Der Vogelkönig

Als die Vögel ihren König wählen wollten, da sollte es der sein, der am höchsten fliegen kann. Ein winziger Vogel, ein kluger Schelm und nicht größer als eine Maus, wollte aber unbedingt König werden. Er versteckte sich im Gefieder des Kranichs, und als alle Vögel aufgestiegen waren und der Kranich alle anderen weit hinter sich gelassen hatte, schlüpfte er unter den Federn hervor, stieg etliche Meter über den Rücken des Kranichs auf und rief laut: „Ich bin der höchste, seht, ich bin der Höchste. Ich werde euer König sein.“
Die anderen Vögel waren sehr erbost über diesen Betrugsversuch. Sie stürzten sich auf den kleinen Vogel, als der sich in der Luft nicht halten konnte. Er fiel herab wie ein Stein und entkam ihnen in ein Mauseloch. Die Vögel saßen vor dem Loch und regten sich mächtig auf, allein der Vogel kam nicht heraus. Da wurden sie des Wartens müd` und beauftragten die Eule, vor dem Loch abzuwarten, die anderen gingen wieder ihren Tagesgeschäften nach. Die Eule wartete und wartete und wartete und wurde müde vom Stillsitzen und die großen Augen fielen ihr zu.
So entkam der kleine Vogel, noch immer klein wie eine Maus, aber bis heute mit einer mächtigen Stimme. Die Menschen nennen ihn den Zaunkönig, vielleicht ein bisschen aus Spott. Die Vögel aber waren böse auf die Eule, und deshalb kann sie sich nun nur noch in der Nacht zeigen. Und die Eule ist böse auf die Maus, weil sie dem Vögelchen geholfen hat mit ihrem kleinen Loch, und jagt sie deshalb.
Aber die Kleinen müssen eben manchmal zusammenhalten und außerdem ist das alles schon lange, lange her.

Autorin: Dorothea Wende, Einblicke LK NWM, Heft 7

Der Vogelkönig - Plattdeutsch

Der Vogelkönig
Goddin

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