Spuk im Schloss
Vor gar nicht allzu langer Zeit, nämlich im 18. Jahrhundert, lebte Herzog Christian Ludwig II im Schloss zu Neustadt-Glewe, nachdem bekanntermaßen seine vormalige Residenz in Grabow einem Stadtbrand zum Opfer fiel. Mit ihm war seine Gemahlin Gustave Caroline dort ansässig. Ihrer Ehe entsprangen fünf Kinder, wobei eine der drei Töchter bereits kurz nach der Geburt wieder verstarb, so dass sie nur vier Kinder großziehen konnten.
Wie dem auch sei. Um im Schloss zu Neustadt-Glewe wohnhaft werden zu können, ließ der Herzog es erst einmal zu Ende bauen. Denn obgleich der Bau bereits 1618 begonnen wurde, ward es lange Zeit nicht fertiggestellt worden. Erst unser Herzog Christian Ludwig II sorgte dafür, dass der Bau im Jahre 1711 fortgesetzt wurde. Bis alles fertig war, von außen wie von innen, brauchte es weitere Jahre. Dafür wurde das Schloss am Ende sehr prachtvoll und war gerade im Inneren äußerst opulent ausgestattet. Das herzogliche Paar bezog das Schloss schließlich anno 1725 und lebte für etwa zehn Jahre dort. Denn als der Herzog in der Erbfolge aufstieg, zog er standesgemäß nach Schwerin. Die Herzogin Gustave Caroline jedoch verstarb ein Jahr zuvor, erlebte demnach weder den Aufstieg ihres Gemahls noch den Umzug in die Schweriner Residenz.
Nach einiger Zeit wurde in Neustadt-Glewe zunehmend gemunkelt, dass es im Schloss spuke. Daher lag die Vermutung nahe, dass vielleicht die Herzogin einsam als Weiße Frau durch das Innere des Schlosses wandelte und noch immer über die Kostbarkeiten, die Ölgemälde, herrlichen Gobelins und prachtvollen Skulpturen wachte. Manch einer behauptete, er habe sie zur mitternächtlichen Stunde gesehen und auch, wie sich vor ihr die Türen ganz von allein, ja wie durch Zauberhand öffneten. Vor allem bei feierlichen Anlässen geschah es häufig, dass die Weiße Frau auf ihre unheimliche Art erschien, so als wäre sie nach wie vor die Gastgeberin und Herrin des Schlosses. Das sorgte für allerlei Gerüchte und unterschwelliges Bangen in Neustadt-Glewe, denn niemand konnte mit Gewissheit sagen, ob die Weiße Frau es gut meinte oder doch Böses im Schilde führte.
Die Jahre zogen ins Land, die Weiße Frau trieb immer wieder ihr Unwesen um Mitternacht und verschreckte die Leute, da bekam das Schloss mit der Zeit Risse, weil es einst auf Pfählen errichtet wurde und an mancher Stelle einzusacken drohte. So ergab es sich, dass all die wertvollen Ölgemälde, 180 an der Zahl, die herrlichen Gobelins und prachtvollen Skulpturen nach Schwerin geschafft wurden. Überdies wurde das Schloss zum Ende des 19. Jahrhunderts noch einmal umgebaut. Und siehe da, seither ward die weiße Frau nicht mehr im Schloss gesehen und der Spuk hatte ein Ende.
Was also war geschehen? Ist die Weiße Frau verschwunden, weil all die Kostbarkeiten, über die sie wachte, nun ebenfalls verschwunden waren? Ist sie vielleicht mit den Schätzen des Neustädter Schlosses nach Schwerin gezogen? Oder fand sie endlich ihre Ruhe und ward erlöst? Oder aber irrt sie vielleicht noch immer in der Lewitz umher? Wir wissen es nicht. Tatsache ist, von der einstigen Pracht sind nur noch die aufwändigen Stuckarbeiten an den Decken geblieben. Das mag uns einfache Leute in Erstaunen bringen, aber einer Herzogin, ob nun lebendig oder tot, mag das allein wohl nicht genügen.