Prinzessin Sahra

Im Bereich Schönberg und Rehna wird von den Alten die Sage über die „wilde Jagd“, die sonst weit in den Landen verbreitet ist, mit einer Frau verbunden. Diese Frau ist keine verfluchte Jägerin, sondern soll eine Prinzessin aus dem Morgenlande sein. Sie wird auch als freundlich beschrieben, soll Geschenke machen und auch im Sommer wirken, wo sie das Wachsen des Korns beschleunigen „ sei treckt dat Kuurn“ oder sie zeigt in der Sommerzeit den Kornsegen an: „Dat Kuurn is riep – dat mööt meiht warden“ sagen dann die Leute.
Oft erscheint sie aber natürlich in der Zeit des Jahreswechsels:

Als einst den drei Köni´gen ein Sternlein erschien
Und machte dass sie nach Bethlehem ziehn,
da kamen sie auf ihrem Wege zuvor
im Wüstenreich an und klopften ans Tor:
„Komm mit uns, uns wurde ein Wunder gewahr,
ein Stern zeigt uns an: Unser Retter ist da!

Heut ist ein Sternlein vom Himmel gefallen,
hats keiner gesehen? Es leuchtet uns allen.
Es leuchtet das Sternlein mit helllichtem Schein
ins Herz uns hinein.“

Doch im Wüstenreich, dort im Dünensand
Prinzessin Sahra am Tor nur stand.
Sie hob ihre Hände in ihrem Leid
und sprach: „Ich hab überhaupt keine Zeit!
Seit meine Eltern kamen um
muss ich alles richten. Und darum
zieht nur allein. Ich muss mich sorgen
das all meine Bauern hab´m Wasser morgen,
das ein jeder pflegt seinen Olivenbaum.
Ich hab für die Pferde Zeit noch kaum.“

Die Könige gingen. Doch am Abend dann
als all´ ihre Arbeit war getan,
da blickt Prinzess Sahra vom Palastdach hinauf
in den Himmel und zu der Sterne Lauf.
Und sie stellte sich nun die bange Frage
welcher dort wohl die Botschaft trage,
die Botschaft vom Frieden in der Welt,
von Güte und Liebe und was wirklich zählt.
Und sie läuft in den Stall, holt ihr Pferdchen schnell -
mit den Augen wie Seen und dem Mondscheinfell -
und eilt in die Nacht. Doch vom Wüstenwind
die Spuren der Kön´ge verweht längst sind.
Da steht sie nun, einsam, zu allem bereit,
und schwingt sich dann auf in den Raum und die Zeit:

Heut ist der Himmel zur Erde gekommen.
Hats keiner gespüret, hats keiner vernommen?
Es leuchtet der Himmel mit helllichtem Schein
ins Herz uns hinein.

Und wenn uns im Winter Sturm rüttelt am Dach,
ans Fenster klopft und braust mit Macht,
so wissen wir doch und glauben es gern:
Das ist Prinzess Sahra, und sie sucht den Stern!
Sie reitet auf ihrem Pferdchen so schnell -
mit Augen so blau und wie Mondschein das Fell.

Sie reitet und sucht nach des Sternchens Licht
im leuchtenden Kaufhaus. Und findet es nicht.
Hier eilen die Menschen und suchen mit Hast
nach Dingen und stöh´n unter deren Last.
Und tausende Wünsche werden erfüllt -
nur die Zeit zum Verweilen und Zuhören fehlt.

Da erhebt sie sich wieder in Raum und Zeit,
die suchende Sahra, zu allem bereit.
Und kommt an ein Fenster im Abendschein,
schaut voller Sehnsucht ins Zimmer hinein.
Dort sitzen die Jungen bei den Alten
und wollen gemeinsam den Abend gestalten.

Hier klopft sie an und singt leise ihr Lied
und es folgt was sonst nur in Märchen geschieht:

Heut ist ein Leuchten ins Herz uns getragen.
Hat´s keiner gefühlet, kann´s keiner denn sagen?
Es leuchtet die Weihnacht mit helllichtem Schein
ins Herz uns hinein.

Und was glaubt Ihr nun alle, sagt einmal an,
wurde ihr dort wohl die Tür aufgetan?

Autorin: Dorothea Wende; Einblicke LK NWM Heft 7



Prinzessin Sahra - Plattdeutsch

Prinzessin Sahra
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