Die Mohnblume

Es lebte einmal in einem Dorfe ein armer Töpfer mit seiner Frau, die hatten eine hübsche Tochter. Doch als das Mädchen erwachsen wurde, starben die Eltern einen frühen Tod. Seinen einzigen Trost fand es in den schönen Liedern eines jungen Spielmanns, der wunderbar die Geige spielen konnte. Neben dem Haus des hübschen Mädchens aber stand eine Mühle, und dort wohnte eine Müllerin, die konnte zaubern. Der junge Müllerssohn wollte das schöne Mädchen um jeden Preis heiraten, doch dieses konnte an niemand anders denken als an den Spielmann.

Nach einiger Zeit brach ein Krieg aus, und der junge Spielmann musste in fremde Länder ziehen. Jahr um Jahr verging, ohne dass das Mädchen etwas von ihm hörte. Die Müllerin aber kam jeden Tag und drängte es, endlich ihren Sohn zum Manne zu nehmen. Eines Tages, als die junge Frau auf dem Kornfeld arbeitete und immer wieder Ausschau nach ihrem Geliebten hielt, verwandelte sie die Müllerin in ihrem Ärger in eine Mohnblume. Da stand sie nun zwischen den Getreidehalmen, wankte im Wind und streckte ihr Köpfchen dem Horizont entgegen.

Wohl zwanzig Jahre vergingen, da hörte man eines Tages auf der Dorfstraße Liedersang, und Geigenklänge zogen über das Feld. Der Spielmann kam in einen blauen Mantel gehüllt ins Dorf, und gleich versammelten sich die Dorfleute um ihn herum, damit sie seinen Liedern lauschten. Er aber sagte: „lch suche die schöne Töpferstochter, die vor Jahr und Tag gleich neben der Mühle
wohnte, denn sie ist meine Braut.“ Niemand aber konnte sich an das Mädchen erinnern. Da trat ein altes Mütterchen hervor und sprach: „Deine Braut, die findest du im Kornfeld, denn die böse Müllerin hat sie verzaubert, weil sie ihren Sohn nicht heiraten wollte.“ Da wurde der Spielmann blass vor Kummer und Gram. Er nahm seine Geige und traurig ging er aus dem Dorf hinaus, dem Kornfeld zu, wo die rote Mohnblume wuchs. Er setzte die Geige ans Kinn und spielte für die Blume die schönsten Lieder. Nach einer Zeit verstummte die Geige, und Tränen liefen über das Gesicht des Spielmanns. Auf einmal fühlte er eine tröstende Hand auf seinem Haar, und eine wunderschöne Frau stand vor ihm und sprach: „Eine schöne, rote Blume wächst in meinem Garten, die einsam ist und wartet auf ihren Spielmann. Komm mit mir, du sollst nun für immer mit ihr zusammen sein.“ ln diesem Augenblick verwandelte sich der Spielmann in eine zarte Pflanze, und sein blauer Mantel wurde zu einer leuchtenden Blüte. Seit dieser Zeit blühen Mohn und Kornblume still vereint nebeneinander in den Kornfeldern, flüstern miteinander und nicken sich glücklich zu.

Quelle: Mutabor Verlag, Pflanzenmärchen aus aller Welt

Die Mohnblume - Plattdeutsch

Die Mohnblume
Göldenitz

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