer na’t wiede Land hen röwer käken. Dor kem unverwohrens ein olle Griesbort vörbi un vertellte ehr, dat hei för sien drei Soehns Frugens säuken ded. „Wüllt ji nich mit mi kamen?“ Vull Freud sädens „Ja!“ un verafrädten sik, bi Nacht un Näwel aftauhaugen. As’t öwer so wiet wier un sei den Griesbort de Hännen reiken wullen, dat hei ehr öwer den Strom hölpen sull, dor wiern up’n Stutz ut de Nonnen Schwanenvagels worden.

All Johr wedder, nipp un nau an den Dag, wo sei utkniepen wullen, stiegen sei nackigt ut dat Water na bawen un kieken up de witten Schwaans hendal, de bet hüt up de Radegast un den Moehlendiek schwemmen.

Quelle: Evemarie und Frank Löser, nacherzählt und ins Plattdeutsche übersetzt: Thomas Lenz

Schönfeld: Strom selig
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Ein Bauer hatte einen treuen Hund. Der trug den Namen „Strom“. Die Bauern nannten ihre Hunde gerne nach etwas Beweglichem oder Fließendem. Solch ein Name sollte sie beschützen.
Strom war ein guter Hund, bewachte Jahrzehnte das Haus und trieb dem Bauern manch Stück Wild aus dem Busch, immer treu und zuverlässig. Dann aber kam seine Zeit und die Lebensuhr war abgelaufen. Der Bauer liebte seinen Hund so sehr, dass er ihm auch im Tode noch jede Ehre antun wollte: ,,Strom“ sollte mit im Familiengrab auf dem Friedhof liegen. Der Bauer ging also zum Pastor und meldete die Beerdigung an. Der Pastor aber wollte nicht: ,,An Hund up’n Kirchhof. Dat geit ja woll nich an!“
Doch der Bauer bat und bat und versprach letztlich eine großzügige Spende. Da ließ der Pastor sich überzeugen. Und er hielt sogar die Grabrede: Vom treuen Kameraden, vom guten Freund -und immer wieder von „Strom selig“ und „Strom selig“.
So ist niemandem aufgefallen, dass es sich bei dem Besprochenen um einen Hund gehandelt hat und alle waren es zufrieden.

Autorin: Dorothea Wende

Mühlen Eichsen: Die Sage von Mühlen-Eichsen
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Von Mühlen-Eichsen wird erzählt, dass es früher eine große Stadt gewesen sei und dafür werden besonders die beiden großen altertümlichen Kirchen in Groß-und Mühlen-Eichsen angeführt. Auch geht vielfach im Volk die Rede, dass diese untergegangene Stadt dereinst wieder ans Tageslicht treten werde.
Vor einigen Jahren kommt einmal abends ein Unbekannter in ein in der Nähe von Eichsen gelegenes Dorf, wo er vor einem Katen einen Knaben von zehn oder zwölf Jahren antrifft. Diesen versucht er, eine kleine Strecke mitzukommen und ihm den Weg zu zeigen. Der Knabe tuts.

Unterwegs eröffnet ihm nun der Mann, dass er drei Abende diesen Weg zu machen habe und an jedem eines Führers bedürfe. Darum solle er an den beiden kommenden Abenden um dieselbe Zeit nur wieder vor dem Hause sich aufhalten und ihm abermals den Weg zeigen. Wenn er dies tue, dann solle für sein künftiges Wohl gesorgt sein. Er solle aber bei Leibe nicht vor Ablauf dieser drei Abende irgendetwas hiervon zu Hause sagen. Der Knabe verspricht Alles und den Abend ist er auch Wegführer gewesen; und da sind die Spitzen der Türme und der größeren Gebäude des untergegangenen Eichsen schon wieder aus dem See hervorgewachsen. Da aber hat der Knabe seinen Eltern davon gesagt, und diese erlaubten ihm nicht mehr an den folgenden Abenden hinzugehen.

Wenn er es an diesen wieder so wie am ersten gemacht hätte, so würde das alte Eichsen wieder dagestanden haben.

Autor: Otto Kniepcke, Einblicke LK NWM, Heft 1, KV GDB

Mühlen Eichsen: Wie die Kinder flöten gingen
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Auch in Gadebusch findet sich wie in Hameln die Sage vom Rattenfänger. Die Stadt, die seit 1225 lübisches Stadtrecht besitzt, liegt verkehrsgünstig im Straßenkreuz Wismar, Schwerin, Ratzeburg und Lübeck. Möglicherweise ist dadurch die Auswanderung von Ratten bzw. Kindern besonders glaubwürdig. Das Rathaus mit Gerichtslaube am Markt ist im Kern mittelalterlich, wurde aber durch Umbauten von 1618 geprägt.

Der Bürgermeister bestätigte einst im mittelalterlichen Gadebusch den Vertrag, dass der Rattenfänger für das Wegfangen aller Ratten eine bestimmte Summe Geld bekommen solle. Mit einer Flöte marschierte der Fänger vom Gadebuscher Markt ins südwestliche Jarmstorf Richtung Ratzeburg. Er kam an das Flüsschen Radegast, dass nach dem Hauptgott des Slawenstammes der Obodriten benannt ist, und das heute noch diesen Namen trägt. Hier lief er über einen Steg und ließ alle Ratten im Wasser ersaufen. Der Lohn aber wurde dem Rattenfänger vom Bürgermeister verweigert. Daraufhin drohte jener, er würde alle Kinder aus Gadebusch wegnehmen. Sofort holte er die Flöte heraus, pfiff, und alle Kinder der Stadt liefen dem Geprellten hinterher. Als sie schon beim Ausmarsch waren, kam der Bürgermeister doch noch und zahlte die vereinbarte Geldmenge. Daraufhin pfiff der Rattenfänger erneut und schickte die Kinder nach Hause.

Meist wird die aus Hameln bekannte Wandersage mit den Kinderkreuzzügen der Ostexpansion im Jahre 1212 in Zusammenhang gebracht. Damals zogen wohl allein aus deutschen Landen etwa 20 000 Kinder ins Mittelmeergebiet zum Heiligen Land, um das Christentum zu verbreiten. Die meisten starben auf dem langen Weg.

Verschiedene Faktoren sind, so die anerkannteste Theorie, bei der Entstehung dieser Sage zusammengekommen. Mit der Kolonisation des Ostens, also auch Mecklenburgs, durch Deutsche aus dem deutschen Kerngebiet im 12. und 13. Jahrhundert kamen „Kinder der Städte“, also Stadtbewohner, hierher. Vergleiche mit Ratten, die bei den üblichen Rattenplagen ebenso lästig wurden, drängten sich möglicherweise auf. Rattenfänger waren ohnehin im ganzen Lande unterwegs. Der liebliche Flötenklang sollte nach dem damaligen Volksglauben Mensch und Tier anlocken. Bei den schlechten hygienischen Bedingungen der Städte konnte man nur durch Zauberkraft Herr der Probleme werden.

Bis in die heutige Zeit kommt einem der Sparzwang der Bürgermeister vertraut vor, so dass die Sage nie an Aktualität verlor. Doch der erhobene Zeigefinger ist unübersehbar: Vertraglich erbrachte Leistungen sind bei Strafe des Untergangs sofort zu bezahlen.

Quelle: Dr Hartmut Schmied: Geister, Götter, Teufelssteine, Hinstorff Verlag

Goddin: Der Vogelkönig
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Als die Vögel ihren König wählen wollten, da sollte es der sein, der am höchsten fliegen kann. Ein winziger Vogel, ein kluger Schelm und nicht größer als eine Maus, wollte aber unbedingt König werden. Er versteckte sich im Gefieder des Kranichs, und als alle Vögel aufgestiegen waren und der Kranich alle anderen weit hinter sich gelassen hatte, schlüpfte er unter den Federn hervor, stieg etliche Meter über den Rücken des Kranichs auf und rief laut: „Ich bin der höchste, seht, ich bin der Höchste. Ich werde euer König sein.“
Die anderen Vögel waren sehr erbost über diesen Betrugsversuch. Sie stürzten sich auf den kleinen Vogel, als der sich in der Luft nicht halten konnte. Er fiel herab wie ein Stein und entkam ihnen in ein Mauseloch. Die Vögel saßen vor dem Loch und regten sich mächtig auf, allein der Vogel kam nicht heraus. Da wurden sie des Wartens müd` und beauftragten die Eule, vor dem Loch abzuwarten, die anderen gingen wieder ihren Tagesgeschäften nach. Die Eule wartete und wartete und wartete und wurde müde vom Stillsitzen und die großen Augen fielen ihr zu.
So entkam der kleine Vogel, noch immer klein wie eine Maus, aber bis heute mit einer mächtigen Stimme. Die Menschen nennen ihn den Zaunkönig, vielleicht ein bisschen aus Spott. Die Vögel aber waren böse auf die Eule, und deshalb kann sie sich nun nur noch in der Nacht zeigen. Und die Eule ist böse auf die Maus, weil sie dem Vögelchen geholfen hat mit ihrem kleinen Loch, und jagt sie deshalb.
Aber die Kleinen müssen eben manchmal zusammenhalten und außerdem ist das alles schon lange, lange her.

Autorin: Dorothea Wende, Einblicke LK NWM, Heft 7

Veelböken: Die Hexe Margitta
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Die Hexe Margitta stand vor ihrem Spiegel und kämmte ihre Haare mal nach rechts, dann nach links, nach vorn, nach hinten und auch nach oben, aber all das gefiel ihr nicht. Sie steckte den Kamm hinter den Spiegel, nahm ihre beiden Hände und schob die Finger in ihre Haare. Sie schüttelte sie kurz auf und fertig war sie mit ihrer Frisur. Margitta drehte den Kopf hin und her, lächelte in den Spiegel und fand, dass sie mit ihrer Frisur gut ausschaut. Sie steckte die Puderdose in die Rocktasche, setzte sich ihren spitzen Hut auf, legte sich ein Wolltuch über die Schultern und steckte es mit einer großen Brosche fest.

Thomas Hexet

Ihr Besen stand immer griffbereit an der Tür. Aber an diesem Abend, wo sie es so eilig hatte, war er nicht an seinem Platz. Hexe Margitta konnte es sich nicht erklären, wo sie ihn gelassen haben sollte und suchte im ganzen Haus. „Wo steckst du nur?“, sprach sie mit sich selbst. Als sie in alle Ecken geschaut und auch die Schränke durchsucht hatte, fand sie ihn schließlich unter ihrem Bett. Da sie in Eile war, dachte sie nicht lange darüber nach, wie er dahin gekommen war.

Margitta nahm ein kleines Bündel vom Tisch, befestigte es am Besenstiel und verließ das Hexenhaus auf ihrem fliegenden Besen, um zu ihrer Freundin Hexe Plaulina auf den Klüschenberg zu fliegen. Als sie sich in die Luft erhob, bemerkte sie, dass ihr Besen nicht so recht fliegen wollte und so hatte sie Sorge, nicht rechtzeitig bei Plaulina zum Vollmondtee einzutreffen. Zum Hexen- und Geistertreffen in der Vollmondnacht bei Plaulina auf dem Klüschenberg war sie immer vor den anderen Hexen und Geistern da. Aber als sie sich dem Berg näherte, sah sie, dass die weiße Frau, der Geist Dieter, die Prinzessin und der Riese schon eingetroffen waren. Noch im Flug holte sie ihre Puderdose aus der Rocktasche und versuchte, sich das Gesicht noch vor der Landung zu pudern, aber der Wind pustete ihr das Puder aus der Dose in Augen und Nase, so dass Margitta nicht sehen konnte, dass sie geradewegs auf den Heuwagen, der auf der Wiese stand, zusteuerte und darin landen würde.

Der Besenstiel bohrte sich in den Heuhaufen und Hexe Margitta fiel bei der abrupten Landung mit der Puderdose in der Hand und schneeweißem Gesicht auf ihren Po ins Gras. Geist Dieter und Plaulina eilten zu ihr, halfen ihr auf die Beine und fragten, ob sie sich verletzt habe, aber Margitta konnte nicht antworten, da sie aus dem Niesen nicht herauskam.

Als Margitta aufhörte zu niesen und ihr Schnupftuch aus dem Gesicht nahm, mussten alle plötzlich lachen, so komisch sah sie mit dem Puder in Gesicht und Haaren aus. „Ja, lacht nur!“, sagte Margitta. „Da wollte ich mich noch schnell etwas hübsch machen für euch, aber das ist ja voll danebengegangen.“ Sie musste selbst über ihr Missgeschick lachen, als sie in den Spiegel der Puderdose sah. „Komm setz dich, Margitta!“, sagte Geist Dieter, „es sind alle schon da. Lasst uns Tee trinken und die Kekse von Plaulina probieren.“ Er begann auch gleich zu erzählen, was sich in der letzten Zeit im Schloss Dreilützow, wo er wohnt, ereignet hatte. Auch die weiße Frau und die Prinzessin vom Rübensee wussten Neuigkeiten zu berichten, und so verging Stunde um Stunde in der Vollmondnacht. Als es anfing zu dämmern, machten sich alle Gäste bis auf Margitta auf den Nachhauseweg und verabredeten sich zur nächsten Vollmondnacht in ihrem Hexenhaus.

Plaulina wollte noch, bevor Margitta sich auf den Weg machte, wissen, was mit ihrem Besen los war. Margitta erzählte ihr, dass der Besen nicht wie immer an der Tür stand, sondern dass sie ihn unter dem Bett gefunden hatte, dass er sich auf dem Flug eigenartig verhielt und sie deshalb im Heuhaufen gelandet war. Hexe Plaulina schaute sich den Besen an und staunte nicht schlecht, als sie sah, dass der Besen kaum noch Reisig hatte. „Also Margitta, dein Besen muss unbedingt mit neuem Reisig gebunden werden, um sicher zu fliegen.“ „Gleich morgen werde ich neues Reisig besorgen, Plaulina. Das hätte ich auch selber sehen können, dass das Reisig zu kurz geworden ist und ausfällt. Ich habe noch eine Bitte. Könntest du mir das Rezept von den Keksen aufschreiben? Ich würde sie gerne in meiner Backstube backen und zum nächsten Vollmondtreffen unseren Freunden servieren.“

„Sei nicht böse, Margitta. Das ist ein altes Familienrezept. Das kann ich dir nicht aufschreiben. Hexengeheimnis. Aber ich kann dir die zwölf Zutaten mitgeben und dann probierst du es zu Hause selber aus und bei der nächsten Vollmondnacht verkosten wir sie.“ „Ja, eine gute Idee, Plaulina, so können wir das machen.“ Die Hexe Margitta verstaute die zwölf Zutaten für die Kekse in ihrem Bündel, knotete es am Besenstiel fest und zog die Schnur um das Reisig zusammen, so dass auf dem Flug nach Hause nichts mehr verloren gehen konnte. Die beiden Hexen verabschiedeten sich und Margitta machte sich mit den ersten Sonnenstrahlen auf den Weg zu ihrem Hexenhaus.

Da angekommen nahm sie das Bündel vom Besenstiel, packte die Zutaten aus und legte sie auf den Tisch. Margitta bemerkte sofort, dass etwas fehlte. Die zwei Eier waren nicht mehr im Bündel. „Sie müssen herausgefallen sein“, dachte sie, „als der Besen einen großen Bogen geflogen war. Na gut,“ dachte sie, „die Eier kann ich ja mit meinem Besen bis zum Treffen mit den Freunden herbeizaubern und dann backe ich die Kekse für die Vollmondnacht.“

Bevor sich Hexe Margitta schlafen legte, nahm sie einen Zettel, schrieb alle mitgebrachten Zutaten darauf und legte ihn in die Tischschublade. Die Hexe verschlief den ganzen Tag und die halbe Nacht. Erst durch Donnerschläge wachte sie auf. Sie trat ans Fenster, schaute den Blitzen am Himmel zu und zählte mit ihren Fingern, bis der Donner zu hören war. Das machen alle Hexen so, um festzustellen, wie weit weg das Gewitter ist. Margitta hatte eigentlich vor, nach Zabel zu fliegen, um das Zauberreisig von der Holzsammlerin für ihren Besen zu holen. Bei so einem Wetter aber ist das Fliegen auch für Hexen sehr gefährlich, also musste sie auf besseres Wetter hoffen.

Aber auch an den nächsten Tagen regnete es, und wenn es nicht regnete, dann fegte ein Sturm über das Land und es war gar nicht daran zu denken, nach Zabel zu fliegen. Also beschäftigte sich Margitta in dieser Zeit mit Hausarbeit. Sie räumte Schränke, Truhen und alle ihre Schubladen auf und schaute ab und zu aus dem Fenster, ob sich das Wetter beruhigt hätte. Es waren zwar noch einige Tage bis zur Vollmondnacht, aber Margitta entschloss sich schon mal, die Kekse für ihre Freunde zu backen. Sie holte alle Zutaten aus dem Schrank, stellte sie auf den Tisch, suchte nach einer großen Schüssel und holte ihren Besen, um die fehlenden Eier herbei zu zaubern. Sie stuckte den Besen wie immer dreimal auf den Fußboden und wünschte sich zwei Eier. Aber statt der Eier flogen plötzlich die Tüten mit Mehl, Zucker, Rosinen, Mandeln, Erbsen, Bohnen und allem dem, was im Schrank stand, durch das Hexenhaus.

Erschrocken darüber, dass der Zauber nicht geklappt hatte, stauchte sie den Besen immer doller auf den Fußboden, um dem Zauber Einhalt zu gebieten. Als der letzte Reisigzweig am Besen auch noch zerbrach, fielen alle Tüten und Dosen plötzlich herab. Margitta schlug die Hände über sich zusammen und war den Tränen nahe. All ihr Putzen in den letzten Tagen war in wenigen Sekunden dahin. Mehl, Zucker, Erbsen, selbst der Honig hatten sich über all ihre Möbel und Fußböden verteilt. Auf dem Tisch, wo die Zutaten für die Kekse bereitstanden, war ein völliges Durcheinander.

Hexe Margitta versuchte, ihren Besen noch einmal dazu zu bewegen, die Unordnung zu beseitigen, aber er hatte seine Zauberkraft verloren. Margitta sah den kleinen Reisigzweig auf der Erde liegen, hob ihn auf und legte ihn auf den Tisch. Nachdem sie den Besenstiel an seinen Platz neben der Tür gestellt hatte, schaute sie ihn traurig an und ärgerte sich sehr über ihre eigene Nachlässigkeit, den Besen nicht gepflegt zu haben. „Ach, wenn nur das schlechte Wetter aufhören würde, damit ich zur Holzsammlerin fliegen kann, um Reisig zu holen. Ach, fliegen geht ja nicht. Ich muss wohl oder übel zu Fuß gehen. Das aber geschieht mir Recht. Warum habe ich auch den Besen so schlecht behandelt?“, dachte Margitta. Sie schob das Stück Reisig auf dem Tisch zur Seite, um ihn sauberzumachen.

Da bemerkte sie, dass da, wo das Reisig lag, der Tisch plötzlich sauber war. Sie zog das kleine Reisigstück hin und her, lief damit durch das ganze Haus und wie von Zauberhand war das Durcheinander verschwunden. Ein Lächeln machte sich auf dem Gesicht von Margitta breit und sie strahlte wie die Sonne, als alles wieder an seinem Platz stand, als wäre nichts geschehen. Nur bei den Zutaten für die Kekse bemerkte die Hexe, dass es nicht elf, sondern fünf mehr waren. Da sie nicht mehr wusste, welche Zutaten ihr Plaulina mitgegeben hatte, holte sie ihren Zettel aus der Schublade und verglich diese mit denen auf dem Tisch, es waren 15 Zutaten. Verwundert zählte Margitta alles noch einmal nach. Aber das Ergebnis war das gleiche: 15 auf dem Tisch, 15 auf dem Zettel. Margitta fielen die Worte von Plaulina ein: „12 Monate – 12 Zutaten – da kannst du nichts falsch machen.“ Nur welche sind die Richtigen?“, fragte sich die Hexe. Und die zwei Eier, die sie herbeizaubern wollte, fehlten ja auch noch. Während sie das Feuer im Ofen anzündete, überlegte sie, welche Zutaten sie im Teig weglassen und trotzdem ihren Freunden geschmackvolle Kekse anbieten könnte.

Die Buntmalerin hatte das Missgeschick der Hexe Margitta mit einem Schmunzeln im Gesicht beobachtet, als sie die Gewitterwolken über dem Hexenhaus gemalt hatte, und entschloss sich, ihr zu helfen. Sie zog einen kleinen Pinsel aus der Hutkrempe, tauchte ihn in die cremefarbene Dose und malte zwei Eier auf den Tisch der Hexe Margitta. Mit dem Pinselstiel stupste sie die Eier an, so dass sie sich auf der Tischplatte wie ein Kreisel drehten. Margitta hörte das Geräusch, das die drehenden Eier auf den Tisch verursachten, und schaute auf. Sie trat an den Tisch, schlug die Hände zusammen und fragte: „Wo kommt ihr denn so plötzlich her?“ „Ich habe sie dir gemalt“, sprach die Buntmalerin zur Hexe.

Margitta schaute sich verwundert um, konnte aber niemanden entdecken. „Du kannst mich nicht sehen, Margitta. Ich bin die Buntmalerin und male jeden Tag das Land Mecklenburg mit meinen vielen Farben an. Ich habe gesehen, dass dein Besen keine Zauberkraft mehr hat und du für den Teig noch die fehlenden Eier brauchst.“ „Vielen Dank, Buntmalerin, für diese Hilfe. Nun kann ich doch noch rechtzeitig die Kekse für die Vollmondnacht backen.“ Sie nahm die große Schüssel und schüttete das, was auf dem Tisch stand, hinein, schlug die Eier dazu und rührte mit dem Holzlöffel alles zu einem festen Teig zusammen. Sie probierte von dem fertigen Teig, bevor sie die Kekse formte, und befand ihn auch mit 16 Zutaten schmackhaft. Damit jeder wusste, dass Margitta die Kekse gebacken hatte, drückte sie jedem Keks ihren Hexenstempel auf. Die Hexe vergaß beim Backen alles um sich herum, trällerte vor sich hin, als ein Blech nach dem anderen im Ofen verschwand und wieder mit goldgelb gebackenen Keksen herauskam. Ein bezaubernder Duft durchzog das Hexenhaus und sie hätte am liebsten in alle Kekse gebissen, um keinen abgeben zu müssen. Es war spät geworden, als Hexe Margitta die letzten Kekse in eine Dose legte, diese verschloss und auf das Regal zu den anderen stellte.

Das Wetter hatte sich gebessert und Margitta machte sich am frühen Morgen mit dem Besenstiel in der Hand auf nach Zabel, um das Reisig für ihren Besen bei der Holzsammlerin auszusuchen. Sie lief so schnell sie konnte über Wiesen und Felder, über Brücken und durch Wälder, bis sie endlich deren Haus erreichte. Die Holzsammlerin freute sich über den Besuch von Hexe Margitta, denn sie hatten sich schon lange nicht gesehen. Bei einer Tasse Tee erzählte Margitta, wie nachlässig sie mit ihrem Besen umgegangen war und dass sie Hilfe von der Buntmalerin, die man aber nicht sehen kann, erhalten hatte. Da Margitta am Abend zurück sein musste, um die Vollmondnacht vorzubereiten, half die Holzsammlerin ihr, die richtigen Zweige für den Besen auszusuchen. Margitta legte die Zweige Schicht für Schicht um den Besenstiel und zog diese mit einer starken Schnur fest zusammen. Damit kein Reisig mehr herausfallen konnte, umwickelte sie es mit der restlichen Schnur und verknotete sie am Stiel.

Der Besen war sehr schön geworden und die Holzsammlerin stauchte ihn mehrfach auf die Erde, um sicher zu sein, dass auch das Zauberreisig fest am Besenstiel gebunden war. Margitta war froh, dass sie nun einen neuen Besen hatte und mit ihm wieder nach Hause fliegen konnte.
Margitta setzte sich auf den neuen Besen, der sich auch sogleich in die Luft erhob, und flog eine Runde über das Haus der Holzsammlerin. Als Margitta wieder auf der Erde stand, öffnete sie ihr Bündel, holte einige Kekse hervor, die sie gebacken hatte, und bedankte sich damit bei der Holzsammlerin. „Vielen Dank, Margitta und komme gut nach Hause!“ „Das werde ich“, sprach Margitta und schon war sie mit dem Besen in der Luft und flog davon.

Die Hexe schaute immer wieder zum Besen, der an seiner alten Stelle an der Tür stand, und freute sich, dass er so gut gelungen war. Margitta holte Tassen und Teller hervor, verteilte sie auf dem Tisch, heizte den Ofen an und stellte den Teekessel mit Wasser darauf. Der Vollmond stand schon am Abendhimmel, die Sterne leisteten ihm Gesellschaft und funkelten ihn aus allen Richtungen an. Margitta wollte gerade die Keksdosen vom Regal holen, als die weiße Frau durch die geschlossene Tür des Hexenhauses eintrat. Geist Dieter kam durch den Schornstein, nahm den Teekessel vom Ofen und brühte frischen Tee auf. Hexe Plaulina und die Kräuterhexe aus Boizenburg schlüpften durch das kleine Fenster und stellten ihre Besen neben den von Margitta an der Tür ab. Die Riesenfrauen und -männer von Poel und Dassow machten sich so klein wie sie konnten, um mit den Köpfen nicht an der Decke anzustoßen. Undine stellte ihren Kelch mit den Tränen auf dem Tisch ab und nahm Hexe Margitta die Keksdosen ab. Der Räuber wurde von der Prinzessin und dem Mönch begleitet und sie machten sich sogleich an den Keksdosen, die auf dem Tisch standen, zu schaffen. Das Burgfräulein und die Burgfrau mit ihrem Spielmann ermahnten die drei, sich zu benehmen.

Auch wenn die Fischerin und Lindine noch nicht herangeschwebt waren, bat Margitta alle, sich an den Tisch zu setzen, Tee einzugießen und von den Keksen zu probieren. Die erste Keksdose wurde mit Trommelschlägen des Trommlers geöffnet und die Verkostung der Kekse nahm ihren Lauf. Als Undine die zweite Dose öffnete, schaute der Teufel kauend heraus und stopfte sich einen Keks nach dem anderen in seinen vollen Mund. Margitta packte sein Ohr und zog ihn aus der Dose. Aber was war das? Da steckte ja noch einer drin! Als sie ihn herausholen wollte, machte sich das Wallmännchen mit den Händen voller Kekse aus dem Staub und setzte sich auf das Regal neben dem Ofen. „Ich habe euch beide gar nicht kommen sehen. Und warum habt ihr euch in der Dose versteckt?“

„Der Duft der Kekse hat uns in die Dose gelockt. Und, liebe Hexe Margitta, hast du vergessen, dass wir Geister sind?“ „Du hast recht, Wallmänchen, manchmal vergesse ich das tatsächlich. Meine Kekse scheinen euch ja zu schmecken, denn diese Dose ist auch leer.“ „Ja,“ sagte Plaulina. „Sie schmecken sehr gut, besser als meine. Sind da alle zwölf Zutaten von mir drin?“ Margitta musste lächeln und sagte: „Ja, alle zwölf.“ Hexe Plaulina konnte man im Backen nichts vormachen, denn sie hatte längst gemerkt, dass es nicht ihr Keksrezept war.

Plaulina fragte Margitta, was sie noch alles in den Teig getan hätte außer den Zutaten von ihr, aber Margitta erinnerte Plaulina daran, was sie zu ihr gesagt hatte: „Das bleibt mein Hexengeheimnis.“ Beide Hexen lachten noch lange über das sogenannte Hexengeheimnis. Die Geister und Hexen unterhielten sich über dies und das, scherzten miteinander und begutachteten den neuen Besen von Margitta. Die Freunde nutzten die Gelegenheit und machten einen Probeflug um das Hexenhaus in der Vollmondnacht. Der dicke Mond und die Sterne schauten dem lustigen Treiben der Geister zu, bis die Sonne sich am Horizont ihren Weg bahnte und der Mond sich langsam verabschieden musste. Auch für Margittas Gäste wurde es Zeit, sich zu verabschieden und den Weg nach Hause anzutreten. Sie bedankten sich für die schöne Vollmondnacht und freuten sich schon auf ein Wiedersehen.

Autor: Wolfgang Woitag

Veelböken: Der Teufel ist auch nur ein Mensch
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Wenige Kilometer südlich von Demmin, die Landstraße in Richtung Tützpatz und Altentreptow entlang, kommt man in das Dorf Gatschow. Tatsächlich ist der Steinübersäte, als Weide genutzte Wallberg ein so schöner Platz, dass er der Sage nach auch dem Teufel gefiel.

Dieses Naturerlebnis am Rande des Dorfes ist der Eiszeit zu danken. Durch die Rückschmelze der Eismassen wurden Gerölle über die Gletscherbäche an diesem Wall angehäuft. Ein größerer Gneisblock aus Südschweden im Norden des Dorfes wird mit dem Teufel in Verbindung gebracht.

Der Teufel machte vor vielen hundert Jahren eine Reise zum Zeitvertreib und kam ins Vorpommersche Gatschow. Sich auf dem Wallberg in der Sonne erholend, wurde er durstig und trank im nahegelegenen Gasthaus acht Stunden lang starkes Bier. Beim Bezahlen wollte er dem Wirt nicht glauben, dass er so viel getrunken hätte. Wütend warf er das Geld auf den Tresen und flog nach Schweden davon.

Mit einem etwa zwei Kubikmeter großen, sattelförmigen Findling aus rötlichem Granit, der auf dem Wirtshaus landen sollte, flog er nachts zurück. Doch die Demminer Turmuhr schlug gerade eins – da entglitt dem Teufel der Stein und fiel auf den Wallberg. Der Leibhaftige schlief dort auf einer Weide noch seinen Rausch aus, um sich dann nüchtern mit einem hohen Geldbetrag beim Wirt zu entschuldigen. Wenn er nicht gerade betrunken ist, so weiß man in Gatschow, sei der Teufel „ein recht umgänglicher Kerl“.

Autor: Dr. Hartmut Schmied: Geister, Götter, Teufelssteine. Hinstorff Verlag

Paetrow: Der Teufelsstein
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Zwischen Gadebusch und Güstow liegt der Teufelsstein. Weil es dauernd Streit gegeben hat, wo die Grenze zwischen den Gadebuschern und Güstowern verläuft, kam der Teufel des Weges mit einem großen Stein auf der Schulter. Diesen warf er zwischen die Streitenden und sagte: “Hier soll die Grenze zwischen euren Dörfern sein“. Der Stein ist heute noch zu sehen. Seitdem hat es keinen Streit mehr zwischen den Bauern von Passow und Güstow gegeben. Es soll vorkommen, so sagen es die alten im Dorf, dass der Teufel zur Mitternacht dort in der Feldmark umherschleicht, um nachzusehen, ob der Stein noch an seiner Stelle liegt.

Die Geschichte wäre jetzt zu Ende, wenn nicht der Teufel so nachlässig gewesen wäre.

Der Stein, der über viele, viele Jahre immer noch da lag, wo der Teufel ihn hingeworfen hatte, und die Bauern friedlich miteinander umgingen, wurde der Teufel auch nicht mehr so oft auf dem Feldern der Bauern gesehen. Aber die hüglige Landschaft machte den Bauern von Güstow und Passow von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen, da sich das Regenwasser in den kleinen Kuhlen sammelte und der Acker dadurch an Fläche verlor. Die Bauern waren sich einig, einen Graben zur Entwässerung ihrer Felder zu ziehen. Da der Stein des Teufels genau da lag, wo der Graben verlaufen sollte, beschlossen sie, den Stein am Feldrand von Passow abzulegen, gleich neben der Straße nach Gadebusch. Da sie all die Jahre gut miteinander ausgekommen waren, hatten sie auch keine Bedenken, dass der Teufel Einwände erheben würde, den Stein aus dem Weg zu räumen.

Es bedurfte 30 Ochsen und starker Seile den Teufelsstein zum Feldrand zu rollen. Sogleich machten sie sich an die Arbeit und zogen einen Graben durch die Feldmark. Die Bauern bestellten nun ihre Felder Jahr ein Jahr aus und keiner dachte mehr an den Teufel und an seinen Stein. Der Stein indes versank im Laufe der Jahre durch sein Gewicht immer mehr in den Boden, und man sah nur noch ein Teil von ihm herausschauen.
Ein neu zugezogener Mann aus Paetrow fuhr öfters an diesen Stein vorbei, wenn er nach Gadebusch fuhr, um seine Besorgungen zu machen. Er verliebte sich nahezu in den Stein und wolle ihn unbedingt für sich haben. Nur alleine konnte er den Stein nicht bewegen und bat daher die Bauern, ihm dabei zu helfen, den Stein nach Paetrow zu schaffen.

Die Bauern hatten kein gutes Gefühl, den Stein ein zweites Mal zu bewegen, denn sie wussten von ihren Vätern und Großvätern, was es mit diesem Stein auf sich hatte und rieten den Mann ab, den Stein zu bewegen. Doch er war so besessen ihn zu besitzen und versuchte, die Bauern doch noch auf seine Seite zu ziehen. Er lud sie zu einem Trinkgelage in die Schenke nach Paetrow ein und lenkte ganz geschickt das Gespräch auf den Stein, nachdem die Bauern einige Pott Bier getrunken hatten. Der Gastgeber konnte einige Bauern davon überzeugen, ihm zu helfen, den Stein nach Paetrow zu schaffen, um ihn zur Schau zu stellen. Einer der Bauern warnte die Hitzköpfe und riet ihnen von ihrem Vorhaben ab. Der Bauer merkte, dass er kein Gehör fand und verließ die Schenke mit den Worten: „Ihr solltet euch nicht mit dem Teufel anlegen“. „Ach was“, rief der Neuzugezogene hinterher : “Teufel, alles nur Geschwätz“. Er war davon überzeugt, dass er diesen Stein mit Hilfe der Bauern ruckzuck nach Paetrow in seinen Vorgarten bringen würde. Einige meinten, das werde ihm nicht gelingen, da der Stein nach Überlieferung von 30 Ochsen bewegt wurde, und wer hat heute noch Ochsen im Stall. Da er keine Ruhe gab und diesen Stein unbedingt haben wollte, schlossen die Männer in ihrer Bierlaune eine Wette ab. So kam es, dass man einen Tag und eine Zeit festlegte, sich am Stein zur Bergung zu treffen. Das halbe Dorf machte sich auf den Weg, um bei diesem Spektakel dabei zu sein. Sie wollten mit eigenen Augen sehen, wie er den Stein bergen und nach Paetrow schaffen wollte. Mit schwerem Gerät versuchte man dem Stein beizukommen, aber die Gerätschaften waren dem Teufelsstein nicht gewachsen. Der Mann musste klein beigeben und sich eingestehen, dass er den Mund zu voll genommen hatte.

Da er die Wette aber nicht verlieren wollte, wurde ein zweiter Versuch vereinbart. Viele Schaulustige machten sich abermals auf den Weg, um bei dem zweiten Versuch, den Stein zu heben, dabei zu sein. Einige Bauern waren immer noch skeptisch, diesen Stein zu bewegen, aber ihre Bedenken gingen in der Feierlaune der Schaulustigen unter. Was die Männer nicht wussten war, dass der Teufel in Gestalt eines Beamten ihnen schon lange im Nacken saß. Mit vielen Paragraphen und Verordnungen in der Aktentasche machte er sich auf den Weg nach Paetrow.

Teufelstein

Es gelang mit viel Mühe den Stein, der Jahrhunderte am Feldrand gelegen hatte, nach Paetrow zu schaffen und ihn in seiner ganzen Größe aufzustellen. Der Neuzugezogene hatte die Wette zwar gewonnen und glaubte nun, den Stein seiner Begierde zu besitzen, aber er hatte nicht mit dem Teufel gerechnet. Die Freude darüber, dass der Teufelsstein nun in Paetrow steht, wurde allen Beteiligten und Schaulustigen mit einem riesigen Aufschrei des Teufels genommen. Der Teufel war außer sich, dass der Stein nicht mehr an seiner Stelle lag und ohne sein Wissen nicht mehr den Bauern als Grenze diente. Er schrie und so laut, dass im ganzen Land zu hören war, was sich in Paetrow zugetragen hatte.

Er kramte in seiner Aktentasche, holte eine Verordnung nach der anderen heraus und verteilte diese an die Übeltäter. Der Teufel verlangte, dass der Stein an seine ursprüngliche Stelle zurückgebracht werde, auf das Feld der Bauern. Der Neuzugezogene bedauerte und entschuldigte sich beim Teufel, aber den Stein könne er nicht noch einmal bewegen. Daraufhin griff der Teufel voller Wut nach dem Stein, legte ihn auf seine Schulter und wollte ihn nach Passow auf das Feld der Bauern zurückbringen. Die Bauern flehten den Teufel an, den Stein nicht mehr auf ihren Acker abzulegen, den an der Stelle sei jetzt ein Graben, den die Bauern unbedingt für die Entwässerung der Felder benötigten. Der Teufel glaubte nicht was er da hörte und legte den Stein wieder ab. Er kramte noch einmal in seiner Aktentasche und holte einige Paragraphen hervor und gab sie dem Neuzugezogenen und den Bauern. Er war zwar wütend darüber, dass sein Stein in dem privaten Besitz eines einzelnen Menschen durch eine Wette gelangt war und verkündete, dass dieser Stein sein Eigentum sei und keiner das Recht hatte, ihn alleine zu besitzen. Von nun an sollten alle diesen Stein sehen und keiner sollte es je noch einmal wagen, ihn zu bewegen. Der Teufel bestrafte alle empfindlich und verhängte, dass sein Stein nicht nur einem Einzelnen gehören möge, sondern allen Menschen zugänglich gemacht werde.

Auf dem Radweg nach Gadebusch markiert ein weißes Kreuz die Stelle, an welcher der Stein einmal gelegen hat. Heute geht der Radweg genau darüber.

Text : Original-Sage von Otto Kniepcke (Einblicke Heft 1, KV GDB), weitererzählt von Wolfgang Woitag 17.09.22

Gadebusch: Der Totentanz von Gadebusch
Textversion

Ein Schneider aus Gadebusch, der es liebte, lange im Wirtshaus zu sitzen, entdeckte einmal auf dem mitternächtlichen Heimweg in der Kirche einen hellen Lichtschein. Neugierig öffnete er die Tür. Da erblickte er vorn am Altar die Geister der Toten, die in langen weißen Gewändern im Kreis tanzten.
Das Bier hatte ihn mutiger gemacht, als ratsam war, und so wagte er sich weiter in die Kirche hinein. Doch kaum hatten ihn die Toten erblickt, fuhren sie auf ihn los. Der Schneider rannte um sein Leben und gelangte gerade noch bis zur Tür, die er krachend hinter sich zuschlug, aber so hastig, daß ein Zipfel seines Rockschosses eingeklemmt wurde. Da ihm sein Leben teurer war als sein Rock, riß er sich von der Tür los und eilte atemlos nach Hause.
Am nächsten Morgen konnte er sehen, daß er gut daran getan hatte, seinen Rockzipfel im Stich zu lassen. Denn der Stoff war in tausend Stücke zerrissen worden, die überall in der Kirche verstreut lagen.

De Dodendanz vun Gadbusch

Ein Schnieder ut Gadbusch, de heil giern heil lang in’n Kraug sitten ded, wier mal eins Schlag Middernacht up den Weg na Hus. Dor markt hei, dat ut de Kark ein hellüchten Licht schient. Niegierig makt hei de Karkendör up. Dor süht hei vörn an’n Altor de Späukels vun de Doden, de in lang un witt wallen Kleeder in ein runnen Reigen danzen deden. Dat Beer, wat hei drunken harr, dat harr em miehr Kraasch gäben, as nu gaud för em wier, un so wagt hei sik ümmer wieder rin in de Kark. Öwer knapp wiern de Doden em gewohr worden, dor güngen sei up em los. De Schnieder rönn üm sien Läben un keem grad noch äben bet tau de Dör, de hei mit Kawumm achter sik tauschloeg.
Dat güng öwer so holter-di-polter, dat ein Zippel vun sien Kledasch inklemmt würr. Wiel em öwer sien Läben dürer wier as de Rock, reet hei sik vun de Dör los un peste, heil ut de Pust, na Hus.
Annern Morgen kunn hei seihn, dat hei man gaud an dahn harr, sien Kledaschenzippel in de Dör sticken tau laten. Denn dat Tüch wier in dusend Stücken räten, de öwerall in de Kark herümme lägen.

Quelle:
Gottfried Müller, Klaus G. Beyer: Das Geschenk des Mönchs, Ev. Verlagsanstalt Berlin; in ähnlicher Fassung bei Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg, erzählt von E. H. H. Schmidt, ins Plattdeutsche übersetzt von Thomas Lenz

Gadebusch: Funken-Kuhl
Textversion

Es befindet sich auf der Gadebuscher Feldmark, nicht sehr weit vom Torfmoore, ein kleiner Teich, Funken-Kuhl genannt. Dieser soll gegen Hexen als Gottesgericht gebraucht sein.
Wurde nämlich eine Frau der Hexerei angeklagt, so setzte man sie auf ein schiefes Brett und ließ sie von da in den Teich rutschen. Gelangte sie wohlbehalten ans entgegengesetzte Ufer, so galt sie für unschuldig; ging sie aber unter, so wurde sie als Hexe betrachtet und der erfolgte Tod als gerechte Belohnung angesehen.
Die letzte Hexe nun, die so im Teich ersoff, hieß „Funksch“ und daher rührt auch der Name der Kuhle.
Leute, die zur Nachtzeit übers Feld kamen, hörten in langgedehnten Tönen über den Teich herrufen:
„Funksch, hal Geld!
Funksch, hal Geld!“

E. H. H. Schmidt

Gadebusch: Die Geschichte vom Trommler von Gadebusch
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In dem großen Krieg, der lang war wie ein Menschenleben fast, machte ein Feldherr auch in Gadebusch Quartier. Er war fremd im Mecklenburger Land und hatte trotz seiner Macht große Angst vor Feinden. Er wohnte auf der Burg, die damals schon ein prächtiges Schloss war und eng mit der Stadt verbunden. Er hatte gehört, dass es einen geheimen Gang gab von der Kirche der Stadt hinauf in die Burg und er wollte ihn kennen und ausbauen lassen. Man fand auch eine Stelle, die ein Eingang hätte sein können, aber niemand wollte in den halb verfallenen Gang hinein. Freiwillig nicht. Da hatte der Feldherr einen Trommler, der hatte im Dienst eine Unachtsamkeit begangen und wartete auf seine Strafe. Er war dem Feldherrn tief ergeben und bat, den Gang ausforschen zu dürfen, dafür sollte ihm seine Strafe erlassen werden. Der Feldherr stimmte zu. Der Trommler ging in den Gang hinein, und damit die, die draußen blieben, den Verlauf des Ganges und den Verbleib des Jungen genau vermerken konnten, trommelte er ohne Unterlass. Sicher übertönte er damit auch seine Angst. Man hörte sein Schlagen lange Zeit und vermeinte es noch Stunden später zu hören. Man wartete Stunden und Tage auf seine Rückkehr, aber er kam nicht wieder aus dem feuchten Verließ zurück. Seine Kameraden horchten, und es horchten die Bürger der Stadt, denn es dauerte sie das Schicksal des Knaben. Noch heute, wenn die Leute nachts heimkommen und durch die stillen Straßen gehen, hören sie, wenn sie angestrengt horchen, das Trommeln. Aber es ist vielleicht auch nur das Trommeln ihres Herzens.“

E.H.H. Schmidt

Holdorf: Geschichte Holdorf
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Willkommen auf der Holdorfer Bank. Ihr seid hier auf der Hälfte des Weges zwischen Rehna im Norden und Gadebusch im Süden. Ich bin noch ganz neu, aber die Orte Holdorf und Meetzen westlich dieses Platzes sind bald 800 Jahre alt. Die beiden Dörfer sind heute, gemeinsam mit Steinmannshagen, eine Gemeinde.

Lehnt euch zurück, hinter euch der „Riesenbarg“ und vor euch mäandert das Flüsschen „Radegast“ durch die Wiesen, und ich sage euch ein bisschen was zu dieser schönen Gegend. Holdorf, der „Ort am Wald“, und Meetzen, der „Ort des Schwertes“-, sind slawischen Ursprungs und wurden bereits 1230 erstmals urkundlich erwähnt. Beide waren bis zum Ende des 2. Weltkrieges Gutsdörfer. Heute hat die Gemeinde etwa 400 Einwohner.

Aber schon vor etwa 4.000 Jahren lebten hier Menschen. Das haben 2017 Ausgrabungen im Zusammenhang mit dem Radwegebau belegt. Auch die Hügelgräber auf der anderen Seite der Radegast im Hundorfer Wald sind aus dieser lang vergangenen Zeit. Der Name der Radegast geht übrigens auf den slawischen Kriegsgott „Radegast“ zurück.

Holdorf liegt seit etwa 120 Jahren an der Bahnstrecke Schwerin – Rehna und alle Stunde kann man einsteigen. Der Traum von der Bahnverbindung über Rehna hinaus und damit bis zur Hansestadt Lübeck ist noch nicht ausgeträumt und vielleicht wird er doch noch Wirklichkeit?

Das wohl älteste Bauwerk der Gemeinde befindet sich aber in Meetzen. Es ist die kleine Fachwerkkapelle, so um 1751 erbaut, die jetzt wieder schön hergerichtet ist. In Meetzen ist auch eine Außenstelle des Landesfeuerwehrmuseums, die besonders Technikbegeisterte sicher toll finden werden.

Noch ein Stückchen weiter, gleich hinter Steinmannshagen, haben wir die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee. Die dortige Kneeser Bäk fließt in Richtung Nordsee, das Wasser der Radegast hier in Holdorf macht sich über die Stepenitz auf in die Ostsee.

Aber erzählen will ich noch eine andere Geschichte:
Wer in die nächsten Dörfer – Benzin, Stresdorf, Klein Hundorf – etwas nördlich von hier will oder auch zu den Hügelgräbern im Hundorfer Wald unterwegs ist, lässt den Bahnhof im wahrsten Sinne des Wortes links liegen und nutzt die Brücke über die Radegast.

In der Mitte des Flüsschens befand sich die „Grenze“ zwischen den Bauerndörfern und dem Gut Holdorf. Demzufolge war auch die Brücke zweigeteilt und ich kann euch sagen, sie war oft Anlass zu Streit. Bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bestand die Holdorfer Brückenhälfte aus Holz, noch aus Gutszeiten, und die andere Seite aus Beton. Erst dann wurde die Brücke ein Gesamtbauwerk und verbindet heute die Menschen dies- und jenseits der Radegast in einem guten Miteinander.
So, wenn ihr wollt, verweilt noch ein bisschen bei mir.

Vielleicht macht ihr euch aber auch auf nach Holdorf, Meetzen oder zur Radegastbrücke? Auf eurem Weg entlang der Sagen- und Märchenstraße wünsche ich euch alles Gute und noch viele Entdeckungen und vielleicht kehrt ihr auch mal wieder bei mir ein. Ich würde mich freuen.

Dutzow: Unterirdisches in Dutzow
Textversion

Am 26. Januar 1722 fing es im Hause Joachim Dunkelmann’s in Sandfeld, das zum Gute Dutzow gehört, an zu spuken mit heftigem Rumoren und allerlei seltsamen Aufzügen und Affenspiel. Der Verwalter von Dutzow, Heinrich Georg Haenell, hat Alles ordentlich aufgeschrieben, von Tag zu Tag, und nachher hat der Notarius Rüdemann von Gadebusch am 23. April 1722 siebenundzwanzig Zeugen nach abgenommenen Zeugeneid darüber vernommen, und sie haben es bekräftigt, daß Alles geschehen sei, wie es niedergeschrieben, und die Geschichte ist in Hamburg gedruckt worden.
Damit fing es zuerst an, daß die brennende Lampe auf der Diele weggenommen ward, und es waren alle Leute dabei gegenwärtig und doch konnte man nicht sehen, wo sie geblieben, und man hat sie auch nicht wiederfinden können. Als man sich andere Lampen lieh, da sind sie alle weggekommen.

Am 26. Januar aber ging gegen Abend, als es bald finster werden wollte, das Rumoren erst recht an, Alles, was in der Stube war, ward untereinander geworfen, und als am folgenden Tag den Leuten, alles, was auf den Borten war, um die Köpfe geworfen ward, konnten sie doch Niemand sehen, der es tat. So ging es mehrere Tage lang, es wurden Türen und Wände zerschlagen und nichts blieb an seiner Stelle. Der Beutel mit Bohnen lief im Garten fort und man sah doch keinen, der ihn fortschleppte. Mit Dornen hatte man das Loch in der Wand verstopft, Katzen rissen sie wieder heraus, ein Licht, welches man dort fand, konnte man nicht halten und es war verschwunden, ohne daß man weiß, wohin.

Bei all diesem Poltern und Rumoren im Hause ließen sich die zwei fremden Katzen von Dunkelmanns Kindern sehen, aber die Eltern sahen sie nicht. Sie waren aber auch nicht recht wie andere Katzen, sondern bald als ein Hund mit kurzen Ohren, halb grau und halb weißlich. Und diese Katzen haben etliche Male auf dem alten Backofen getanzt und gesprungen, sind aber die Kinder zu ihnen gegangen, so sind sie immer nach Kneese hinwärts gelaufen und sind durch den Kneeser Bach geschwommen und haben sich dann etlichemal umgesehen, gehüpft und gesprungen.

Eines Abends wollten die Kinder vom Hofe Holz einholen, da sahen sie etwas, das auf dem Pfahle saß, so groß etwa wie der kleine Hans von drei Jahren. Und das Ding sah pockennarbig aus und hatte grüne, rotgelbe und blaue Streifen auf dem Leibe und sprang und hüpfte immer auf dem Pfahlwerk. Da kam den Kindern ein Grauen an und sie liefen ins Haus, um die Mutter zu holen. Als diese aber mit ihnen hinausgegangen, da ist das Männlein schon weggewesen.

Alles ward untereinander geworfen, es ist nichts im ganzen Hause festgeblieben. Was in der Stube und Kammer gewesen, ist auf der Diele oder im Garten oder an anderen Orten wiedergefunden. Dabei ward auf die Leute geworfen, sogar mit eisernen Ringen vom Pflugrad, die glühend heiß waren. Und die Bösen hatten vor niemand Scheu, selbst nicht vor dem Verwalter, auch nicht vor dem Sonntag, denn obgleich in der Kirche von Roggendorf um Befreiung gebeten ward, währte doch das Rumoren und Werken mit glühenden Eisen und Steinen fort. Der Deckel von der Lade tat sich von selbst auf und zu, und obgleich sich die zwei größeren Kinder daraufsetzten, konnten sie ihn nicht halten und alles Zeug, das in der Lade war, ward hinausgeworfen. Die Bolten lagen andermal mitten in der Stube und es kam ein so unleidlicher Geruch, daßs man es darin nicht aushalten konnte.

Es war am 6. März. um Mittagszeit, als die Eltern mit den größeren Kindern draußen waren, und der kleine Junge allein in der Stube, wo sie ihn weinen hörten. Und die ältere Schwester fand ihn nicht mehr in der Stube, sondern bei dem alten Backofen, von wo sie ihn wegholte, und da hat das Kind gesagt, daß ihn eine kleine, fremde, ganz weiße Dirne dahingezogen habe.
Als nun die Kinder allesamt im Hause auf der Diele spielten, verloren sich im Augenblick das älteste und das jüngste Mädchen von den Kindern, und als diese es den Eltern anzeigen und sie suchen und rufen, sind sie nirgends zu finden. Nach Verlauf einer halben Stunde stehen die beiden Mädchen wieder auf der Diele, und als sie gefragt werden, wo sie gewesen wären, sagen sie, sie wüssten es nicht. Es wäre ihnen vorgekommen, als wäre die Diele aufgetan und sie auf einer Treppe unter die Erde gegangen und wären in ein großes Haus gekommen, worin sehr viele Manns- und Frauenspersonen gewesen, so aber alle klein, wie der kleine Hans von drei Jahren. Und am anderen Tag sind diese beiden Dirnen abermals weggekommen, die beiden anderen nach einer halben Stunde. Auch der älteste Junge ist von der Seite seiner Mutter weggekommen, kommt aber bald wieder auf die Diele zu stehen und sagt weinend, er sei auch unter der Erde gewesen. Als der Verwalter zu ihnen kommt, fand er, daß alle die Kinder, so ihrem Vorgeben nach unter der Erde gewesen, krank lagen, und war besonders der Junge voller Blasen und Schwären und im Gesicht verschwollen.

Anna Katharina, 13 Jahre, Anna, 12 Jahre, Joachim Heinrich, 10 Jahre und Elisabeth, 5 Jahre alt, erzählen nun, es sei ihnen vorgekommen, als ob sich die Erde vor ihnen auftäte, und wären sie in einem Augenblick auf einer Treppe in die Erde hineingegangen. Da wären sie in ein großes Haus gekommen, so inwendig schön ausgeputzt gewesen und von Gold geglänzt habe. In diesem Haus wären viele ganz kleine Manns­ und Frauenspersonen, welche nur so groß als ihr kleiner Hans gewesen, und hätten krumme Arme und Beine und dabei sehr große dicke Köpfe gehabt. Diese Leute waren sehr beschäftigt, etliche reiseten aus, andere kamen wieder zu Hause, einige kochten sehr viel Essen, andere fütterten das Vieh, als Ochsen, Kühe, Pferde und sofort, die auch da waren, und was dergleichen mehr war, was sie alles nicht so sagen konnten, wie sie es gesehen. Sie wären auch mit diesen Leuten in ihrer Kirche gewesen, wo der Prediger gepredigt hätte und hätten die kleinen Leute sie sehr gebeten, sie sollten doch da bleiben, hätten ihnen auch eine ganze Schürze voll Gold gegeben. Als sie aber darin nicht willigen wollten, hätten sie ihnen das Geld wieder weggenommen und wären im Augenblick wieder auf der Diele gewesen.

Die beiden Mädchen, die zuerst weggewesen, fügten noch hinzu, daß ihnen die kleinen Leute das erste Mal Essen und Trinken angeboten, Anna Katharina habe davon gekostet, weiß aber nicht, wie es geschmeckt. Es wäre auch damals eine schöne Kutsch gefahren kommen und hätten die Leute gesagt, es wäre ihr Oberster, der käme zu Hause. Es haben aber die kleinen Leute den Kindern verboten, nichts nachzusagen oder es würde ihnen sonst nicht gut gehen. Die Kutsch hatte am hellen Tage der Knabe von Kneese kommen sehen und war sie in ihrem Garten in die Erde hineingefahren und verschwunden. Gar viel mehr kann noch die alte Großmutter, wenn sie am Herde sitzt, und die Anderen alle um sie umherstehen, von dem erzählen, was sie erlebt hat, als die Unterirdischen ihr Possenspiel getrieben haben in Dunkelmann’s Hause. Da haben sie gläserne Hafen und Lampen und eine zinnerne Kanne gar possierlich zusammen gebunden und oben am Stubenboden aufgehängt, ein andermal haben sie auf die Erde ein Tischlaken hingedeckt und dies mit Brot und Heringen besetzt und zwei Puppen darneben gestellt, als wenn die essen wollten. Ein andermal, als die Tochter krank im Bette lag, flog daßelbe immer auf und nieder, als wenn die Schweine darunter wühlten, ein Wagen lief von selbst in den Kneeser Bach, mit Stangen ward in die Kammer hineingestoßen, aber niemand sah, wer solchen Unfug anrichtete.

Die Kinder aber konnten die Gespenster sehen. Einmal sahen sie einen großen gelben Hund oben auf dem Stubenboden, der ungemein hässlich und grausam aussah, sein Maul war wie ein Kuhmaul und seine Nase wohl eine Elle lang, die Augen waren so groß wie ein Kindskopf und hatte er nur drei Beine, denn das eine Hinterbein war nicht da, und der setzte die Stubentür mit einer großen Tonne zu, so daß weder die Mutter noch die beiden Wächter hinaus kommen konnten. Ein andermal sahen sie ein weißes Ding als ein Kind in ihrem Kohlhof über den springen, und als es bei dem Namen Nörken (Eleonore) gerufen ward, da stand es stille und sagte, sie sollten ihm die blaue kattunene Schürze bringen, so wollte es auch nicht wieder kommen. Die Schürze ward hingebracht und kam über den Zaun, an dem sie hingelegt war, ohne daß jemand sah, der sie hinüber zog. Gleich darauf berichteten die Kinder, der weiße Geist hätte ihnen gesagt, er sei ein Engel und darum gekommen, daß der große Kettenhund, so im Hause wäre, sie nicht ganz verderbe, sie sollten fleißig beten und sich zu Gott halten.

Er sagte ihnen auch, vor allen Leuten könne er sich nicht sehen lassen, denn die hätten allzu große Sünde getan. Auf den Rat des Geistes stiegen nun Dunkelmann und seine Frau auf den Boden und trieben den Hund fort, der aber niemand sah, und da ward es einen Tag stille. Aber es lagen noch Teufel im Vorschauer, die wurden auch mit Forken herausgetrieben und ein schwarzes Ding wie eine Katze kam heraus, das von einem der Kinder mit einem Steine geworfen wurde, wofür nachher dem Vater ein Beil nachgeschleudert ward, aber es traf ihn nicht.

Ein andermal hatte eine große Maus den ganzen Ladendeckel beschmutzt, als wären Gänse darauf gewesen. Und wie die Geister sagten, wollten sie noch einmal einen „Sluptog doon“, da polterte es arg und die Kinder sahen, wie viele rauhe Dinger, bald wie Kälber, aber nicht so groß, sich vor der großen Tür aufschwangen und anfingen zu fliegen, und ein großer blauer Mann flog hinter ihnen her und hatte eine große Peitsche, womit er die Dinger immer peitschte, die Eltern aber konnten das nicht sehen. Die Kinder aber sahen öfter noch die Gespenster, einmal als einen Jungen, der in der Stube Alles umstellte, dann zwei kleine Frauen, von denen die eine einen Sack voll Mehl auf dem Rücken, die andere zwei kleine Eimer auf einer Wassertracht trug, ein andermal nahm eine kleine weiße Frau dem kranken Kinde den Pfannkuchen weg, dem ihm die Mutter gebacken hatte. Und noch viel mehr ist geschehen, Lebensmittel wurden weggenommen, dem Kinde die Kleider vom Leibe gerissen, mit Unflat und Gestank die Stube besudelt, man kann lange davon erzählen, denn es hat bis zum 30. März, also etwa neun Wochen, getobt.

Endlich gelang es dem Pastor Adam Joachim Eckhardi in Roggendorf, die Unterirdischen wegzubeten, und so zogen sie von dannen. Es erschien eines Tages ein keines graues Männlein im Fischerhause am Schalsee und hat den Fischer gedungen, es den ganzen Tag über die Enge des Sees von Ufer zu Ufer unaufhörlich hin und her zu fahren. Und als der Fischer nun so fährt, da sieht er mit Erstaunen, daß sein Boot auf der Fahrt nach Jenseits so tief geht, und wenn er zurückkehrt so flach. Da fragt er denn endlich seinen grauen Gefährten, woher das so seltsam mit dem Kahne wohl sei. Da hat ihm das Männlein die Augen geöffnet und er sieht, wie über die Lüneburger Berge in dichten schwarzen Zügen ein ganzes Heer von Kobolden und Unterirdischen in das Lüneburger Land hineinzieht. Zurückgeblieben ist keiner.

Sandfeld: Scheidegänger
Textversion

Am 26. Januar 1722 fing es im Hause Joachim Dunkelmann’s in Sandfeld, das zum Gute Dutzow gehört, an zu spuken mit heftigem Rumoren und allerlei seltsamen Aufzügen und Affenspiel. Der Verwalter von Dutzow, Heinrich Georg Haenell, hat Alles ordentlich aufgeschrieben, von Tag zu Tag, und nachher hat der Notarius Rüdemann von Gadebusch am 23. April 1722 siebenundzwanzig Zeugen nach abgenommenen Zeugeneid darüber vernommen, und sie haben es bekräftigt, daß Alles geschehen sei, wie es niedergeschrieben, und die Geschichte ist in Hamburg gedruckt worden.
Damit fing es zuerst an, daß die brennende Lampe auf der Diele weggenommen ward, und es waren alle Leute dabei gegenwärtig und doch konnte man nicht sehen, wo sie geblieben, und man hat sie auch nicht wiederfinden können. Als man sich andere Lampen lieh, da sind sie alle weggekommen.

Am 26. Januar aber ging gegen Abend, als es bald finster werden wollte, das Rumoren erst recht an, Alles, was in der Stube war, ward untereinander geworfen, und als am folgenden Tag den Leuten, alles, was auf den Borten war, um die Köpfe geworfen ward, konnten sie doch Niemand sehen, der es tat. So ging es mehrere Tage lang, es wurden Türen und Wände zerschlagen und nichts blieb an seiner Stelle. Der Beutel mit Bohnen lief im Garten fort und man sah doch keinen, der ihn fortschleppte. Mit Dornen hatte man das Loch in der Wand verstopft, Katzen rissen sie wieder heraus, ein Licht, welches man dort fand, konnte man nicht halten und es war verschwunden, ohne daß man weiß, wohin.

Bei all diesem Poltern und Rumoren im Hause ließen sich die zwei fremden Katzen von Dunkelmanns Kindern sehen, aber die Eltern sahen sie nicht. Sie waren aber auch nicht recht wie andere Katzen, sondern bald als ein Hund mit kurzen Ohren, halb grau und halb weißlich. Und diese Katzen haben etliche Male auf dem alten Backofen getanzt und gesprungen, sind aber die Kinder zu ihnen gegangen, so sind sie immer nach Kneese hinwärts gelaufen und sind durch den Kneeser Bach geschwommen und haben sich dann etlichemal umgesehen, gehüpft und gesprungen.

Eines Abends wollten die Kinder vom Hofe Holz einholen, da sahen sie etwas, das auf dem Pfahle saß, so groß etwa wie der kleine Hans von drei Jahren. Und das Ding sah pockennarbig aus und hatte grüne, rotgelbe und blaue Streifen auf dem Leibe und sprang und hüpfte immer auf dem Pfahlwerk. Da kam den Kindern ein Grauen an und sie liefen ins Haus, um die Mutter zu holen. Als diese aber mit ihnen hinausgegangen, da ist das Männlein schon weggewesen.

Alles ward untereinander geworfen, es ist nichts im ganzen Hause festgeblieben. Was in der Stube und Kammer gewesen, ist auf der Diele oder im Garten oder an anderen Orten wiedergefunden. Dabei ward auf die Leute geworfen, sogar mit eisernen Ringen vom Pflugrad, die glühend heiß waren. Und die Bösen hatten vor niemand Scheu, selbst nicht vor dem Verwalter, auch nicht vor dem Sonntag, denn obgleich in der Kirche von Roggendorf um Befreiung gebeten ward, währte doch das Rumoren und Werken mit glühenden Eisen und Steinen fort. Der Deckel von der Lade tat sich von selbst auf und zu, und obgleich sich die zwei größeren Kinder daraufsetzten, konnten sie ihn nicht halten und alles Zeug, das in der Lade war, ward hinausgeworfen. Die Bolten lagen andermal mitten in der Stube und es kam ein so unleidlicher Geruch, daßs man es darin nicht aushalten konnte.

Es war am 6. März. um Mittagszeit, als die Eltern mit den größeren Kindern draußen waren, und der kleine Junge allein in der Stube, wo sie ihn weinen hörten. Und die ältere Schwester fand ihn nicht mehr in der Stube, sondern bei dem alten Backofen, von wo sie ihn wegholte, und da hat das Kind gesagt, daß ihn eine kleine, fremde, ganz weiße Dirne dahingezogen habe.
Als nun die Kinder allesamt im Hause auf der Diele spielten, verloren sich im Augenblick das älteste und das jüngste Mädchen von den Kindern, und als diese es den Eltern anzeigen und sie suchen und rufen, sind sie nirgends zu finden. Nach Verlauf einer halben Stunde stehen die beiden Mädchen wieder auf der Diele, und als sie gefragt werden, wo sie gewesen wären, sagen sie, sie wüssten es nicht. Es wäre ihnen vorgekommen, als wäre die Diele aufgetan und sie auf einer Treppe unter die Erde gegangen und wären in ein großes Haus gekommen, worin sehr viele Manns- und Frauenspersonen gewesen, so aber alle klein, wie der kleine Hans von drei Jahren. Und am anderen Tag sind diese beiden Dirnen abermals weggekommen, die beiden anderen nach einer halben Stunde. Auch der älteste Junge ist von der Seite seiner Mutter weggekommen, kommt aber bald wieder auf die Diele zu stehen und sagt weinend, er sei auch unter der Erde gewesen. Als der Verwalter zu ihnen kommt, fand er, daß alle die Kinder, so ihrem Vorgeben nach unter der Erde gewesen, krank lagen, und war besonders der Junge voller Blasen und Schwären und im Gesicht verschwollen.

Anna Katharina, 13 Jahre, Anna, 12 Jahre, Joachim Heinrich, 10 Jahre und Elisabeth, 5 Jahre alt, erzählen nun, es sei ihnen vorgekommen, als ob sich die Erde vor ihnen auftäte, und wären sie in einem Augenblick auf einer Treppe in die Erde hineingegangen. Da wären sie in ein großes Haus gekommen, so inwendig schön ausgeputzt gewesen und von Gold geglänzt habe. In diesem Haus wären viele ganz kleine Manns­ und Frauenspersonen, welche nur so groß als ihr kleiner Hans gewesen, und hätten krumme Arme und Beine und dabei sehr große dicke Köpfe gehabt. Diese Leute waren sehr beschäftigt, etliche reiseten aus, andere kamen wieder zu Hause, einige kochten sehr viel Essen, andere fütterten das Vieh, als Ochsen, Kühe, Pferde und sofort, die auch da waren, und was dergleichen mehr war, was sie alles nicht so sagen konnten, wie sie es gesehen. Sie wären auch mit diesen Leuten in ihrer Kirche gewesen, wo der Prediger gepredigt hätte und hätten die kleinen Leute sie sehr gebeten, sie sollten doch da bleiben, hätten ihnen auch eine ganze Schürze voll Gold gegeben. Als sie aber darin nicht willigen wollten, hätten sie ihnen das Geld wieder weggenommen und wären im Augenblick wieder auf der Diele gewesen.

Die beiden Mädchen, die zuerst weggewesen, fügten noch hinzu, daß ihnen die kleinen Leute das erste Mal Essen und Trinken angeboten, Anna Katharina habe davon gekostet, weiß aber nicht, wie es geschmeckt. Es wäre auch damals eine schöne Kutsch gefahren kommen und hätten die Leute gesagt, es wäre ihr Oberster, der käme zu Hause. Es haben aber die kleinen Leute den Kindern verboten, nichts nachzusagen oder es würde ihnen sonst nicht gut gehen. Die Kutsch hatte am hellen Tage der Knabe von Kneese kommen sehen und war sie in ihrem Garten in die Erde hineingefahren und verschwunden. Gar viel mehr kann noch die alte Großmutter, wenn sie am Herde sitzt, und die Anderen alle um sie umherstehen, von dem erzählen, was sie erlebt hat, als die Unterirdischen ihr Possenspiel getrieben haben in Dunkelmann’s Hause. Da haben sie gläserne Hafen und Lampen und eine zinnerne Kanne gar possierlich zusammen gebunden und oben am Stubenboden aufgehängt, ein andermal haben sie auf die Erde ein Tischlaken hingedeckt und dies mit Brot und Heringen besetzt und zwei Puppen darneben gestellt, als wenn die essen wollten. Ein andermal, als die Tochter krank im Bette lag, flog daßelbe immer auf und nieder, als wenn die Schweine darunter wühlten, ein Wagen lief von selbst in den Kneeser Bach, mit Stangen ward in die Kammer hineingestoßen, aber niemand sah, wer solchen Unfug anrichtete.

Die Kinder aber konnten die Gespenster sehen. Einmal sahen sie einen großen gelben Hund oben auf dem Stubenboden, der ungemein hässlich und grausam aussah, sein Maul war wie ein Kuhmaul und seine Nase wohl eine Elle lang, die Augen waren so groß wie ein Kindskopf und hatte er nur drei Beine, denn das eine Hinterbein war nicht da, und der setzte die Stubentür mit einer großen Tonne zu, so daß weder die Mutter noch die beiden Wächter hinaus kommen konnten. Ein andermal sahen sie ein weißes Ding als ein Kind in ihrem Kohlhof über den springen, und als es bei dem Namen Nörken (Eleonore) gerufen ward, da stand es stille und sagte, sie sollten ihm die blaue kattunene Schürze bringen, so wollte es auch nicht wieder kommen. Die Schürze ward hingebracht und kam über den Zaun, an dem sie hingelegt war, ohne daß jemand sah, der sie hinüber zog. Gleich darauf berichteten die Kinder, der weiße Geist hätte ihnen gesagt, er sei ein Engel und darum gekommen, daß der große Kettenhund, so im Hause wäre, sie nicht ganz verderbe, sie sollten fleißig beten und sich zu Gott halten.

Er sagte ihnen auch, vor allen Leuten könne er sich nicht sehen lassen, denn die hätten allzu große Sünde getan. Auf den Rat des Geistes stiegen nun Dunkelmann und seine Frau auf den Boden und trieben den Hund fort, der aber niemand sah, und da ward es einen Tag stille. Aber es lagen noch Teufel im Vorschauer, die wurden auch mit Forken herausgetrieben und ein schwarzes Ding wie eine Katze kam heraus, das von einem der Kinder mit einem Steine geworfen wurde, wofür nachher dem Vater ein Beil nachgeschleudert ward, aber es traf ihn nicht.

Ein andermal hatte eine große Maus den ganzen Ladendeckel beschmutzt, als wären Gänse darauf gewesen. Und wie die Geister sagten, wollten sie noch einmal einen „Sluptog doon“, da polterte es arg und die Kinder sahen, wie viele rauhe Dinger, bald wie Kälber, aber nicht so groß, sich vor der großen Tür aufschwangen und anfingen zu fliegen, und ein großer blauer Mann flog hinter ihnen her und hatte eine große Peitsche, womit er die Dinger immer peitschte, die Eltern aber konnten das nicht sehen. Die Kinder aber sahen öfter noch die Gespenster, einmal als einen Jungen, der in der Stube Alles umstelltZwischen Lüder Lützow auf Dutzow und den Herren von Gadebusch waren über die Grenze der Waldungen, die an der Scheide von Dutzow lagen, Streitigkeiten ausgebrochen, etwa zur Zeit des Herzogs Christoph im 16. Jahrhundert. Der alte Vogt von Kneese wurde beauftragt, den richtigen Gang vorzunehmen. Er schritt auf das Land des Lüder Lützow weiter vor und schwur, dass sein Fuß keine andere Erde, als die der Mecklenburger Herren betreten habe. Da ergrimmte Lüder Lützow, befahl den Vogt, seine Schuhe auszuziehen und nun stellte sich heraus, dass er die Schuhe in Gadebusch mit Erde gefüllt hatte.
Da stach Lüder Lützow den Meineidigen nieder. Er hatte wohl gedacht, dass es so kommen würde, und hatte deshalb überall Schlagbäume am Weg anbringen lassen, seinen Hengst aber geübt, darüber hinwegzuspringen. Als nun die Gadebuscher ihm folgen wollten, mussten sie vor den Schlagbäumen zurückbleiben. Lüder Lützow aber verhöhnte sie noch und ritt nach seinem Gute Niendorf im Lande Sachsen, wo die Mecklenburger ihm nichts mehr tun konnten.
Seit der Zeit war es an den Grenzsteinen nicht recht geheuer. Man meint, es sei der meineidige Vogt, Andere sagen, es sei der Lüder selbst, der vorher die Grenzsteine mehrfach verrückt haben soll.

Zwischen den Dörfern Wakenstädt und Alt-Pokrent bildet der Weg von Wakenstädt nach Schlagfort eine Strecke die Scheide, welche von Wakenstädt aus den Weg rechts verlässt und in einigen Biegungen zum Torfmoor geht. In einer dieser Biegungen liegt als Scheidestein ein großer platter Felsen, auf dessen Mitte deutlich ein großer Pferdehuf abgedrückt ist. Die Sage gilt, dass in alten Zeiten die Besitzer dieser Dörfer sich um die Grenze stritten und sich nicht einigen konnten, bis mit einem Male der Teufel auf den daliegenden Stein getreten und gesagt hat: „Hier is de Scheid“.

Kneese: Die Eiche des Brudermörders
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Am 26. Januar 1722 fing es im Hause Joachim Dunkelmann’s in Sandfeld, das zum Gute Dutzow gehört, an zu spuken mit heftigem Rumoren und allerlei seltsamen Aufzügen und Affenspiel. Der Verwalter von Dutzow, Heinrich Georg Haenell, hat Alles ordentlich aufgeschrieben, von Tag zu Tag, und nachher hat der Notarius Rüdemann von Gadebusch am 23. April 1722 siebenundzwanzig Zeugen nach abgenommenen Zeugeneid darüber vernommen, und sie haben es bekräftigt, daß Alles geschehen sei, wie es niedergeschrieben, und die Geschichte ist in Hamburg gedruckt worden.
Damit fing es zuerst an, daß die brennende Lampe auf der Diele weggenommen ward, und es waren alle Leute dabei gegenwärtig und doch konnte man nicht sehen, wo sie geblieben, und man hat sie auch nicht wiederfinden können. Als man sich andere Lampen lieh, da sind sie alle weggekommen.

Am 26. Januar aber ging gegen Abend, als es bald finster werden wollte, das Rumoren erst recht an, Alles, was in der Stube war, ward untereinander geworfen, und als am folgenden Tag den Leuten, alles, was auf den Borten war, um die Köpfe geworfen ward, konnten sie doch Niemand sehen, der es tat. So ging es mehrere Tage lang, es wurden Türen und Wände zerschlagen und nichts blieb an seiner Stelle. Der Beutel mit Bohnen lief im Garten fort und man sah doch keinen, der ihn fortschleppte. Mit Dornen hatte man das Loch in der Wand verstopft, Katzen rissen sie wieder heraus, ein Licht, welches man dort fand, konnte man nicht halten und es war verschwunden, ohne daß man weiß, wohin.

Bei all diesem Poltern und Rumoren im Hause ließen sich die zwei fremden Katzen von Dunkelmanns Kindern sehen, aber die Eltern sahen sie nicht. Sie waren aber auch nicht recht wie andere Katzen, sondern bald als ein Hund mit kurzen Ohren, halb grau und halb weißlich. Und diese Katzen haben etliche Male auf dem alten Backofen getanzt und gesprungen, sind aber die Kinder zu ihnen gegangen, so sind sie immer nach Kneese hinwärts gelaufen und sind durch den Kneeser Bach geschwommen und haben sich dann etlichemal umgesehen, gehüpft und gesprungen.

Eines Abends wollten die Kinder vom Hofe Holz einholen, da sahen sie etwas, das auf dem Pfahle saß, so groß etwa wie der kleine Hans von drei Jahren. Und das Ding sah pockennarbig aus und hatte grüne, rotgelbe und blaue Streifen auf dem Leibe und sprang und hüpfte immer auf dem Pfahlwerk. Da kam den Kindern ein Grauen an und sie liefen ins Haus, um die Mutter zu holen. Als diese aber mit ihnen hinausgegangen, da ist das Männlein schon weggewesen.

Alles ward untereinander geworfen, es ist nichts im ganzen Hause festgeblieben. Was in der Stube und Kammer gewesen, ist auf der Diele oder im Garten oder an anderen Orten wiedergefunden. Dabei ward auf die Leute geworfen, sogar mit eisernen Ringen vom Pflugrad, die glühend heiß waren. Und die Bösen hatten vor niemand Scheu, selbst nicht vor dem Verwalter, auch nicht vor dem Sonntag, denn obgleich in der Kirche von Roggendorf um Befreiung gebeten ward, währte doch das Rumoren und Werken mit glühenden Eisen und Steinen fort. Der Deckel von der Lade tat sich von selbst auf und zu, und obgleich sich die zwei größeren Kinder daraufsetzten, konnten sie ihn nicht halten und alles Zeug, das in der Lade war, ward hinausgeworfen. Die Bolten lagen andermal mitten in der Stube und es kam ein so unleidlicher Geruch, daßs man es darin nicht aushalten konnte.

Es war am 6. März. um Mittagszeit, als die Eltern mit den größeren Kindern draußen waren, und der kleine Junge allein in der Stube, wo sie ihn weinen hörten. Und die ältere Schwester fand ihn nicht mehr in der Stube, sondern bei dem alten Backofen, von wo sie ihn wegholte, und da hat das Kind gesagt, daß ihn eine kleine, fremde, ganz weiße Dirne dahingezogen habe.
Als nun die Kinder allesamt im Hause auf der Diele spielten, verloren sich im Augenblick das älteste und das jüngste Mädchen von den Kindern, und als diese es den Eltern anzeigen und sie suchen und rufen, sind sie nirgends zu finden. NAn der Landstraße zwischen Kneese und Roggendorf bei Gadebusch stand bis vor wenigen Jahren eine alte Eiche. Dieser Baum hatte einen starken aber ganz kahlen, aus dem sonst grünen Baume hervorragenden Ast an seiner Spitze, und einer Höhle am Stamm. Hier hat einmal ein Bruder den anderen erschlagen und sich dann, erschüttert von der eigenen Tat, in dem Gipfel der Eiche erhängt, der alsbald verdorrte. Die Höhle am Fußes des Baumes aber wurde durch das Blut des Erschlagenen hineingefressen, von dem der Mörder sich zu reinigen suchte. So überdauerte der Baum die Jahre und mahnte an die böse Tat.

Quelle: Otto Kniepcke: Flurnamen, Sagen, Geschichten und Gebräuche. Gadebuscher Heimatschrift, Einblicke zwischen Schaalsee und Stepenitz 1, Gadebusch, Kreisverwaltung Gadebusch (1991)

Lassahn: Wie der Stintenburger Müller den Teufel überlistete
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Der Stintenburger Müller hatte sein ganzes Hab und Gut durchgebracht. Nun rief er den Teufel und lieh sich von ihm auf sieben Jahre gehäufte Scheffel Geld. Für die Rückzahlung setzte er seine Seele als Pfand ein. Die sieben Jahre waren schnell um und der Müller hatte keinen Heller gespart. Pünktlich erschien der Teufel und wollte sein Geld zurück.

Der Müller überlegte, wie er aus der Klemme herauskommen konnte. Er wollte erst einmal ein paar Kunststücke vorgeführt bekommen und zwar sollte sich der Teufel in einen Löwen verwandeln. Nachdem der Teufel sich wieder zurückverwandelt hatte, staunte der Müller und wollte noch ein Kunststück sehen. Nun sollte sich der Teufel in eine Maus verwandeln, die in ein kleines Loch im Balken passte. Der Teufel nahm nun die Gestalt einer Maus an und schwupp war er in dem Loch verschwunden. Auf diesen Moment hatte der listige Müller gewartet. Er griff in die Tasche, holte einen vorbereiteten Pflock heraus und klemmte ihn fest in die Öffnung, der Satan war gefangen. Sieben Jahre ließ der Müller den Teufel im Loch zappeln, bis er ihn endlich wieder herausließ.

Beschämt schlich der Bösewicht davon, denn zu allem Übel hatte der Müller beim Einschlagen des Pflocks auch noch seinen Schwanz abgeklemmt. Seit dieser Zeit hat der Teufel keinen Schwanz mehr und um den schlauen Stintenburger Müller machte er fortan einen großen Bogen.

Autorin: Dorothea Wende

Dreilützow: Schloss Dreilützow und der Landschaftspark
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Es lässt sich herrlich streiten, ob der Begriff Schloss nun übertrieben oder angebracht ist. Aber lauschen Sie mal weiter: 1725 erwarb der Geheime Rat und kurhannoversche Premierminister Andreas Gottlieb Freiherr von Bernstorff das Gut Dreilützow. Kurz darauf begann der Bau des Haupthauses und aller Nebengebäude nach den Plänen des holsteinischen Architekten Johann Paul Heumann. Vor dem Haus in westliche Richtung entstand ein von fünf weiteren Gebäuden eingefasster Ehrenhof. Hinter dem Herrenhaus erstreckt sich ein ausgedehnter Landschaftspark mit stattlichen Bäumen, einem Flüsschen und Teichen. Von den ursprünglich zahlreichen Parkarchitekturen blieb leider nur ein Teehaus erhalten. Aber schön ist es trotz allem. Verwilderte Parkareale wechseln sich mit wiederhergestellten ab. Schöne Solitärbäume, Sichtachsen und weite Freiflächen lassen die Erhabenheit vergangener Zeiten lebendig werden.

Mit der Ruhe ist es aber so eine Sache. Nach einer wechselvollen Geschichte als Gutshaus, Lazarett, Schule, Wohnheim für Behinderte, und Kindergarten, beherbergt nun dieses Haus eine Kinder- und Jugendübernachtungsstätte. Schloss Dreilützow ist heute ein Ort, an dem junge Menschen wichtige Erfahrungen in Gruppen sammeln und sich mit der Vergangenheit, dem Heute und der Zukunft auseinandersetzten.
Sollten Sie mal einen Ort für eine Gruppe suchen, vielleicht buchen sie ihn ja hier. Aber Vorsicht! Im Schloss lebt ein recht aktiver Schlossgeist, wie hunderte von Kinderbriefen belegen.

Autor: Stefan Baerens

Dreilützow: Der gefangene Teufel von Dreilützow
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Auf dem Wege von Dreilützow nach Wittenburg musste man früher an einem dichten Buschwerk vorbei, das hart an der Landstraße wuchs. Hier trieb seit jeher der Teufel sein Wesen. Jeder, der vorüberging, ohne ein Vaterunser gebetet zu haben, wurde vom Bösen angehaucht, sodass er eine dicke Backe bekam oder es vor lauter Ohrensausen kaum aushielt. Zogen Pferde oder Kühe vorüber, so trieb der Teufel mit ihnen anderen Schabernack, indem er sie lahm oder hinkend machte, den Kühen wohl auch die Milch abzapfte.

In Dreilützow wohnte damals ein Bauer, der ganz besonders viel von dem Bösen zu leiden hatte, da sein Vieh oft an dem Gebüsch vorbeimusste. In seiner Not beschloss das Bäuerlein, den Teufel mit List zu fangen. Eines Tages nahm er sein Hausgesinde mit und grub mit den Leuten in der Nähe des Busches eine tiefe Grube. Da er gehört hatte, dass der Teufel besonders lüstern nach Eierspeisen sei, musste seine Frau einen tüchtigen Stapel fetter Pfannkuchen backen. Als die Grube fertig war, schickte er seine Leute nach einer nahen Wiese, wo sie sich verbergen mussten, schärfte ihnen aber vorher ein: „Sobald ich rufe, kommt eilends her mit tüchtigen Prügeln!“

Nun nahm der Bauer einen großen Sechsscheffelsack, legte die Pfannkuchen hinein und spannte den Sack weit auf. Es währte auch nicht lange, so kam der Teufel aus dem Gebüsch und fuhr, vom Geruch der Pfannkuchen angelockt, in den Sack hinein. Rasch band der Bauer den Sack zu. Auf seinen Ruf eilten seine Leute mit festen Knütteln herbei, und nun ging’s an ein Dreschen, dass der Teufel drinnen im Sack sich wie ein Wurm krümmte.

Endlich verlegte sich der Böse aufs Bitten und versprach allen goldene Berge, ja noch mehr, wenn sie nur aufhören wollten. Aber der schlaue Bauer ließ sich nicht betören. Er wusste, dass der Teufel nimmer hält, was er verspricht. Er wurde mit dem Sack in die Grube geworfen, und eine Schaufel voll Erde nach der andern fiel auf den Sack, bis die Grube ganz ausgefüllt war. Da steckte nun der Teufel im Sack, und über ihm türmten sich wohl acht Fuß Erde.
Wie lange er daruntergelegen hat, wird nicht erzählt, aber die Gegend um Dreilützow hat der Teufel von da an gemieden.

Autor: Stefan Baerens

Dreilützow: Die Kirche Dreilützow
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Liebe Besucher dieses Orts,
Sie befinden sich am ältesten Gebäude in Dreilützow. Diese Dorfkirche wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtet. Der hölzerne Glockenturm entstand erst im 18. Jahrhundert. Diesen damals gebauten ersten Turm gibt es so nicht mehr, da der ehemals spitze hoch aufragende Turm bei einem Blitzeinschlag 1973 zerstört wurde.

Der rechteckige Feldsteinbau mit geradem Ostschluss wird von kräftigen Strebepfeilern gestützt. Der Ostgiebel ist blendengeschmückt. Das hochgotische Stufenportal besitzt gefaste Gewände. Im Inneren der kleinen Kirche fühlen sich viele Besucher wie im Bauch eines Wahls.
An der Ostwand wurde in späteren Zeiten ein Anbau aus Ziegel errichtet, welcher als Sakristei genutzt wird. Der Innenraum wird von einem zweijochigen Kreuzrippengewölbe überspannt. Kanzel und Altar stammen aus dem Jahre 1732 und waren wohl einst als Kanzelaltar miteinander verbunden. Heute steht der schlichte Kanzelkorb zwischen dem Altar und den Sitzbänken.
Auf einer Empore vor hellem Hintergrund steht im Westen der Kirche der reichgeschnitzte barocke Orgelprospekt. Die Orgel stammt aus dem Jahre 1708 und wurde vermutlich von Matthias Dropa gebaut. Sie kam 1801 aus Lüneburg, mit mehreren Zwischenstationen, nach Dreilützow. 2004 wurde sie von der Firma Jehmlich restauriert.

Rings um die Kirche lag über viele Jahrhunderte der alte Friedhof. Heute sind noch einige Grabplatten und -steine der Grafenfamilie von Bernstorff zu sehen. Die Grafen von Bernstorff waren hier Gutsbesitzer und Patrone der Kirche. Machen Sie einen Rundgang um diese kleine Kirche. In Verbindung mit einem Großteil der erhaltenen Gutsanlage, bildet sie eine schönes historisches Ensemble. Übrigens, das kleine rote Gebäude gegenüber der Kirche ist die alte Orangerie. Das hätten sie nicht erraten. Oder?

Umgeschrieben von Stefan Baerens, Teile entnommen aus: Dorf- und Stadtkirchen im Kirchenkreis Parchim, Buch, ZEBI u. START e.V., Edition Temmen, 2001

Wittenburg: Die Sage von der Undine
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Der Sage nach wächst Undine bei einem alten Fischerpaar auf, dessen eigene Tochter vermeintlich im nahegelegenen See ertrunken ist. Aus dem Wald, der die Fischer-Familie von der Stadt trennt und in dem Geister ihr Unwesen treiben, reitet eines Abends der edle Ritter Huldbrand von Ringstetten zur Fischerhütte. Huldbrand verliebt sich auf Anhieb in die schöne und temperamentvolle Undine, denn ihre ganze Erscheinung ist märchenhaft. Sie ist von atemberaubender Schönheit, hat große seeblaue Augen, Zähne wie Perlen und blonde Locken. Er ist so fasziniert von dem Mädchen, dass er ihm ewige Treue gelobt.

Ein Unwetter lässt den Bach am Waldrand zu einem reißenden Strom anschwellen und trennt die Halbinsel vom Festland. In der romantischen Abgeschiedenheit leben Huldbrand und Undine als Brautpaar zusammen. Nach der Hochzeitsnacht vertraut Undine ihrem Ehemann ihr Geheimnis an, der sie deswegen nicht weniger liebt.

Undines Onkel Kühleborn, der abwechselnd Menschen- und Wassergestalt annehmen kann, lässt den Strom schließlich abschwellen. Das junge Ehepaar begibt sich in die Stadt. Dort treffen Huldbrands frühere Geliebte, die eifersüchtige Bertalda und Undine aufeinander. Sie werden Freundinnen.
In der Absicht, die Freundin glücklich zu sehen, macht Undine eine Information ihres Onkels Kühleborn öffentlich: Die herzoglich aufgewachsene Bertalda ist die leibliche Tochter des Fischerpaars. Da diese sich aber mit Hochmut und Kälte dagegen wehrt, aus solch einfachen und niederen Verhältnissen zu stammen, wird Bertalda von Pflegeeltern und Eltern verstoßen.

Undine hat Mitleid mit ihrer Freundin. Bertalda darf sie und Huldbrand zur Burg Ringstetten begleiten. Die Liebe des Ritters zeigt sich jedoch unbeständig. Phasenweise fühlt dieser sich stärker zu der hochmütigen Bertalda hingezogen, was Undine mit stiller Demut erträgt. Die Idylle zerbricht.

Kühleborn wird zunehmend wütend und erscheint wiederholt auf der Burg, um Bertalda in Schrecken zu versetzen. Je mehr sich der Ritter von Undine ab ‒ und Bertalda zuwendet, umso mehr Macht gewinnt Kühleborn. Undine lässt deshalb den Brunnen, Kühleborns einzigen Zugang zur Burg, mit einem Stein bedecken. Gerührt von der Großmütigkeit seiner Frau entdeckt Huldbrand wieder seine Liebe zu ihr. Ihrer Bitte folgend verspricht er, sie niemals in der Nähe eines Gewässers zu schelten, weil die Wasserwelt sie sonst sofort zurückholen würde.

Doch genau dazu kommt es, als die drei gemeinsam einen Bootsausflug auf der Donau unternehmen. Immer wieder versetzt Kühleborn die Reisenden auf der Donau in Schrecken. Undine kann ihn zwar niederhalten, doch Huldbrands Unmut über die Verwandtschaft seiner Frau mit dem Wasserreich wächst stetig. Als er Undine anherrscht und heftig schilt, erzwingt er damit ihre Rückkehr in die Wasserwelt. Undine ermahnt ihn, ihr treu zu bleiben, bevor sie unter Tränen im Fluss verschwindet.

Huldbrand trauert, doch bald schon will er Bertalda heiraten ‒ obwohl Undine nicht offiziell tot ist. Nach den Gesetzen des Wasserreichs muss Undine den geliebten Huldbrand töten, wenn er ihr untreu wird. Sie schickt Huldbrand einen Traum, der ihn warnen soll. Huldbrand hält aber an seinem Entschluss fest und heiratet Bertalda.

Als Bertalda vor der Hochzeitsnacht nach Brunnenwasser verlangt, wird der Stein entfernt. Sofort entsteigt Undine dem Brunnen und begibt sich zu Huldbrand. Beglückt sie wiederzusehen, stirbt er unter Küssen und Tränen in ihren Armen.

Doch sein Tod verschafft Undine keine Genugtuung. Im Gegenteil, selbst totunglücklich über das Geschehene verwandelt sie sich nach dem Begräbnis in eine Quelle, die in ihrem Lauf den Grabhügel fast umschließt. In dieser Gestalt umfasst sie noch immer mit freundlichen Armen ihren Liebling.
Die Undine-Sage ist vor allem durch die gleichnamige Märchennovelle von Friedrich Baron de la Motte Fouqué bekannt, veröffentlich im Jahr 1811. Fouqués Undine gilt nicht nur als eines der bedeutendsten Werke der deutschen Romantik, sondern auch als besonders charakteristisch für diese Epoche. Der Schriftsteller konfrontiert seine Zeitgenossen mit dem Aufeinandertreffen von Menschen und Wassergeistern, also mit dem Unerklärlichen. Er trifft mit seiner fantastischen Erzählung gerade den Nerv seiner Zeit und damit den Geschmack des Publikums.

Im Rahmen der Mitgliedschaft im Verein „Sagen- und Märchenstraße“ wurde im Jahr 2010 eine lebensgroße hölzerne Statue der Undine an der Quelle platziert, die zuvor in nur zwei Tagen von Daniel Warkenthin aus Stralsund mit Kettensägen und viel handwerklichem Geschick gefertigt wurde.

Quelle: Undine • Zusammenfassung auf Inhaltsangabe.de
https://www.inhaltsangabe.de/fouque/undine/
Autor: Friedrich Heinrich Karl Baron de La Motte Fouqué 1811 Brandenburg/ Berlin

Zarrentin: Maränen im Schaalsee
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Der Schaalsee ist in Mecklenburgs tiefster See. An seinem Ufer liegt die kleine Stadt Zarrentin.Vor über 700 Jahren gründeten Nonnen hier ein Kloster. Eines Tages las die Nonne Eliabeth etwas über die leckeren Fische die im Bodensee leben.

Eine Äbtissin vom Kloster, so erzählt die Sage, hatte Appetit auf ein Maränengericht. Der Teufel bot sich an, ihr Maränen aus dem Bodensee zu holen. Bis Mitternacht sollte er zurück sein und dann als Gegenleistung ihre Seele erhalten. Doch sobald der Teufel fort war, ließ das schlechte Gewissen der Äbtissin keine Ruhe mehr und sie vertraute sich einer Nonne an. Diese kam auf die Idee, die Klosteruhr eine Stunde vorzustellen.

Gesagt, getan. Als der Teufel mit seinem Netz voller Maränen gerade über dem Schaalsee war, schlug die Uhr Mitternacht. Aus Wut, dass ihm wieder mal eine Seele entgangen war, schleuderte er die Maränen samt Netz in den See, wo sie seitdem leben.

Gallin: Wo Riesen schliefen und der Teufel Kuchen nascht
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Einst soll es Riesen in Mecklenburg gegeben haben. Wer wissen will, wo sie lebten, sollte nach großen Steinen Ausschau halten. Diese wurden von Eisbergen vor langer Zeit aus dem Norden hierhergeschoben. Weil es schön ist, einen riesigen Stein zu finden, heißen sie Findlinge. Wenn aber mehrere Findlinge geordnet im Wald stehen, hatten die Leute Angst. Dies konnte nur das Werk von Riesen sein.

Nahe der Stadt Grevesmühlen, beim Örtchen Naschendorf, stehen etwa 50 Findlinge. Einige sind so groß wie erwachsene Menschen und zusammen sehen sie aus wie das Bett eines Riesen. Die Menschen hatten früher einigen Ärger mit den Riesen. Alle wollten in demselben Wald wohnen. Und so zankten sie. Wenn ein Riese starb, waren die Menschen deshalb nicht traurig. Sie kamen herbei und schütteten ihn mit Erde zu. So wurde sein Bett zum Grab. Irgendwann starben alle Riesen aus. Weil man die Riesen auch Hünen nannte, heißen die Steine, die da liegen wie ein großes Bett, noch immer Hünenbetten.

Nicht weit von den Hünenbetten entfernt liegt der Teufelsbackofen. Hier sind große Steine wie ein Backofen zusammengesetzt. Darin sollen die Riesen ihr Brot gebacken haben. Später, als sie ausgestorben waren, kochte hier der Teufel sein Süppchen. Nun ist wohl klar, warum es Naschendorf heißt, oder?

Schon gewusst?
Fleißig Forscher haben herausbekommen, dass es sich nicht um den Backofen eines Riesen handelt. Und auch der Teufel kochte nicht hier. Es sind nur Geschichten. Bei Naschendorf wurden Menschen wie auf einem Friedhof begraben, vor vielen Tausend Jahren während der Steinzeit. Die großen Steine wurden zu Grabsteinen. Und es waren auch Menschen, die die großen Steine bewegt haben. Sie nahmen große Holzstangen dazu. Mit diesen Stangen brauchten sie viel weniger Muskelkraft, um eine schwere Last zu heben.

Quelle: Dr. Hartmut Schmied /Riesen Zwerge Fabeltiere / Stiftung Mecklenburg

Boizenburg: Vom Kloster
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An die Erzählungen, die vom Reichtum der mittelalterlichen Bürger unserer Stadt handeln, mag sich eine Sage anknüpfen, die das „Kloster“ als Schauplatz ihrer Handlung hat. Es ist jener merkwürdige Baublock, der nur im Volksmund diesen Namen führt und schwer zu erklären ist. Das Kloster ist jener Abschnitt, der sich südlich vom Bollenberg abzweigt, fast halbkreisförmig mehrere seiner Häuser umgeht und schließlich wieder in den Bollenberg mündet. Von einem mittelalterlichen Kloster in Boizenburg ist nichts bekannt, wohl aber mag dieser Baublock mit der alten Niederungsburg im Fürstengarten zusammenhängen, denn sowohl er wie der gesamte Bollenberg wurden nach dem großen Stadtbrand von 1709 nicht in die Straßenregulierung einbezogen. Vom Kloster erzählen die Leute:

In Boizenburg lebte einst ein Böttcher, der wurde mitten in der Nacht aus an dem Schlafe geschreckt, und da sah er ein graues Männchen an seinem Bette stehen, das forderte ihn auf, mit ihm nach dem Kloster zu gehen. Er sollte sein Handwerkszeug nicht vergessen, denn dort gäbe es eine Menge Arbeit für ihn. Der Böttcher stand sofort auf und folgte dem Zwerg, und nun ging es in die Erde hinein und durch mehrere unterirdische Gänge, bis beide schließlich in einen großen Keller kamen. Dort standen unzählige Fässer, alle mit Gold bis zum Rande gefüllt, und diese sollte er mit neuen Reifen versehen. Aber es waren so viele, dass er sie kaum zählen konnte. Das Männchen hatte ihn eine Weile verlassen, da fasste den Böttcher mitten in der Arbeit und in der unheimlichen Stille des unterirdischen Raumes ein Grauen; er fürchtete, den Weg durch die Gänge nicht wieder zurückzufinden, und so ließ er sein Handwerkszeug liegen, lief davon, und fand auch ungehindert den Weg nach Hause. In der folgenden Nacht erschien das Männchen wieder an seinem Bett, gab ihm das Handwerkszeug zurück und dankte ihm, dass er es dagelassen hatte. Sie ‒ die Zwerge ‒ hätten die Arbeit selbst ausgeführt, denn das verstünden sie gut, nur Handwerkszeug hätten sie nicht. Damit war das Männchen verschwunden, und der Böttcher schlief wieder ein. Als er nun am anderen Morgen aufwachte, da lag sein Handwerkszeug neben dem Bett und dabei ein großer Haufen Gold, und so war er ein reicher Mann, aber er wäre noch viel reicher geworden, hätte er die Arbeit selbst getan.

Quelle: Hans Vick, Sagen und Erzählungen aus Boizenburg, Heimatblätter des Kreises Hagenow, Boizenburg, Pädagogisches Kreiskabinett Hagenow 1956

Boizenburg: Vom großen Stadtbrand von 1709
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Der Reichtum stärkte das Selbstbewusstsein der Boizenburger, und sie verließen sich nur auf ihre eigene Kraft, der sie ihren Besitz verdankten. Das galt in einer Zeit, die noch sehr unter kirchlichem Einfluss stand, als eine schwere Sünde. Die Geistlichen predigten in der Kirche gegen den Reichtum, der unter Beihilfe des Teufels erworben sei, und das Volk glaubte ihnen. Aber die reichen Leute kümmerten sich nicht darum, denn sie gingen nicht in die Kirche. Da soll der Teufel einmal sein Hauptbuch, in dem die Namen seiner Schuldner standen, zurückgelassen haben, und das Strafgericht konnte beginnen.

Eine Schifferfrau war beim Buttern, aber es wollte nicht recht gelingen. Da ging sie zur Nachbarin, von der sie wusste, dass diese in solchem Fall ein eisernes Vorhängeschloss vor das Butterfass legte und immer reichliche und gute Butter bekam. Das wollte sie entleihen. Sie traf aber die Nachbarin nicht zu Hause an, doch lag das Vorhängeschloss auf dem Tisch, und so nahm sie es mit herum und setzte die begonnene Arbeit fort. Bald hatte sie eine solche Menge dicker, goldgelber Butter, dass es ihr selbst nicht recht geheuer vorkam. Sie stellte das Fass in die Ecke und wartete die Heimkunft ihres Mannes ab. Der kam auch bald und hatte keine Bedenken, das Buttern fortzusetzen.

Auf einmal trat ein feingekleideter Herr in die Stube, der sagte, man habe heute seine Hilfe in Anspruch genommen, dafür müsse man auch eine kleine Gegenleistung tun. Er verlange weiter nichts, als dass beide ihren Namen in sein Buch schrieben, und damit legte er es ihnen vor. Der Mann war auch dazu bereit, wie er aber nach Tinte und Feder griff, sagte der Herr, es sei besser, wenn er mit einem Tropfen Blut unterschriebe. Da wusste der Schiffer, mit wem er es zu tun hatte. Schnell holte er die Bibel vom Bord und hielt sie dem Fremden entgegen. Da gab es einen Blitz und einen Knall, und der feine Herr fuhr durchs Fenster davon und nahm das Fensterkreuz gleich mit, so dass die Glassplitter umherflogen.

Das Buch hatte er in der Aufregung zurückgelassen, und als die Eheleute sich von ihrem Schreck erholt hatten, fanden sie darin die Namen vieler Personen aus Boizenburg. Sie brachten es den Pastoren, und diese forderten nun die ganze Gemeinde zu einem Bußgottesdienst nach der Kirche. Aus Angst vor einer Anzeige wegen Hexerei erschienen auch alle, die im Buche standen. Eben beteten sie, Gott möge sie lieber strafen, als dass sie um ihre Seligkeit kämen, da erklang die Sturmglocke, Feuerschein drang in die Kirche, und wie die Versammelten hinausstürzten, sah man, wie die ganze Stadt in Flammen stand.

Quelle: Hans Vick, Sagen und Erzählungen aus Boizenburg, Heimatblätter des Kreises Hagenow, Boizenburg, Pädagogisches Kreiskabinett Hagenow 1956

Boizenburg: Unschuldig verurteilt
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Im Pflaster des Boizenburger Marktplatzes lag bis 1937 ein fast würfelförmiger Granitstein, auf dessen Oberseite der schon etwas abgeschliffene Umriss einer menschlichen Hand zu erkennen war. Dieser Stein markierte der Volksüberlieferung zufolge die Hinrichtungsstätte.
Eine Nachbildung befindet sich heute wieder an selber Stelle im Pflaster des Marktplatzes.

Die Sage berichtet, dass der Abdruck der Hand auf den Stein gelangte, als einst ein junges Mädchen eines schweren Verbrechens angeklagt und zum Tode verurteilt wurden war. Sie soll zu ihren Richtern gesagt haben: „So wahr mir Gott helfen wird, dass ich meine Hand in einen Stein eindrücken kann, so gewiss bin ich unschuldig!“ Als die Probe von ihr verlangt wurde, zeigte sich vor den Augen der erstaunten Richter tatsächlich der Abdruck der Hand im Stein. Damit galt ihre Unschuld als erwiesen, und man ließ sie frei.

Autor: Hans Vick

Boizenburg: Vom Hexenmeister Havekost
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„Schlimm steht es für die Anwohner der Elbe, wenn der Strom übermäßiges Hochwasser führt; die Wiesen und Gärten überschwemmen, die Ernte wird oftmals vernichtet. Die Boizenburger haben besonders stark unter der Überschwemmung zu leiden, denn ihre Elbseite ist nicht eingedeicht, und sie schauen dann neidvoll zu den hannoverschen Nachbarn hinüber, die hinter ihrem breiten Deich sitzen und nur aufpassen müssen, dass er nicht bricht. Missgünstige Leute auf unserer Elbseite wünschen das wohl, denn damit bekämen ihre Ländereien Entlastung von den Wassermassen. Zu diesen bösen Menschen gehörte auch der Zauberer Havekost, dessen Name durch ein Brack hinter dem Deich am Goldufer erhalten ist.

Havekost hatte einen Garten in Altendorf, der im Frühjahr ständig unter Wasser lag. Wenn er dann am Rande seines Besitztums stand, über die weite Wasserfläche hinwegschaute und am jenseitigen Ufer die Bauernhäuser hinter dem Deich liegen sah, dann schien es ihm, als ob sie ihn in ihrer breiten Sicherheit verhöhnen wollten, und mehr als einmal reckte er drohend die Faust zu ihnen hinüber und schwur dem Deich Verderben. Nun war aber Havekost der Mann, der seinen Worten die Tat folgen lassen konnte, denn er verstand mehr als Brotessen. Er war ein großer Zauberer, und er besaß einen Gürtel und ein Sieb, womit er seinen Plan ausführen konnte. In einer dunklen Nacht setzte er das Sieb ins Wasser, schnallte den Zauberriemen um und war im Nu in einen dreibeinigen Hasen verwandelt, hoppelte ins Sieb, murmelte seinen Zauberspruch:

-Min Saewenrand, min Saewenrand, Nu bring mi na Hannoverland –
und wie der Wind sauste das seltsame Fahrzeug mit dem Hasen über das Wasser hinweg, bis es an dem Deich vor Brackede zum Stehen kam. Der Hase sprang heraus und horchte eine Weile umher, ob kein Deichwächter in der Nähe wäre. Als alles ruhig blieb, ging er sofort ans Werk. Er wuchs mit unheimlicher Geschwindigkeit, bis er fast so groß wie ein Kalb war, kratzte und scharrte ein Loch in den Deich, sah, wie das Wasser einströmte, schrumpfte dann zusammen, so dass er wieder wie ein gewöhnlicher Hase aussah, und nun hoppelte er in sein Sieb zurück, mit dem er dem Boizenburger Ufer zustrebte. Bald drang das Tuten und Dröhnen der Signalhörner vom jenseitigen Elbufer durch die Nacht und meldete den Deichbruch. Da war aber lange aus dem Hasen wieder ein Havekost geworden, und dieser steckte neugierig seine Nase zum Fenster heraus, als die aufgeschreckten Boizenburger Nachbarn durch die Straßen liefen und sich nach dem Lärm auf dem jenseitigen Ufer umsehen wollten.

So trieb Havekost über zehn Jahre sein Unwesen, da erreichte auch ihn sein Schicksal. Niemand ist ein so gewaltiger Zauberer, er hat noch einen größeren über sich. Die Brackeder, denen die Deichbrüche nicht geheuer schienen, wandten sich an Küster Meier aus Garlstorf, der auch ein großer Hexenmeister war. Er schaute in seinen Zauberspiegel und sah darin einen dreibeinigen Hasen. Da wusste er, dass darin ein Mensch steckte, der einen Zaubergürtel trug, und dieser war nicht anders zu treffen als mit einer Kugel, die aus einem geerbten silbernen Knopf gegossen war. In einer stürmischen Nacht legte er sich in den Hinterhalt, und er brauchte nicht lange zu warten, da kam das Sieb und mit ihm der Hase. Dieser war kaum herausgesprungen, so wuchs er wieder zur Größe eines Kalbes heran und begann zu scharren – jetzt feuerte Küster Meier los, und vor ihm lag Havekost in seiner menschlichen Gestalt und schrie erbärmlich. Der Schütze hatte den Zaubergürtel durchschossen und Havekost ein mächtiges Loch in den Leib gerissen. Nun eilten auch die Deichwächter herbei, schlugen ihn tot und spießten ihn nach altem Deichrecht mit einem spitzen Dornpfahl auf in dem Brack, das er gerissen hatte. Dieses Brack heißt bis auf den heutigen Tag die Havekost.

Quelle: Hans Vick, Sagen und Erzählungen aus Boizenburg, Heimatblätter des Kreises Hagenow, Boizenburg, Pädagogisches Kreiskabinett Hagenow 1956

Privelack: Der Werwolf an der Elbe
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Eines schönen Junimorgens schickte ein Bauer in Privelack seine beiden Knechte zum Mähen des Futters auf das Feld. Bis in den Mittag hinein waren sie emsig am Mähen und legten sich dann nach einer kräftigen Mahlzeit zum Ausruhen ins Gras. Einer der beiden Knechte erwachte plötzlich aus der Mittagsruhe und sah nach seinem Kumpanen, der tief und fest zu schlummern schien. Doch dann beobachtete er etwas Seltsames.

Der scheinbar tief schlafende Kamerad zog einen geheimnisvollen Gürtel hervor und legte diesen um. In dem Augenblick stand ein ausgewachsener Werwolf vor unserem erschrockenen Knecht. Der arme Kerl hielt den Atem an, doch schenkte der Werwolf ihm keine weitere Beachtung. Vielmehr trabte dieser über das Feld, sprang mit einem Satz über den Zaun und schnappte sich das Fohlen, das dort friedlich in der Sonne graste. Er fraß es mit Haut und Haaren und kehrte dann wieder zu seinem Rastplatz zurück. Dort legte er den Gürtel ab und stand wieder in menschlicher Gestalt da. Er reckte und streckte sich und nahm die Arbeit wieder auf.

Der andere Knecht verlor kein Wort über das, was er gesehen hatte. Sein Kollege drehte sich zu ihm um und sprach: „Ich weiß gar nicht, was die Bäuerin uns da eingepackt hat. Mir ist nach dem Essen so bullerich im Leib.“ Worauf der andere erwiderte: „Na ja, wer zum Nachtisch ein ganzes Pferd verputzt, dem soll wohl bullerich im Magen werden.“
Und als am Abend dann der Nachbar nach seinen Pferden sah, musste er feststellen, dass ein Fohlen fehlte.

Der Knecht wiederum war am nächsten Morgen spurlos verschwunden. Keiner hatte etwas gemerkt oder wusste, wohin er des Weges gegangen war. Manche meinten, er sei durch die Wälder ins Mecklenburgische gelangt. Andere vermuteten, dass er über die Elbe gerudert sei, denn es musste ein fehlender Kahn vom gegenüberliegenden Drethemer Ufer zurückgeholt werden.

Die Monate zogen ins Land und es wurde Winter. Ein eisiger Wind pfiff über die verschneite Landschaft. Da lief eines Tages ein mächtiges Tier wie ein großer Hund durchs Dorf. Das Wesen sprang in ein Haus und zerriss einem Mädchen, das dort saß, den roten Unterrock, bevor es durch lautes Schreien der anderen Bewohner des Hauses vertrieben wurde. Später beobachtete ein Fischer, wie der verschwundene Knecht über den Deich lief. Ein roter Stofffetzen hing aus seinem Mund.

Seitdem hat niemand mehr in der Gegend den Werwolf gesehen oder von ihm gehört. Lediglich aus dem fernen Celle erreichte die Menschen die Kunde, dass man dort einen Werwolf gefangen und an einem Baum aufgeknüpft habe. Dieser Eichbaum an der Landstraße von Celle nach Hannover heißt bis heute Wolfsbaum.

Autor: Holger Hogelücht

Stiepelse: Vom Stiepelser Urahn
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Der Dreißigjährige Krieg hat auch den Bewohnern an der Elbe schweres Leid gebracht. So tobte in Stiepelse in diesem Krieg eine gewaltige Feuersbrunst. Unerbittlich fraßen die Flammen sich von einem Haus zum nächsten durch das ganze Dorf. Und damit nicht genug. Als wollte Gott den armen Menschen noch eine weitere schwere Prüfung auferlegen, wütete auch eine schwere Seuche unter den Menschen, die noch in den Ruinen des Dorfes ihr Leben fristeten. Und so raffte diese einen Bürger nach dem nächsten unerbittlich dahin. Von der gesamten Einwohnerschaft des Dorfes blieb schließlich nur ein einziger Knabe übrig, der in den Ruinen des Dorfes Obdach nahm. Er fand Nahrung in den Früchten der Felder und den Fischen der Elbe.

Eines Tages geschah es, dass schwedische Reiter das verwüstete Dorf besuchten und den Knaben entdeckten. Er entfloh in wilder Hatz, doch die Krieger jagten ihm nach. Schließlich verfing sich der junge Bursche mit seinen über die Zeit langgewachsenen Haaren in einer Hecke. Damit schien sein Schicksal besiegelt. Einer der Reiter holte mit seinem Säbel aus, um dem Flüchtling den Kopf zu spalten. Doch durchschnitt er stattdessen das Haar des Knaben, so dass dieser erneut entwischen konnte. Es gelang ihm, sich vor den Kriegern zu verstecken, so dass diese schließlich von ihm abließen und unverrichteter Dinge von dannen zogen. Der Jüngling wiederum kehrte wohlbehalten nach Stiepelse zurück. Er wuchs zu einem kräftigen und ansehnlichen jungen Mann heran, fand eine passende Gattin und wurde so zum Urahnen der späteren Dorfbewohner.

Autor: Holger Hogelücht

Wehningen: Der weiße Reiter
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Immer wieder erzählen Menschen, dass sie ab und an zu Mitternacht im Wald bei Wehningen einen geheimnisvollen weißen Reiter zu Angesicht bekommen. Manchmal kann man auch Rufe hören: „Hier geiht de Scheid!“ Das Geheimnis des weißen Reiters führt weit zurück in die Zeit, als der Verlauf der Grenze zwischen Wehningen und Dömitz umstritten war. Im Sächsischen residierten damals die von Bülows als Lehnsleute, während in Dömitz die dortigen Beamten penibel auf den Verlauf der Hauptgrenze zwischen Sachsen und Mecklenburg achtgaben. Schon im „Grenzbuch des Amtes Neuhaus“ aus dem Jahr 1591 ist ein genau beschriebener Grenzverlauf verzeichnet. Doch in alten Aufzeichnungen beider Seiten aus dem 18. Jahrhundert zeigen sich unterschiedliche Verläufe – jeweils zu eigenen Gunsten der Herausgeber dieser Aufzeichnungen.

So wird berichtet, dass einst die Mecklenburger in der Zeit, als noch die Messkette Verwendung fand, neue Grenzpfähle bauten und auf sächsischem Grund errichten ließen. Und auf der anderen Seite hat einst nach dem Dreißigjährigen Krieg der Wehninger Gutsbesitzer von Bülow den Grenzverlauf – die Scheide – nach eigenem Gutdünken und zu seinem Vorteil verändert. Um dieses Vorhaben durch Zeugen zu untermauern, soll er drei Bauern angestiftet haben, einen Meineid zu schwören. Nämlich dergestalt, dass sie an Eides Statt einen falschen Grenzverlauf als der Wahrheit entsprechend beschworen, wie der Gutsherr ihnen aufgetragen hatte.

Doch schon bald quälte den von Bülow angesichts des Meineids, zu dem er die Bauern verleitet hatte, das Gewissen. Und diese Gewissensbisse waren so stark, dass sie ihn auch nach seinem Tode nicht in Ruhe ließen. Und so war er auf ewig verdammt, als weißer Reiter mit seinem Schimmel zu Mitternacht durch die Wälder entlang der Grenzscheide zu spuken und den Ruf auszustoßen „Hier geiht de Scheid“. Als Mahnmal soll an dem betreffenden Ort ein Grenzpfahl mit einem weißen Pferd an das Geschehen erinnert haben – das kann aber auch das Niedersachsenross gewesen sein.

Autor: Holger Hogelücht

Lübtheen: Die Sage vom See in Probst Jesar
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Mecklenburg ist reich an Seen. Jedoch hier in der Heidelandschaft ganz im Südwesten des Landes sind keine zu finden – bis auf den wunderhübschen kleinen Waldsee in Probst Jesar. Wie dieser See entstand, davon berichtet eine alte Sage.

Es ist wohl an die 1000 Jahre her, da gab es unweit des Dorfes einen kleinen Eichenwald bei einer Wiese. Und den Bauern des Dorfes ging es gut. Die Böden waren noch nicht vom Sand verweht und brachten den Menschen gute Erträge. Gern ruhten sich die Bewohner in dem Eichenwäldchen aus und ließen ihre Pferde dort grasen.
Eines Tages kamen die Tatern, ein fahrendes Volk, in den Ort und wollten Geschäfte machen, weissagen und betteln. Doch in Probst Jesar wollte man weder etwas kaufen, noch die Weissagungen der Fremden hören. Auch ein paar Lebensmittel hatte man nicht für sie übrig.

Das machte die Taterngruppe böse, sie drohten den Einheimischen: „Das wird euch hartherzigen und geizigen Menschen noch leidtun. Wartet nur ab!“
Nachdem sie sich entfernt hatten, fingen sie bei den Eichen eines der grasenden Pferde ein und töteten es. Dann schlugen sie ihm den Kopf ab. Eine Alte aus der Gruppe füllte den Kopf mit Quecksilber und warf ihn auf die Wiese, dazu raunte sie furchtbare Zauberformeln. Der Pferdekopf fing an, sich rasend zu drehen und grub so ein Loch in den Erdboden. Dieses wurde immer, immer größer. Wasser kam unter lautem Getöse aus dem Boden und füllte die Grube. Die ersten Eichen versanken darin.

Als die Dorfbewohner das Unheil bemerkten, war das Ufer des neuen Gewässers schon fast bis zu den ersten Häusern des Dorfes vorgerückt.
Nun war man in großer Angst, alles Hab und Gut zu verlieren und eilte reitend den unheimlichen Fremden nach. Als man sie erreicht hatte, flehten die Einheimischen um Vergebung und baten darum, dem Zauber Einhalt zu gebieten. Reiche Belohnung versprachen sie den Fremden.
Endlich streckte die alte Zauberin ihre Hand aus und murmelte Worte, die das Unheil stoppten, der Pferdekopf hörte auf sich zu drehen und auch das Wasser lief nicht mehr nach.
Die Dorfleute bedankten sich mit Lebensmitteln und reichen Geschenken dafür das ihr Dorf vor dem Untergang gerettet wurde.

Der See jedoch blieb bestehen. Auch die Verwünschung, dass er immer wieder Opfer fordern werde, erfüllte sich in den folgenden Jahrhunderten immer mal wieder. Und die Stümpfe der versunkenen Eichen blieben viele Jahrhunderte auf dem Grund des Sees.

Erst der Bau des Waldbades und die Beaufsichtigung durch Rettungsschwimmer verhinderte seitdem schlimme Badeunfälle.

Autorin: Marlis Bünsch

Lübtheen: Lindi – Die Lindenfrau
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Wohl mehr als tausend Jahre ist es her, da lebte in einem kleinen Dorf in der Jabelheide ein junges Mädchen. Sein Name war Lindi. In das Dorf führte nur ein Weg hinein und in einem Bogen wieder heraus – so etwas nennt man einen Rundling. Das Mädchen wohnte noch bei seinen Eltern, half das Vieh zu hüten, den Acker zu bestellen und beim Ernten.

Besonders gefielen Lindi Blumen und Pflanzen. Diese sammelte sie und trocknete viele davon, um daraus Tee und Medizin zu bereiten.
Eines Tages fand sie beim Hüten des Viehs eine neue Pflanze, die ihr besonders gefiel, denn sie hatte fast herzförmige Blätter. Sie grub etliche dieser Pflanzen aus und trug sie in ihrer zusammengerafften Schürze nach Hause. Dort pflanzte sie die Pflänzchen um das Haus ihrer Eltern. Sie gab den Pflanzen Wasser und riss das um sie wachsende Unkraut aus, so dass die Pflänzchen gediehen und immer größer wurden.

Lindi

Im Laufe der Jahre war Lindi eine erwachsene Frau und Mutter vieler Kinder geworden. Aus den kleinen Pflanzen jedoch waren stolze junge Bäume herangewachsen. Die Kronen dieser Bäume spendeten im Sommer Schatten, ihre Blüten lockten viele Bienen, und der Honig daraus schmeckte vorzüglich. Aus den Blüten ließ sich ein Tee machen, der half das Fieber zu senken.
Auch alle anderen Dorfbewohner hatten inzwischen Gefallen an den hübschen Bäumen gefunden und pflanzten noch viele weitere dazu.
Lindi wurde sehr, sehr alt und nach ihrem Tod sagten die Leute: Das ist der Baum den Lindi uns gebracht hat – also der Lindenbaum.

Und unser Dorf wurde der Lindenort – heute die Lindenstadt Lübtheen, in der daselbst und in ihren Ortsteilen nun etwa viertausend Lindenbäume wachsen.

Autorin: Marlis Bünsch